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    Maurice, der Kater
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Maurice, der Kater

    Terry Pratchetts Scheibenwelt gehört ins Kino!

    Von Sidney Schering

    Will man britischen Nerd-Humor in Reinkultur erleben, gibt es zwei Autoren, denen man sich unbedingt zuwenden sollte, nämlich „Per Anhalter durch die Galaxis“-Schöpfer Douglas Adams und Terry Pratchett, dem Meister der kauzigen Fantasy. Die von ihm kreierte Scheibenwelt wird von verschrobenen Figuren bevölkert, die Abenteuer voller Seitenhiebe auf Alltagsdinge, historische Ereignisse und Elemente der Popkultur erleben. Mehr als 40 Romane (die bekanntesten davon mit dem Zauberer-Lehrling Rincewind) sind in diesem Universum angesiedelt, die mit ihrer enormen Kreativität und ihren sonderbaren Wesen förmlich nach animierten Adaptionen schreien.

    Auf der anderen Seite sind die Geschichten für viele Animationsstudios wahrscheinlich einfach nicht kinderfreundlich genug oder allgemein zu schräg und unangepasst. 2010 etwa planten die „Aladdin“-Regisseure Ron Clements und John Musker eine Zeichentrickadaption von Pratchetts „Gevatter Tod“, allerdings zog die Disney-Studioleitung irgendwann die Notbremse. Jetzt bringen die Regisseure Toby Genkel und Florian Westermann eines von Pratchetts familientauglicheren Werken in animierter Form auf die große Leinwand. Und selbst wenn „Maurice der Kater“ längst nicht perfekt ist, macht der kecke Trickspaß definitiv Lust auf mehr...

    Maurice ist so verschlagen, wie ein Kater nur sein kann.

    Der gerissene Kater Maurice (Stimme im Original: Hugh Laurie, deutsche Stimme: Bastian Pastewka) hat sich mit einer Horde Ratten und dem schlaksigen Teenager Keith (Himesh Patel / Jerry Hoffmann) zusammengetan: Die Ratten fallen in Menschensiedlungen ein, Maurice und Flötenspieler Keith spielen daraufhin gegen Bezahlung die mutigen Nagerbekämpfer – eine Masche, gegen die inzwischen allerdings immer mehr Ratten aufbegehren. Nur noch einen Coup wollen die betrügerischen Freunde durchziehen! Was sie nicht ahnen: Der Kurort, in den sie einfallen, birgt bedrohliche Geheimnisse. Die ebenso hibbelige wie passionierte Leserin Malicia (Emilia Clarke / Gabrielle Pietermann) will den freundlichen Ganoven helfen…

    Zwar blieb den „Aladdin“-Regisseuren damals die Chance verwehrt, einen Scheibenwelt-Film zu verwirklichen – und doch ist es eine sympathische Ironie des Schicksals, dass dafür nun wenigstens einer der „Aladdin“-Autoren an „Maurice der Kater“ mitgewirkt hat: Terry Rossio hat neben dem humorvollen Disney-Trickabenteuer aus Tausendundeiner Nacht auch noch die schnippische Märchen-Parodie „Shrek“ in seiner Vita stehen. Wie schon in „Aladdin“ gelingt es Rossio auch in seiner Pratchett-Adaption, den flunkernden Titelhelden zu einem charismatischen Sympathieträger zu formen. Der obligatorische schleichende Wandel zur Ehrlichkeit gerät erneut plausibel, kurzweilig sowie frei von aufgesetzten Moralpredigten.

    Parodie und Satire geben sich die Klinke in die Hand

    Außerdem wird Rossio dem parodistischen Aspekt der Vorlage gerecht, indem er erneut die Stärken seiner Disney-Verhohnepipelung „Shrek“ ausspielt. So ist „Maurice der Kater“ in seinen stärksten Momenten ein Fantasy-Spaß, der mit großer Zuversicht zahlreiche Bälle in der Luft hält: Der Film ist ein pfiffiger Kommentar auf Erzählkonventionen, der eine Rahmenhandlung und einen Hauptplot etabliert, ehe diese mit Selbstironie und Meta-Witz ineinander verschachtelt werden. Beispielsweise gibt es eine Binnengeschichte in Form eines Buches, auf das sich sowohl der Rattenclan als auch die rastlose Erzählerin Malicia beziehen und das eine liebevolle Persiflage auf Beatrix Potters „Peter Hase“ darstellt. Zugleich wird diese Geschichte genutzt, um blinden religiösen Gehorsam durch den Kakao zu ziehen – also eine von Pratchetts liebsten Zielscheiben des Spotts: Die Ratten halten ihr Lieblingsbuch für die wahrhaftige Versprechung des geweihten Landes, statt es als Unterhaltung mit Moral zu begreifen.

    Der zentrale Plot ist derweil eine skurrile Abwandlung des Rattenfängers von Hameln, die zwischen britischer Trockenheit und einer sarkastisch-verrückten Art wandelt, die an den Humor aus „Shrek“ erinnert – nur weniger vulgär. Unterdessen dient die ironisch-verspielte Verschachtlung der diversen Handlungs- und Erzählebenen als Liebeserklärung an die Fiktion: Wer nach „Maurice der Kater“ keine Lust hat, so begeistert wie Malicia durch eine pittoreske Buchhandlung zu wirbeln und sich mit diversen Schmökern in kuschelige Nischen zu verziehen, hat diesen Filmspaß möglicherweise nicht verdient!

    Die Ratten wollen nur noch einen letzten Coup durchziehen, bevor sie die Gaunereien endgültig an den Nagel hängen.

    Allerdings hält „Maurice der Kater“ dieses Niveau nicht konstant: Wenn sich im Mittelteil die Figurengruppen erst vereinen, um sich dann wieder zu splitten, gehen vorübergehend erzählerischer Schwung und komödiantische Schärfe verloren. Manche Slapstick-Actioneinlage wie ein eifriger Kampf zwischen Hund und Ratte punktet trotz überdehnter Dauer mit vielen schrägen Ideen, andere solche Slapstick-Action-Passagen verfeuern hingegen allzu schnell sämtliche Munition. Das liegt nicht allein am im Mittelteil zerfasernden Skript, sondern auch an der schwankenden Güte der Animation: Die Figuren bewegen sich durchweg mit Schmiss, Witz und ausdrucksstarkem Gestus, doch ihre Designs selbst sind zumeist lasch.

    Die Welt, in der sie sich befinden, reicht wiederum von filigran ausgearbeitet über karikaturenhaft bis hin zu trostlos und starr. Diese Ungleichmäßigkeit bleibt keine Randbeobachtung, sondern wirkt sich auch direkt darauf aus, wie quirlig, spannend oder pointiert das Geschehen gerade ausfällt. Da aber die Figuren nicht nur vital animiert sind, sondern auch von lebhaften Stimmperformances profitieren, überwiegt letzten Endes doch der positive Eindruck. Daran hat auch der Schurke des Films einen gehörigen Anteil: Zwar dürfte die Enthüllung, was sich hinter dem ungelenken Fiesling im ranzigen Mantel und riesigen Schlapphut verbirgt, nur wenige überraschen. Doch mit seinem Spaghetti-Western-Look, seiner schroffen Attitüde und seiner grotesken Identität ist er dennoch eine amüsante Präsenz. Eine, die obendrein durchweg mit einer gewissen Schärfe daherkommt – weitere Scheibenwelt-Adaptionen dürfen sich dann gern eine Scheibe davon abschneiden.

    Fazit: Die erste Trickfilmadaption eines Scheibenwelt-Romans von Fantasy-Kult-Autor Terry Pratchetts ist ein Loblied auf das Geschichtenerzählen, eine Märchen-Parodie und eine zum Teil richtig schön bissige Religionskritik zugleich. Gelegentlich verirrt sich „Maurice der Kater“ aber auch in allzu ausufernde Slapstick-Eskapaden.

     

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