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    Die brillante Mademoiselle Neïla
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die brillante Mademoiselle Neïla
    Von Jens Balkenborg

    Die brillante Mademoiselle Neïla“ war bei der 43. Verleihung des französischen Filmpreises César im Februar 2018 prominent vertreten: Er war nominiert in den Kategorien Bester Film und Bester Hauptdarsteller (Daniel Auteuil), die einzige Auszeichnung für Yvan Attals Mischung aus Komödie und Drama allerdings ging an die auch als Sängerin bekannte Camélia Jordana („Voll verschleiert“, „Bird People“), die zur Besten Nachwuchsdarstellerin gekürt wurde. Wie diese Ehrungen schon andeuten, sind die Darsteller hier die Hauptattraktion. Auteuil („Caché“, „Die Frau auf der Brücke“) als zynischer Rhetorikprofessor und Jordana als schlagfertige Studentin mit Migrationshintergrund tragen den Film, während Yvan Attal („Meine Frau, die Schauspielerin“), der hier sein fünftes Werk als Regisseur vorlegt, mit allerlei bekannten Erzählmustern jongliert und diese mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen anreichert.

    Neïla Salah (Camélia Jordana) möchte Anwältin werden und hat es an die Pariser Assas Law School geschafft. Doch das Studium beginnt alles andere als gut: Als sie etwas verspätet in die Vorlesung von Professor Pierre Mazard (Daniel Auteuil) kommt, stellt dieser sie vor dem versammelten Hörsaal bloß und nimmt sie mit rassistischen Äußerungen aufs Korn. Da der Provokateur zuvor schon negativ aufgefallen ist, sieht sich die Universitätsleitung anschließend zu disziplinarischen Maßnahmen gezwungen. Mazard bekommt eine letzte Chance, seine Weste reinzuwaschen, indem er Neïla dabei hilft, einen prestigeträchtigen Rhetorikwettbewerb zu gewinnen. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, arrangieren sich die beiden schließlich miteinander. Neïla neues Leben stellt aber auch ihre Liebe zu Mounir (Yasin Houicha) auf die Probe...

    Ein ungleiches Paar, das sich zusammenraufen muss; die Geschichte eines Aufstiegs von der Straße in den Jobolymp: An der Oberfläche wandelt „Die brillante Mademoiselle Neïla“ auf bekannten Pfaden und bietet, was die Figurenkonstellationen und den Handlungsverlauf angeht, keine Überraschungen. Es sind der wie so oft wunderbare Daniel Auteuil und die junge Camélia Jordana, die dem Film Leben einhauchen. Attal, der seine Karriere einst selbst als Schauspieler begonnen hat und auch in Hollywood-Produktionen wie „Die Dolmetscherin“ und „Rush Hour 3“ zu sehen war, lässt den Darstellern den nötigen Spielraum und gemeinsam sorgen sie dafür, dass die Figuren trotz der klischeehaften Grundzüge nicht zu Blaupausen verkommen.

    Auteuils Professor ist ein ziemlicher Kotzbrocken und ein Hitzkopf aus einer anderen Zeit, der gerne frei Schnauze redet. Wie sehr er in vielen Dingen den Anschluss verloren hat, zeigt sich in Details, etwa als er einmal abends durch die Straßen wankt und eine Frau anraunzt, weil sie die Kacke ihres Hundes aufsammelt. Während dieser kantige Intellektuelle für die politisch unkorrekten Ausfälle zuständig ist, wird die Titelheldin aus der Banlieue schnell zum emotionalen Zentrum des Films. Camélia Jordana verschmilzt regelrecht mit ihrer Figur und lässt ihre Unsicherheiten, ihre Sturheit und die zarten Seiten hinter der schlagfertigen Fassade wahrhaftig erscheinen.

    Neïla ist es dann auch, die einige der im Film bemühten Gemeinplätze mit einem Augenzwinkern enttarnt. „Mit 12 hast du von einer Karriere als Fußballer geträumt, mit 14 wolltest du Rapper werden und heute bist du Taxifahrer. Du bist ein wandelndes Klischee“, erklärt sie Mounir einmal. In solchen Momenten erhebt sich der Film über seine formelhaften Mechaniken, ohne sie im Ganzen zu überwinden. So wird in „Die brillante Mademoiselle Neïla“ die Kraft des Wortes und der Sprache zelebriert und auch dabei lässt sich die erzählerische Absicht jederzeit überdeutlich erkennen. Aber amüsant ist es allemal, wenn Mazard Neïla auf der Grundlage von Arthur Schopenhauers „Die Kunst, Recht zu behalten“ die Kunst der Rede beibringt, sie in der U-Bahn Reden römischer Senatoren rezitieren lässt oder sie schickt in ein Altenheim schickt, damit sie lernen, sich auf jeglichen Gesprächspartner einzulassen.

    Über dem unauffällig inszenierten und ganz auf die Schauspieler abgestellten Film schwebt eine didaktische Note mit positiver Botschaft. „Die brillante Mademoiselle Neïla“ steht für die Macht der Bildung und ist zuvorderst ein Plädoyer für Meinungsfreiheit und gegen voreilige Generalvorwürfe. Denn auch wenn Mazard rassistische Sprüche vom Stapel lässt (was natürlich nicht geht!), ist er dennoch kein Rassist, sondern ein schamloser Provokateur mit weichem Kern.

    Fazit: Yvan Attal liefert mit „Die brillante Mademoiselle Neïla“ sympathisches Schauspielerkino und ein versöhnliches Plädoyer für Toleranz und Meinungsfreiheit ab.

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