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    Tatort: Der kalte Fritte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Der kalte Fritte
    Von Lars-Christian Daniels

    Als Nora Tschirner („SMS für dich“) und Christian Ulmen („Maria, ihm schmeckt’s nicht“) 2013 das erste Mal gemeinsam im „Tatort“ ermittelten, da wussten die Zuschauer anfangs noch nicht, dass ihre Figuren Lessing und Dorn nicht nur ihr Büro im Präsidium, sondern nach Feierabend auch das Schlafzimmer miteinander teilen: Die überraschende Wendung war eine der pfiffigsten Ideen im gelungenen „Tatort: Die fette Hoppe“, der ursprünglich als Event-Krimi konzipiert war und nach der positiven Zuschauerresonanz zum Dauerbrenner wurde. Dem federführenden MDR und seinen Drehbuchautoren sind solch originelle Einfälle in den letzten Jahren aber ein Stück weit abhandengekommen: Der Sender hat mit den Schmunzelkrimis aus Weimar zwar eine humorvolle Alternative zum megapopulären (und immer seltener überzeugenden) Münster-„Tatort“ etabliert, setzt aber meist auf eine Aneinanderreihung platter Gags in absurden Geschichten, die gar nicht erst den Anspruch auf Realitätsnähe erheben. Das ist zwar immer noch ganz unterhaltsam, auf Dauer aber auch etwas eintönig – und auch Titus Selges „Tatort: Der kalte Fritte“ ist trotz der etwas geringeren Gagdichte und einem überraschend emotionalen Finale kein Krimi, der lange in Erinnerung bleiben wird.

    Der Milliardär Alonzo Sassen wird in seiner Villa erschossen. Profikiller Petteri Salokangas (Lars Rudolph) wollte offenbar ein teures Gemälde stehlen, liegt kurz darauf aber tot neben Sassen: Dessen deutlich jüngere Frau Lollo (Ruby O. Fee) greift zur Waffe und streckt den Einbrecher mit mehreren Schüssen nieder. Aber sollte der Raubversuch womöglich nur einen Auftragsmord verschleiern? Die Weimarer Kommissare Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner), die bei den Ermittlungen von Kommissariatsleiter Kurt Stich (Thorsten Merten) und ihrem Kollegen Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey) unterstützt werden, folgen Lollo heimlich in das Bordell „Chez Chériechen“, in dem diese den Chef Fritjof "Fritte" Schröder (Andreas Döhler) um einen Job bittet. Dessen Bruder Martin (Sascha Alexander Geršak) betreibt mit seiner Frau Cleo (Elisabeth Baulitz) vor den Toren der Stadt einen Steinbruch, der kaum Gewinne abwirft. Der Bau des geplanten „Goethe-Geomuseums“ mitten im Steinbruch hätte finanzielle Besserung versprochen, doch auch Sassen hatte der Stadt zum Ärger der Schröders ein Baugrundstück angeboten. War das sein Todesurteil? Architekt Professor Ilja Bock (Niels Bormann) scheint bei dem Deal ebenfalls seine Finger im Spiel zu haben...

    Die talentierte Jungschauspielerin Ruby O. Fee („Zazy“), die mit einer kultverdächtigen Kaffeekoch-Einlage für die mit Abstand amüsanteste Szene in diesem „Tatort“ verantwortlich zeichnet, hat sich in der beliebtesten deutschen Krimireihe schon mehrfach in den Vordergrund gespielt: 2013 glänzte sie als Teenager-Göre im Stuttgarter „Tatort: Happy Birthday, Sarah“ und drei Jahre später als Verbrecher-Komplizin im Kölner „Tatort: Kartenhaus“. Bei ihrem dritten Sonntagskrimi-Auftritt wird Fee deutlich weniger gefordert, was exemplarisch für große Teile der mit durchaus klangvollen Namen gespickten Besetzung steht: Drehbuchautor Murmel Clausen („Der Nanny“) muss diesmal auf seinen Partner Andreas Pflüger (der mit der Arbeit an seinem Roman „Niemals“ beschäftigt war) verzichten und liefert vor allem holzschnittartige Figuren, die aber bei weitem nicht so sympathisch ausfallen wie zum Beispiel im sieben Wochen zuvor gesendeten „Tatort: Der wüste Gobi“. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Für eine spaßige Krimikomödie ohne Anspruch auf Ernsthaftigkeit fehlt es dem 1047. „Tatort“ neben originellen Pointen vor allem an schrägen und liebenswerten Charakteren – für einen Whodunit mit Handlung und Herz hingegen an Glaubwürdigkeit und Tiefgang.

    Charakterliche Schärfe verleihen die Filmemacher allenfalls Bordellbetreiber Fritte (souverän: Andreas Döhler, „Millionen“) und seinem Bruder Martin (stark: Sascha Alexander Geršak, „Der Hauptmann“) –Schutzpolizist Lupo („Mach ich zack-zack, Hackepeter!“) und Kommissariatsleiter Stich („Ich glaub, mein Hering hupt!“) hingegen sind im „Tatort“ aus Weimar zu Karikaturen verkommen und feuern mit selten witzigen, selbstkreierten Redewendungen aus allen Rohren. Mit Stichs Vater Udo (Hermann Beyer, „Dark“) gibt es zwar eine wichtige neue Figur, doch fallen deren zweifelhafte Machenschaften und Trickbetrügereien letztlich kaum origineller aus als bei seinen Pendants im ähnlich gelagerten „Tatort“ aus Münster: Dort darf Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) in schöner Regelmäßigkeit Verwandte bei sich begrüßen, die in irgendeinem mühsam zurechtgeschusterten Zusammenhang zum Mordfall stehen. Deutlich gelungener ist da schon das Easter Egg, mit dem Hauptdarsteller Christian Ulmen einen versteckten Gruß an seinen „jerks.“-Kumpel Fahri Yardim nach Hamburg schickt: Wer sich an Yardims Rollennamen im umstrittenen „Tatort“ von der Waterkant erinnert, sollte bei einer Aktensichtung im Präsidium genau hinhören.

    Doch auch an anderer Stelle werden Erinnerungen an die actionlastigen Fadenkreuzkrimis aus Hamburg wach: In der zweiten Filmhälfte schlagen Drehbuchautor Clausen und Regisseur Titus Selge („Neues aus dem Reihenhaus“) für Weimarer Verhältnisse plötzlich ungewohnt ernste Töne an und legen eine überraschend harte Gangart vor, bei der sich brutal durch Bordellbüros geprügelt oder im Steinbruch eine ganze Felswand in die Luft gesprengt wird. Nach einer plötzlichen Reduktion der Gag-Salven soll sich auf der Zielgeraden auf Knopfdruck Dramatik einstellen und Dorns Leben ernsthaft in Gefahr sein: Eine solche erzählerische Kehrtwende kann allerdings kaum funktionieren, nicht zuletzt weil wir erst wenige Minuten zuvor Zeuge werden, wie sich die Kommissarin und Mutter (deren gemeinsames Kind mit Lessing wir einmal mehr nicht zu Gesicht bekommen) bei einem freiwilligen Undercover-Einsatz im Bordell an der Tanzstange zum Affen macht. Das hätte Waschbärbauch Lessing kaum weniger sexy hinbekommen – und so bleibt im siebten „Tatort“ aus Weimar trotz einiger guter Ansätze am Ende vieles Stückwerk. Eingefleischte Fans von Lessing und Dorn werden darüber aber hinwegsehen können.

    Fazit: Titus Selges „Tatort: Der kalte Fritte“ ist eine gewohnt humorlastige Krimikomödie, deren dramatisches Finale aber nicht recht zu der seichten und spannungsfreien Gangart im Vorfeld passen will.

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