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    Death In Sarajevo
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Death In Sarajevo
    Von Christoph Petersen

    In Bernard-Henri Lévys Bühnenmonolog „Hotel Europe“ bereitet sich ein Mann in einem Hotelzimmer in Sarajevo auf eine Rede vor, die er zum 100-jährigen Jubiläum des weltkriegsstartenden Attentats des serbischen Nationalisten Gavrilo Princip auf Erzherzog Franz Ferdinand in der heutigen bosnischen Hauptstadt halten soll. Für seinen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Death In Sarajevo“ hat sich der preisgekrönte Regisseur Danis Tanovic (mit „No Man’s Land“ gewann er 2002 für Bosnien den Oscar) von „Hotel Europe“ inspirieren lassen - den Redenhalter (Jacques Weber) gibt es auch hier, aber Tanovic hat das Hotel mit zusätzlichen Figuren bevölkert, die stellvertretend für verschiedene Facetten des heutigen Sarajevo stehen: von den streikplanenden Angestellten bis zu ihrem noch immer den Olympischen Spielen von 1984 nachtrauernden Hotelmanager (Izudin Bajrovic), von den Gangstertypen, die im Keller einen Nachtclub betreiben, bis zur TV-Crew, die auf dem Dach Interviews mit Experten und Historikern anlässlich der anstehenden Feierlichkeiten aufzeichnet.

    Wenn sich die bosnische Fernsehmoderatorin Vedrana (Vedrana Seksan) mit ihrem serbischen Gast (Muhamed Hadzovic) darüber zofft, ob Gavrilo Princip nun ein Freiheitskämpfer oder ein Terrorist gewesen sei, muss man sich schon sehr gut mit der Geschichte des Balkans auskennen, um bei all den Namen und Argumenten, die sich die Streithähne hier an den Kopf werfen, nicht den Überblick zu verlieren. Aber darum geht es ja auch gerade: Danis Tanovic legt die Zerfahrenheit der Situation schonungslos offen – auf kurze Momente der Hoffnung folgt bei ihm stets die endgültige Kapitulation: Vor 100 Jahren konnte man zumindest noch den Anführer der Besatzer ermorden, aber heute weiß niemand mehr, auf wen er eigentlich noch schießen soll. Tanovics siebter Spielfilm ist der erste, den er in seiner Heimatstadt Sarajevo gedreht hat – und auch wenn man „Death In Sarajevo“ immer anmerkt, dass der Regisseur diese Stadt über alles liebt, kann nicht einmal er noch einen Hoffnungsschimmer am Horizont ausmachen.

    Fazit: Im betriebsamen Mikrokosmos eines Hotels angesiedelte, mit einer Spielzeit von nur 85 Minuten knackig auf den Punkt gebrachte Bestandsaufnahme der vergangenen 100 Jahre blutiger bosnischer Geschichte und der nicht weniger vertrackten Situation heute.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2016. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 66. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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