Oxana - Mein Leben für Freiheit
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,5
durchschnittlich
Oxana - Mein Leben für Freiheit

Der letzte Tag im Leben der FEMEN-Mitbegründerin Oksana Schatschko

Von Michael Meyns

Auch wenn der mediale Rummel inzwischen deutlich nachgelassen hat, erinnert sich wohl noch jeder an Fridays For Future. Aber an Occupy Wall Street? Oder Pussy Riot? Oder FEMEN? Letztere wurden bekannt als die jungen Frauen, die mit blankem Busen gegen Sexismus, das Patriarchat und nebenbei auch noch Wladimir Putin protestierten. Dass der angestrebte Erfolg ausblieb, dürfte ein Grund sein, weswegen FEMEN zwar offiziell noch existiert, aber den Weg vieler Protestbewegungen genommen und weitestgehend aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden ist.

Insofern passt es gut, dass Charlène Favier in ihrer Kino-Biografie „Oxana - Mein Leben für Freiheit“ zwar das Leben der FEMEN-Mitbegründerin Oksana Schatschko schildert, die Aktivitäten der Gruppe aber nur nebensächlich behandelt. Stattdessen zeigt Favier eine junge, engagierte Frau, die voller Ambitionen lebte, sich als Künstlerin, aber auch als Revolutionärin betrachtete – und sich mit nur 31 Jahren das Leben nahm. Warum, das bleibt allerdings auch am Ende von „Oxana“ ein Rätsel.

Die Frauen von FEMEN werden mit ihren Protestaktionen schnell zur weltweiten Mediensensation. X-Verleih
Die Frauen von FEMEN werden mit ihren Protestaktionen schnell zur weltweiten Mediensensation.

Der 23. Juli 2018 hat das Zeug dazu, zu einem der schönsten Tage im Leben von Oksana Schatschko (Albina Korzh) zu werden: Am Abend hat sie ihre erste große Vernissage – und das auch noch in Paris. Schon als Kind malte sie in ihrer ukrainischen Heimat Ikonen, damals noch klassisch religiös. Inzwischen haben sie und ihre Kunst sich entwickelt: Sie malt Ikonen mit radikalen, modernen Einsprengseln, aber auch ihr Wesen hat sich verändert.

Als Jugendliche protestierten Oksana und ihre Freundinnen mit Verve, Wut und Originalität gegen das Patriarchat. Sie stellten Politiker bloß, die von der grassierenden Prostitution in einem der ärmsten Länder Europas profitierten und gründeten schließlich die feministische Protestbewegung FEMEN. Doch auf erste Erfolge und Auftritte auch in internationalen Medien folgte bald brutale Repression durch Polizei und Geheimdienste. Schließlich sehen Oksana und ihre Freundinnen keine andere Möglichkeit, als ins Exil zu gehen und in Frankreich Asyl zu beantragen…

Aktivistische Weltstars über Nacht

Es waren beliebte Motive, die von Zeitungen und Nachrichtensendungen in aller Welt dankbar aufgenommen wurden: junge Frauen, die die Mächtigen der Welt bedrängten und sich in Veranstaltungen einschlichen, um dort ihre mit Parolen beschriebenen Oberkörper zu entblößen. Für einen Moment gehört FEMEN die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, doch das war schnell vorbei. Vielleicht war es also auch die Desillusionierung über den ausbleibenden Erfolg, der Oksana Schatschko am Sinn ihrer Existenz zweifeln ließ und schließlich zu ihrem Selbstmord führte.

Wirklich deutlich werden die Beweggründe der Aktivistin und Künstlerin aber nicht, denn Charlène Favier setzt in ihrem biografischen Film auf eine lose, impressionistische Erzählweise. Der 23. Juli 2018 bildet dabei den Rahmen: Im Laufe des Tages, an dessen Ende sie sich erhängen wird, sieht man Oksana in ihrer neuen Heimat Paris, bei letzten Vorbereitungen für ihre Vernissage, vor allem aber beim unbestimmten Mäandern durch die Straßen, beim Sinnieren, das immer wieder Rückblenden einleitet.

Die gemeinsamen Proteste haben ihr einen Halt gegeben, den sie in ihrer Exil-Heimat in Paris nicht mehr finden wird. X-Verleih
Die gemeinsamen Proteste haben ihr einen Halt gegeben, den sie in ihrer Exil-Heimat in Paris nicht mehr finden wird.

Auf dem ukrainischen Land wuchs sie auf, bei einer alleinerziehenden Mutter, die schon früh ihr künstlerisches Talent erkannte und förderte. Ein betrügerischer Priester deutet eine frühe Aversion zur organisierten Kirche an, aber dieser Hinweis bleibt ebenso vage wie all jene, die noch folgen werden. Zu Beginn des Jahrtausends ist die Ukraine mehr oder weniger demokratisch, doch die gesellschaftlichen Entwicklungen hinken jenen des Westens hinterher, gerade aus der Sicht von Frauen Anfang 20. So kommt eins zum anderen, Proteste beginnen, FEMEN wird gegründet, die Repression folgt auf dem Fuß. Wie abgehakt mutet die Erzählweise oft an. Was Oksana wirklich umtreibt, was sie auszeichnet, bleibt im Dunklen. Frei lebt sie, hat wechselnden Liebhaber, findet aber nirgendwo halt.

Auch nicht bei ihren Mitstreiterinnen, die sich zunehmend von ihr entfremden. Vor allem eine Frau namens Inna (Maryna Koshkina) übernimmt bald die Initiative bei FEMEN, baut nach ihrer Flucht nach Frankreich die dortige Untergruppe auf. Es kommt zu Zwistigkeiten in der Ausrichtung, man kennt das etwa aus dem Streit zwischen dem deutschen und dem internationalen Arm von Fridays For Future, dem langsam gewachsenen Konflikt zwischen Greta Thunberg und Luisa Neubauer. „Oxana“ zeigt ganz gut, wie eine idealistische Gruppe nach und nach ihre Ideale verliert, wie die scheinbar notwendige Professionalisierung zu Streitigkeiten führen kann. Zugleich erklärt der Film aber nicht wirklich, warum Oksana Schatschko ihren speziellen Weg ging. Eine Leerstelle bleibt sie am Ende des Films, ein Rätsel. Ein tragisches Schicksal kann man ihr kurzes Leben gewiss nennen, was sie aber noch nicht zu einem wirklich interessanten Subjekt für einen biografischen Film macht. Zumindest nicht in der von Charlène Favier gewählten Form.

Fazit: Charlène Favier bewegt sich mit ihrem Film „Oxana – Mein Leben für Freiheit“ zwischen einem Porträt von Oksana Schatschko, einer der Mitbegründerinnen der feministischen Protestvereinigung FEMEN, sowie einem Porträt der Gruppe selbst – und wird so letztlich keinem der beiden Aspekte wirklich gerecht.

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