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    Berlin Bouncer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Berlin Bouncer

    Wie kommt man denn jetzt ins Berghain rein?

    Von Michael Meyns

    Ihre Position verleiht ihnen Macht, schließlich sind sie es, die am Ende entscheiden, ob ein Abend schon an der Tür endet oder ob man reinkommt und sich damit ungeahnte Möglichkeiten für den Rest der Nacht eröffnen. Die Sprache ist von den Bouncern, oder einfach Türstehern, die hierzulande besonders im Berliner Nachtleben einen oft legendären Ruf genießen. Drei dieser meist nur auf den ersten Blick harten Kerle hat der Regisseur David Dietl („Rate Your Date“) für seine Dokumentation „Berlin Bouncer“ begleitet. Man sollte hier jedoch keine allzu tiefen Einblicke in die Türsteherszene (oder gar Tipps, wie man vielleicht doch mal ins Berghain kommt) erwarten. Stattdessen wirft der Film einen stark nostalgischen Blick auf einen langsam verschwindenden Teil des vor allem in den ersten Jahren nach dem Mauerfall so wild-legendären Berliner Nachtlebens.

    Der Einlass des legendären Techno-Clubs Berghain gilt als härteste Tür der Stadt, ach was, der ganzen Republik! Und an der steht der inzwischen ähnlich legendäre Sven Marquardt. Mit seinen markanten Gesichts-Tattoos und den zahllosen Piercings ist der aus Ost-Berlin stammende Marquardt nicht zu übersehen und inzwischen auch durch seine eigentliche Berufung, die Fotographie, landesweit bekannt. Aus dem westdeutschen Hanau stammt Frank Künster, der kurz vor der Wende ins damalige Westberlin kam, eigentlich Betriebswirtschaft studieren wollte, dann aber in den Berliner Nächten verschwand und immer noch nicht wirklich wiederaufgetaucht ist. Inzwischen schiebt er eine dicke Wampe vor sich her, aber er macht den Job halt auch schon seit den Neunzigern: Er trinkt nicht und er hat keine Ahnung von Musik – damit schieden die Jobs als Barkeeper und DJ aus, es blieb also nur der Platz an der Tür.

    Bei Clubs wie dem Cookies oder Delicious Doughnuts stand Künster schon am Einlass. Allesamt längst verschwundene Orte, ebenso wie das King Size, eine winzige Schachtel an der Friedrichstraße, die noch während der Dreharbeiten zu diesem Film die Türen endgültig schloss. „Raus mit euch, ihr nutzloses Gesindel!“ erschallte es zu später bzw. früher Stunde ein letztes Mal, Künsters ebenso liebevoller wie resoluter Rauswerfsatz, der inzwischen auch als Titel für ein Buch über das King Size dient. Der Dritte im Bunde ist Smiley Baldwin, der von den amerikanischen Virgin Islands stammt, Mitte der 80er als Militärpolizist bei der in Berlin stationierten US-Armee arbeitete und nach dem Mauerfall nach neuen Aufgaben suchte. Vielleicht war er für den Türsteher-Beruf prädestiniert, in jedem Fall gründete er bald eine Sicherheitsfirma, deren Mitarbeiter auch heute noch an vielen Orten des Berliner Nachtlebens zu finden sind...

    Viele Klischees grassieren über Türsteher: Man stellt sich muskelbepackte Schlägertypen vor, oft brutal und rassistisch, mit kriminellen Banden, die im Hintergrund agieren. Um das Aufräumen mit solchen Klischeevorstellungen geht es in David Dietls Dokumentation jedoch dezidiert nicht, Szenen der Arbeit der Türsteher sind sehr rar gesät und auch sonst verraten die drei Protagonisten kaum Details aus dem Nähkästchen. Es geht weniger um den Beruf an sich, als um das tägliche Leben dieser drei wohl nicht wirklich exemplarischen Türsteher. Nicht nur Marquardt betätigt sich künstlerisch, auch Künster fotografiert, spielt in Filmen mit, verdingt sich als Verleger. Ihn begleitet Dietl in seine Heimat nach Hanau, Baldwin bei einem Besuch auf den Virgin Islands, Marquardt bei Reisen nach Rostock oder Turin, doch der eigentliche Schauplatz bleibt immer Berlin.

    In der wiedervereinten Hauptstadt hängt dann auch eine ganze Menge Melancholie und Nostalgie in der Luft, wenn Künster und Baldwin die Orte längst geschlossener Bars und Clubs besuchen, an deren Stelle nun die Gentrifizierung ihre Spuren hinterlassen hat. Verwaschene Videoaufnahmen aus den 90er Jahren ergänzen dieses Bild und evozieren eine vergangene Epoche, von der nicht mehr viel übriggeblieben ist. Zu den Überlebenden zählen die drei Türsteher, die in „Berlin Bouncer“ so sehr im Mittelpunkt stehen, wie sie es beruflich nie sollten, vielleicht auch nicht wollten, aber doch unweigerlich taten. So schweigen wir gerne mit ihnen in Erinnerungen, ertappen uns aber auch dabei, wie wir doch ganz gern den einen oder Blick mehr hinter die Kulissen geworfen hätten.

    Fazit: Dass die drei Protagonisten von David Dietls Dokumentation „Berlin Bouncer“ Türsteher sind, spielt nur eine untergeordnete Rolle, denn im Zentrum steht die Erinnerung an das Berlin der 90er Jahre, das langsam, aber unaufhaltsam der Gentrifizierung weicht.

    Wir haben „Berlin Bouncer“ im Rahmen der Berlinale 2019 gesehen, wo er in der Sektion Perspektive deutsches Kino gezeigt wurde.

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