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    Revenge
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Revenge
    Von Christoph Petersen

    Vor zwei Jahren haben wir in unserer 5-Sterne-Kritik über „Elle“ geschrieben, dass Paul Verhoevens Meisterwerk mit Isabelle Huppert der erste Film sei, der das Prädikat eines „feministischen Rape-&-Revenge-Movies“ verdienen würde (sofern es so etwas überhaupt geben kann). Bei Coralie Fargeats „Revenge“ würde ich mich nun zwar nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnen, aber es macht das Ansehen des mega-stylischen Rache-Thrillers auf jeden Fall noch reizvoller, wenn man dabei im Hinterkopf behält, dass die blutig-brutale Wüstenhatz von einer Frau inszeniert und geschrieben wurde.

    „Revenge“ ist als konsequent-abgefuckter Reißer in sonniger Luxuskulisse von Anfang bis Ende grandios unterhaltsam. Aber noch spannender ist er, wenn man sich über den puren kranken Fun hinaus auch für die Weiterentwicklung eines längst ausgelutscht und aussortiert geglaubten Genres interessiert: Denn am Ende ist es alles andere als offensichtlich, wo die üblichen Pfade des Genres aufhören und wo der (Meta-)Kommentar der Regisseurin und Autorin auf die gängigen Rape-&-Revenge-Klischees anfängt.

    Die millionenschweren Geschäftspartner Richard (Kevin Janssens), Stan (Vincent Colombe) und Dimitri (Guillaume Bouchède) haben sich wie jedes Jahr eine mitten in der Wüste gelegene Luxusvilla gemietet, um in den nächsten Tagen gemeinsam auf Jagd-Safari zu gehen. Der verheiratete Familienvater Richard ist diesmal allerdings schon zwei Tage früher per Helikopter angereist, um noch ein romantisches Wochenende mit seiner jungen Geliebten Jen (Matilda Anna Ingrid Lutz) zu verbringen.

    Als auch Stan und Dimitri einen Tag früher als geplant auftauchen, fühlt sich speziell Stan von der attraktiven Amerikanerin so sehr angetörnt, dass er sie schließlich sogar vergewaltigt. Um Jen zum Schweigen zu bringen, stoßen die Geschäftskumpels sie von einer Klippe, an deren Fuß sie auch noch von einem Baumstamm durchbohrt wird. Aber als das Trio später zurückkehrt, um ihre Leiche zu verscharren, ist der Körper verschwunden und es führt nur noch eine Blutspur mitten in die Wüste...

    Dass es nicht so schwierig ist, der Spur zu folgen, liegt auch daran, dass ein menschlicher Körper in der extrem stilisierten Sonnen-Luxuswelt von „Revenge“ offenbar wesentlich mehr Blut in sich trägt als in der Realität. Vor allem während des zugleich konsequent-heftigen und allein schon aufgrund seiner unfassbaren Derbheit auch absurd-schwarzhumorigen Finales spritzt das Blut derart extrem herum, dass es am Ende kaum noch ein Fleckchen in der gesamten Villa gibt, das nicht mit dem roten Saft vollgeschmiert ist. Ganz egal was die Endreinigung in so einem Reichen-Resort kostet – in diesem Fall ist es ein absolutes Schnäppchen.

    Apropos Finale: Nachdem der leicht bekleidete Hintern der Protagonistin schon den ganzen Film über immer wieder prominent ins Bild gerutscht ist, interessiert sich die Kamera in den letzten 20 Minuten viel mehr für den genauso knackigen Arsch des Antagonisten, der den ganzen Schlussakt hindurch splitterfasernackt (abgesehen vom Blut natürlich) herumläuft und dabei ähnlich schamlos sexualisiert wird wie zuvor Jen, die gleich am ersten Abend in Schulmädchen-Playboy-Pose an einem Lolli lutscht. Das ist zwar bestimmt nicht der interessanteste Ausdruck der weiblichen Perspektive in „Revenge“, aber sicherlich der auffälligste.

    Eine nette Abwechslung ist auch, dass Jen eben nicht wie in dieser Konstellation üblich das dümmliche Anhängsel eines schleimig-schmierigen Geldsacks ist. Stattdessen scheint sie zu Beginn an Richards ausdefiniertem Körper genauso interessiert zu sein wie er an ihrem. Dieses Selbstbewusstsein und diese Zielstrebigkeit zeigen sich dann auch in der Wüste, als Jen nach ihrem Aufspießen kaum eine Sekunde zögert und sich ganz selbstverständlich mit einer Maßnahme das Leben rettet, auf die wir in 100 Jahren nicht gekommen wären. Ebenfalls in dieser Szene gibt es auch den visuell überraschendsten und eindringlichsten Moment des Films, wenn ihre Bluttropfen in starker Vergrößerung und Zeitlupe zwischen auf dem Boden herumwuselnden Ameisen einschlagen wie Bomben.

    Matilda Anna Ingrid Lutz („Rings“) ist jedenfalls eine Wucht als Badass-Variante von Lara Croft mit einem Schuss von Charlize Therons Wüsten-Amazone aus „Mad Max: Fury Road“. Selbst wenn Jen den ganzen Plot hindurch notgedrungen in ihrem knappen Bikini herumstapft, nimmt man ihr in jeder Sekunde ab, mit welchem Selbstverständnis sie alles Nötige tut (wenn auch in den allerschmerzhaftesten Momenten mit Hilfe von Peyote), um ihren Verfolgern zu zeigen, was ´ne Harke ist.

    Dabei streut Regie-Newcomerin Coralie Fargeat zwar einige treffende Beobachtungen ein, die die großwildjagenden Machos als Witzfiguren (mit vermutlich ziemlich kleinen Schwänzen) bloßstellen, etwa wenn Stan mitten während der Menschenhatz erst einmal die Klimaanlage seines Luxus-Land-Rovers richtig einstellt. Trotzdem bleiben sie als Kontrahenten in den Wüsten-Duellen weiterhin ernst zu nehmen, sodass die Entlarvung nicht auf Kosten der flirrenden Spannung geht. So sucht eben jener Stan in einer anderen Szene bestimmt eine ganze Minute lang mit seinen Fingern in einer klaffenden Fleischwunde in seinem Fuß nach einer Glasscherbe – und während er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Zähne beißt, braucht hier auch der Zuschauer ganz starke Nerven.

    Fazit: Extrem, stylisch, spaßig – ein Rape-&-Revenge-Reißer, der genügend Genre- und Geschlechter-Klischees durcheinanderwirbelt, um auch Nicht-Hardcore-Gorefans abgefuckt-unterhaltsame 108 Minuten zu bescheren.

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