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    Tatort: Kleine Prinzen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Kleine Prinzen
    Von Lars-Christian Daniels

    So richtig angekommen sind die Schweizer „Tatort“-Kommissare Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) in der Krimireihe erst im vergangenen Jahr: Seit ihrem Amtsantritt kamen aus Luzern bis dato vor allem Beiträge, die weit unter dem Normalniveau der öffentlich-rechtlichen Erfolgsreihe lagen. In Sachen Einschaltquote sind die Eidgenossen abgeschlagenes Schlusslicht, doch 2015 setzte das SRF nach ersten Gerüchten um eine nahende Absetzung des Ermittlerteams ein positives Ausrufezeichen: Im von Publikum und Filmkritik gleichermaßen gelobten „Tatort: Ihr werdet gerichtet“ übte Antoine Monot, Jr. („Absolute Giganten“) in der Rolle eines Serienmörders Selbstjustiz an kriminellen Mitbürgern. Sein toller Auftritt bescherte dem auch als „Tech-Nick“ aus der Werbung bekannt gewordenen Schauspieler den Schweizer Fernsehfilmpreis – und Luzern seinen besten „Tatort“ überhaupt. Markus Welters „Tatort: Kleine Prinzen“, der wie alle SRF-Beiträge mit der holprigen Synchronisation für das deutsche TV-Publikum zu kämpfen hat, wirkt da wie ein Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten: Dem zähen neunten Fall der Schweizer Kommissare fehlt es nicht nur an Spannung und Überraschungsmomenten, sondern vor allem auch an interessanten Figuren.

    Der LKW-Fahrer Fritz Loosli (Urs Jucker) braust nachts über eine Landstraße. Als ihm vor Müdigkeit die Augen zufallen, schreckt er kurz darauf hoch: Die junge Ava Fleury (Ella Rumpf) wird von seinem Wagen erfasst und liegt anschließend tot auf dem Asphalt. Loosli muss den Luzerner Hauptkommissaren Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) Rede und Antwort stehen. Im Präsidium gerät er mit Avas Vater aneinander: Der alleinerziehende Laurant Fleury (Luc Feit) will den Tod seiner Tochter nicht ungesühnt lassen. Doch Loosli ist gar nicht für Avas Ableben verantwortlich: Gerichtsmedizinerin Corinna Haas (Fabienne Hadorn) weist nach, dass die Schülerin schon vor dem Unfall erschlagen und tot auf der Straße abgelegt wurde. Flückiger und Ritschard, die bei ihren Ermittlungen auch von Praktikant Silvan Bühler (Mario Fuchs) unterstützt werden, hören sich in Avas Schule um: In dem teuren Eliteinternat führt Rektorin Elisabeth Ammann (Esther Gemsch) ein strenges Regiment, während Kunstlehrer Matthias Fischer (Jürg Plüss) offenbar ein Verhältnis mit Ava hatte. Auch der mit Drogen dealende Tom Hoffmann (Flurin Giger) und der arabische Ministerbruder Fahd (Hassan Akkouch) hatten ein Auge auf ihre Mitschülerin geworfen...

    Eingefleischte Fans der Krimireihe dürften beim 979. „Tatort“ gleich ein doppeltes Déjà-vu erleben: Bereits im Jahr 2009 ermittelten die Konstanzer Hauptkommissare Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) im starken „Tatort: Herz aus Eis“ in einem Eliteinternat, während ihre Münchner Kollegen Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) 2014 im „Tatort: Der Wüstensohn“ mit dem arabischen Prinzen Nasir Al Yasaf (Yasin el Harrouk) aneinandergerieten, der nach allen Regeln der Kunst über die Stränge schlug und sogar eine Leiche spazieren fuhr. Markus Welters „Tatort: Kleine Prinzen“ ist eine Kreuzung dieser beiden Fälle: Der arabische Minister Ali Al-Numi (Nadim Jarrar), Bruder des Internatsschülers Fahd, hat sich mit seinen Gefolgsleuten in einem Luxushotel einquartiert und genießt in Luzern ebenso diplomatische Immunität wie sein Vorgänger in München. Für die Ermittler ist der hauptverdächtige Fahd damit nur bedingt greifbar – und weil schon bald die Bundeskriminalpolizei in Person des unsympathischen Marc Müller (Samuel Weiss) dazwischenfunkt, mündet die Geschichte in das übliche ermüdende Kompetenzgerangel der Behörden, wie wir es schon viele Dutzend Male im „Tatort“ gesehen haben.

    Statt einen verzwickten Whodunit in einem reizvollen Mikrokosmos zu entspinnen, verlieren die Drehbuchautoren Lorenz Langenegger („Letzte Bergfahrt“) und Stefan Brunner („SOKO Wien“) den Schauplatz Eliteinternat aus den Augen und schenken ihren Figuren zu wenig Beachtung. Rektorin Elisabeth Ammann ist als strenge Oberaufseherin genauso holzschnittartig angelegt wie der „kleine Prinz“ Tom Hoffmann, der die Erwartungen seiner steinreichen Eltern nie erfüllen kann, während der hochnäsige Diplomat Ali Al-Numi die Kommissare natürlich ein ums andere Mal abblitzen lässt („Die Herren von der FIFA sind sehr darüber enttäuscht, dass ich ihr Essen so plötzlich verlassen musste!“). Auch Amtsrat Eugen Mattmann (Jean-Pierre Cornu), der im „Tatort: Ihr werdet gerichtet“ erstmalig menschliche Züge offenbarte und sich ein Stück weit vom Schablonenhaften seiner Figur löste, gibt diesmal wieder den überzeichneten, ewig mahnenden Vorgesetzten, dem nur an einem schnellen Abschluss des Falls („Nicht gucken wie die Kuh, wenn’s donnert!“) und dem Vermeiden jeglicher Reibungen mit den einflussreichen Kollegen aus Politik und Wirtschaft gelegen ist.

    Immerhin: „Das SRF hat zugesagt, dass unsere Filmfiguren mehr Privatleben erhalten“, verriet Hauptdarsteller Stefan Gubser vor ein paar Monaten der Schweizer Presse – und zumindest im Hinblick auf Reto Flückiger ist dieser sinnvolle Ansatz in Markus Welters „Tatort: Kleine Prinzen“ zu spüren. Die Umsetzung wirkt allerdings ziemlich unbeholfen: Der Kommissar und Hausbootbewohner wirft sich nach Feierabend für ein Rendezvous in Schale – aber lernen wir sein Herzblatt im Anschluss daran auch kennen? Weit gefehlt: Wer Flückigers neue Flamme ist, erfährt der Zuschauer ebenso wenig wie Kollegin Liz Ritschard, die auch in diesem „Tatort“ nichts von ihrem Privatleben preisgeben darf. Stattdessen bandelt Gerichtsmedizinerin Corinna Haas mit dem rund zwanzig Jahre jüngeren Praktikanten Silvan Bühler an – ein ziemlich absurdes, aber doch irgendwie sympathisches Bild. Auch der Showdown des Krimis bringt den Schuss Originalität mit, den der Krimi ansonsten vermissen lässt: Während der Täter das Geständnis ablegt, läuft im Hintergrund desselben Raumes seine Tat ab.

    Fazit: Markus Welters Luzerner „Tatort: Kleine Prinzen“ ist ein weiterer enttäuschender Schweizer Beitrag zur Krimireihe.

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