Mein Konto
    Sture Böcke
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Sture Böcke
    Von Christian Horn

    „Sture Böcke“ – der deutsche Titel könnte kaum treffender gewählt sein. Gemeint sind damit nicht nur die Schafe und Böcke, die in einem abgelegenen Tal in Nordisland grasen. Gemeint sind vor allem die beiden sturen Brüder Gummi (Sigurdur Sigurjónsson) und Kiddi (Theodór Júlíusson), die zwar mitten im Nirgendwo in unmittelbarer Nachbarschaft leben, aber schon seit vierzig Jahren kein Wort mehr wechseln. Überhaupt wird in diesem isländischen Drama wenig gesprochen. Der Regisseur Grímur Hakonarson erzählt seine fast schon archaische Geschichte vor allem mit Bildern und Gesten. Dennoch ist „Sture Böcke“ keineswegs bedeutungsschwanger und behäbig, sondern lebt von der Konzentration auf das Wesentliche. In Cannes erhielt Grímur Hakonarson dafür den Hauptpreis der Sektion Un Certain Regard.

    So schroff wie die Landschaft im kaum besiedelten Norden Islands sind auch die beiden zerstrittenen Brüder Gummi und Kiddi, die jeweils eine eigene große Schafherde bewirtschaften. Als Kiddi nach einem Züchterwettbewerb heimlich die Tiere seines Bruders inspiziert, entdeckt er Anzeichen für die gefährliche Traberkrankheit. Der Verdacht bestätigt sich und das Veterinäramt ordnet die Schlachtung aller Schafe im Tal an. Erst zwei Jahre nach der Desinfektion der Ställe dürfen die Schafzüchter wieder ihrer Arbeit nachgehen. Während der jähzornige Gummi seinen Frust im Schnaps ersäuft, versteckt Kiddi einen Schafbock und ein halbes Dutzend Schafe in seinem Keller, um sie vor den Veterinären zu retten.

    Der norwegische Kameramann Sturla Brandth Grovlen machte zuletzt mit der nächtlichen Berlin-Tour-de-Force „Victoria“ auf  sich aufmerksam und liefert auch im gänzlich anders inszenierten „Sture Böcke“ eine tadellose Arbeit ab. Er fängt die karge isländische Landschaft in schnörkellosen Bildern ein, die trotz ihrer schroffen Schönheit nie zum Selbstzweck werden, sondern immer im Dienst der Geschichte stehen. Der Winter fegt meterhohe Schneewehen an die Haustüren der Brüder und das widrige Wetter spiegelt genauso wie die Landschaft das kantige Innenleben der schweigsamen Farmer. Regisseur Grímur Hakonarson nimmt sich die nötige Zeit, den brüderlichen Konflikt zu etablieren, ohne dass der Film je in Langeweile abrutscht. Stattdessen passiert immer etwas: Wenn einer der Tierärzte Kiddi in seinem Haus besucht und die im Keller versteckten Schafe Geräusche machen, entsteht aus dieser simplen Situation eine erstaunlich spannende Szene. Sie ist ein schönes Beispiel für Hakonarsons einfache, aber sehr effektive Inszenierung. Auch die zaghafte Annäherung zwischen den lange so unversöhnlichen Brüdern im Angesicht der existenziellen Bedrohung von außen wird gänzlich unaufgeregt dargebracht. Nur das Ende, das in seiner Art nicht so recht zum restlichen Film passen will, sorgt für kleine Irritationen.

    Fazit: In diesem schnörkellosen Drama aus Island wird ohne viele Worte eine existenzielle Geschichte erzählt.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top