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    Ein letzter Job
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Ein letzter Job

    Ein hüftsteifer Heist-Film

    Von Lucas Barwenczik

    Warum müssen Filme über Figuren im hohen Alter oft selbst so hüftsteif und kraftlos sein? Manchmal scheint es, als würden mit den Charakteren auch Plot und Inszenierung lahm und gebrechlich. Selten stand ein Film so exemplarisch für dieses Phänomen wie der träge Heist-Thriller „Ein letzter Job“ des oscarprämierten Regisseurs James Marsh. Nach „The Hatton Garden Job“ wird dort bereits zum zweiten Mal die reale Geschichte einer Gruppe alternder Schmuckdiebe verfilmt, denen im Jahr 2015 der größte Juwelenraub in der Historie Großbritanniens gelang. Man sollte meinen, einen solchen Stoff könnte man gar nicht langweilig umsetzen. Aber weit gefehlt.

    Nach dem tragischen Tod seiner Ehefrau zieht es den einsamen Einbruchs-Veteran Brian Reader (Michael Caine) zurück in die Unterwelt und zum titelgebenden „letzten Job“. Er will einen Tresor im direkt vor den Toren Londons liegenden Diamantenviertel Hatton Garden knacken. Dazu versammelt er ein wild durchmischtes Team von gichtigen Langfingern: Terry Perkins (Jim Broadbent), Kenny Collins (Tom Courtenay), Danny (Ray Winstone) und Carl (Paul Whitehouse) können zwar keinen Computer bedienen, sind aber großartige Handwerker. Mit der modernen Sicherheitstechnologie hilft Neuling Basil (Charlie Cox), dem jedoch nicht alle im Team trauen ihm…

    Die Rentnerrunde ist längst nicht so harmlos wie sie scheint.

    Wenn diese Handlungsbeschreibung vor allem wie eine lange Liste von Darstellern klingt, dann liegt das an einem Film, der außer seinem Ensemble nichts zu bieten hat. Die erste Hälfte des Films zeigt die Planung und den Einbruch des Teams, die zweite handelt von den Nachwirkungen – interne Streitereien, Verrat, die Arbeit der Polizei, die den Dieben dicht auf der Spur ist. Aber das zerfahrene Drehbuch schafft nicht einen Hauch von innerem Zusammenhalt, die Geschichte zerfällt in planlos aneinandergereihte Einzelszenen. Alles stockt und stottert, nichts fließt.

    Schon James Marshs Oscarerfolg „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ sprühte nicht unbedingt vor visuellem Einfallsreichtum, sondern bebilderte einfach handwerklich solide die historischen Ereignisse. Aber was Marsh nun in „Ein letzter Job“ abliefert, grenzt schon an Arbeitsverweigerung. Jede Sitcom sieht origineller und abwechslungsreicher aus. Die Bilder geraten flach und langweilig. Fast zwei Stunden lang betrachtet man grauen, gleichförmigen Matsch. Wer die Augen schließt, verpasst wenig. Ausufernde Dialogpassagen werden auf immergleiche Weise gefilmt. Schuss und Gegenschuss, stets ein wenig zu langsam geschnitten, nie den erhitzten Gemütern angemessen. Selbst der eigentlich nervenaufreibende Einbruch wirkt wie eine Mischung aus Supermarktbesuch und Heimwerkertreff.

    Wo bleibt die Spannung?

    Die Darsteller stehen oder sitzen auf den Sets herum und spielen sich – ganz, ganz sachte – gegenseitig die Bälle zu. Das resultiert in kleingeistigen Streitereien, so aufregend wie ein Bingo-Abend im Altersheim. In einem Gespräch gleichen die Figuren die Dosis ihrer Diabetes-Medikation miteinander ab. Viele Zeilen erinnern entfernt an Pointen, sie werden vorgetragen wie Witze, aber es sind keine. Zumindest keine sonderlich lustigen.

    Die Riege grauer Herren lässt jeden Charme vermissen. Keiner der eigentlich talentierten Darsteller verschwindet in seiner Rolle, vor der Kamera sieht man immer Michael Caine und Co. Sie schlurfen durch den Film mit einem vielleicht sogar angemessenen Desinteresse. Ihre Akzente sind sehr britisch. Es entbrennt ein regelrechter Wettbewerb ob der größten Britishness, bei dem merkwürdigerweise alle verlieren. Gelegentlich fluchen sie, sie spielen ja schließlich Gangster, harte Typen, aber wirklich überzeugt wirken sie von den Kraftausdrücken nie. Selbst ihr Zorn wirkt wehleidig. Sie vollziehen die Schritte des Einbruchs mit der Leidenschaft übermüdeter Bürokraten.

    Erst einbrechen, dann einsitzen.

    Das liegt auch daran, dass sich Marsh nicht entscheiden kann, was für einen Film er drehen will: Ein melancholisches Drama über einen Mann, der den einzigen Menschen in seinem Leben verloren hat, der ihm je etwas bedeutet hat? Also die Geschichte eines seelischen Wracks, das jetzt die Leere im Herzen mit Gold füllt? Dafür sprechen die Sequenzen, in denen Caine zu trauriger Musik durch sein Haus stapft und die verbliebenen Habseligkeiten seiner Frau anglotzt. Oder soll es eine spaßige Cockney-Krimi-Komödie sein, in der ulkige alte Männer Schenkelklopfer-Material austauschen? Dafür spricht nahezu alles andere. Die Stimmungen kommen nie interessant zusammen, werden aber auch nicht produktiv gegeneinandergestellt. Sie schwimmen einfach dahin und mischen sich nie, wie Wasser und Öl. Jede Trauer-Szene wird in den Film geworfen wie ein Schraubschlüssel zwischen Zahnräder.

    Die Frage drängt sich auf, warum Marsh diesen Film gemacht hat. Dem ursprünglichen Vanity-Fair-Artikel von Mark Seal hat er nichts hinzuzufügen, im Gegenteil: Einige lässige Gesten oder auch ihr belesenes Expertentum spart er einfach aus. Auch am Ende des Films weiß man eigentlich nichts über die Räuber, über ihre Träume und Ideen. Danny hat Schulden und bekommt keinen Kredit von der Bank. Terry ist mit seinem Beruf in einer Fastfood-Küche unzufrieden. Doch diese Sorgen spielen in alles Folgende nicht mehr hinein, sie werden weder aufgegriffen noch weiterentwickelt. In seinen Dokumentarfilmen wie dem oscarprämierten „Man On Wire - Der Drahtseilakt“ zeigt Marsh, dass er eigentlich dazu in der Lage ist, den aufregenden Kern von realen Ereignissen zu finden. „Ein letzter Job“ bleibt aber eine leere Hülle ohne Zentrum. Am Ende weiß man nur, dass man um viele Minuten seiner Lebenszeit gebracht wurde. Das ist hier der eigentliche Raub.

    Fazit: Irgendwo zwischen Altersmilde und Nulllinie. Produktionen wie „Ein letzter Job“ sollte man wieder auf altem Nitrofilm veröffentlichen, damit wenigstens dadurch Spannung entsteht, dass das Kino jederzeit explodieren könnte.

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