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    Angel Of Mine
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Angel Of Mine

    Ein gelungenes Remake

    Von Lutz Granert

    Noomi Rapace überzeugt uns immer wieder mit ihrer Darstellung von starken, fast amazonenhaften Frauenfiguren. Als psychotische Cyberpunk-Hackerin Lisbeth Salander in den schwedischen Adaptionen von Stieg Larssons „Millennium“-Trilogie feierte sie den internationalen Durchbruch, als clevere Archäologin (in Ridley Scotts „Alien“-Prequel „Prometheus – Dunkle Zeichen“) eroberte sie auch Hollywood, als gehetzte Zwillingsschwester(n) („What Happened To Monday?“) spielte sie gleich sieben Rollen und als toughe Actionheroin schulterte sie zuletzt „Close“. Wer die deutlich vielfältigere Rapace vor allem aus solchen Produktionen kennt, wird sich bei „Angel Of Mine“ erst einmal verwundert die Augen reiben. Doch eine Sache bleibt gleich: Der starken Performance der Schwedin ist es in erster Linie zu verdanken, dass der etwas zu subtil inszenierte australische Psychothriller-Remake von Regisseurin Kim Farrant („Spurlos: Ein Sturm wird kommen“) bis zum Ende fesselt.

    Lizzie (Noomi Rapace) leidet unter einem Trauma, seit sie ihre neugeborene Tochter vor sieben Jahren bei einem Brand im Krankenhaus verloren hat. Über ihre psychischen Probleme ging ihre Ehe mit Mike (Luke Evans) in die Brüche, von ihrem gemeinsamen Sohn Thomas (Finn Little) hat sie sich entfremdet. Als sie über Thomas eines Tages Bekanntschaft mit der Familie von Claire (Yvonne Strahovski) macht, traut Lizzie ihren Augen nicht. Sie glaubt, in Claires siebenjähriger Tochter Lola (Annika Whiteley) ihr eigenes Kind wiederzuerkennen. Lizzie steigert sich in ihre Obsession hinein und sucht wie eine Stalkerin immer wieder die Nähe zu Lola – was Claire schnell entschieden zu weit geht...

    Lizzie glaubt, Lola sei ihre Tochter.

    Von der harten Heldin, die Noomi Rapace so oft schon spielte, ist in „Angel Of Mine“ nichts zu erkennen. Hinter der äußerlich makellosen Angestellten eines Kosmetikstudios, die mit knallrotem Lippenstift, daneben aber dezentem Make-Up, perfekt sitzender Frisur und entrücktem Blick den Kundinnen einen neuen Look verpasst, verbirgt sich eine zerbrechliche Frau, die nach ihrem traumatischen Verlust jegliche Freude in ihrem Leben verloren zu haben scheint. Ein unterkühlt-oberflächliches Date mit einem jüngeren Mann endet zwar in überstürztem Sex im Flur, aber Lizzie kann ihrer Eroberung erst nicht ins Gesicht sehen und stößt ihn schließlich weg, um mehr mechanisch als leidenschaftlich auf dem Fußboden an Ort und Stelle zur Masturbation überzugehen.

    Es sind beklemmende, regelrecht unangenehme Momente wie dieser, welche durch die große emotionale Bandbreite von Noomi Rapace den Schmerz und die Zerrissenheit ihrer Figur spürbar werden lassen. Gerade, wenn sie Lola während einer Party regelrecht entführt und mit ihr in einer hell ausgeleuchteten, unwirklichen Szenerie einen Ausflug auf einem Ruderboot unternimmt, während sie poetisch von Engeln und Neugeborenen fantasiert, wird kurze Zeit subtil der Wahnsinn unter ihrer feengleichen Erscheinung sichtbar. Dieses vielschichtige Spiel der Hauptdarstellerin sorgt zusammen mit den unheilvollen Cello-Klangteppichen im Score von Komponist Gabe Noel bis zum Ende für eine gewisse Grundspannung.

    Gut subtil und zu subtil

    „Angel Of Mine“ ist das Remake des französischen Psychodramas „Das Zeichen des Engels“, welches die beiden Drehbuchautoren Luke Davies („Lion: Der lange Weg nach Hause“) und David Regal („Rugrats“) nur mit wenigen Anpassungen für den englischsprachigen Markt adaptierten. Trotzdem gelingt es Regisseurin Kim Farrant, dem Stoff ihre eigene Note zu geben. So spielt sie durch viele suggestive, subtile Szenen lange Zeit mit unseren Erwartungshaltungen – nur um sie dann zu unterlaufen. Allerdings verlässt sie sich dabei etwas zu stark auf jene subtilen Töne, was zulasten des Tempos geht. Dieser Spagat zwischen leise-langsamen Andeutungen und Tempoverschärfungen an der richtigen Stelle gelang ihr in ihrem effektvollen Regiedebüt „Spurlos: Ein Sturm wird kommen“ besser.

    Daneben setzt Farrant stark auf ihre beiden Hauptdarstellerinnen, denn wie in der Vorlage wird sich ganz auf das Psychoduell der beiden Mutter-Kontrahentinnen konzentriert. Auch wenn Rapaces bereits gelobte emotionale Achterbahnfahrt zwischen Wut, Trauer und Mutterglück die einprägsamere ist, findet das Duell zweier hervorragender Schauspielerinnen fast auf Augenhöhe statt. Denn Yvonne Strahovski („Manhattan Nocturne – Tödliches Spiel“, „Chuck“) setzt als bärbeißige, um ihr Kind kämpfende „Löwenmutter“, die mit allen Mitteln ihre Familie schützen will, gekonnt das nötige Gegengewicht.

    Fazit: Vor allem Noomi Rapace intensive Performance als psychisches Wrack bleibt am Ende von „Angel Of Mine“ im Gedächtnis.

    Wir haben „Angel Of Mine“ auf dem Fantasy Filmfest 2019 gesehen.

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