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    Komm mit mir in das Cinema - Die Gregors
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Komm mit mir in das Cinema - Die Gregors

    Kinomenschen

    Von Michael Meyns

    Jeder, der in Berlin regelmäßig in das Arsenal Kino geht oder sich auf internationalen Filmfestivals von Cannes, über Locarno bis Tokio herumtreibt, kennt die Gregors: Erika (87 Jahre) und ihren Mann Ulrich (91 Jahre). Seit Jahrzehnten leben sie mit, fürs, geradezu im Kino. Sie haben viele tausende Filme gesehen, die Freunde der Deutschen Kinemathek und das Forum der Berlinale mitbegründet und gehen unermüdlich immer weiter ins Kino.

    Nun sind sie endlich auch selbst auf der Leinwand zu sehen und zwar in Alice Agneskirchners Dokumentation „Komm mit mir in das Cinema – Die Gregors“. Ein Porträtfilm, der in oft ermüdender Ausführlichkeit Episoden aus dem Leben der Gregors aneinanderreiht, Lobredner zu Wort kommen lässt und ausufernde zweieinhalb Stunden lang ist. Ja, den Gregors hört man unfassbar gerne beim Reden übers Kino zu, aber etwas weniger unterwürfig darf eine Dokumentation dann doch sein.

    Die Gregors im Keller des neuen Arsenal Kinos - zwischen den Tausenden Filmkopien, die sie über die Jahrzehnte angesammelt haben.

    1932 wurde Ulrich Gregor in Hamburg geboren, zwei Jahre später Erika Steinhoff in Sulingen bei Bremen. Als junge Menschen erlebten sie das Ende des Dritten Reiches, zogen dann wie so viele nach Berlin, wo sie sich 1957 kennenlernten. Standesgemäß bei einer Diskussion über Robert Siodmarks „Menschen am Sonntag“. Auch die erste Nacht, die sie miteinander verbrachten, war vom Kino geprägt: Ulrich Gregor sollte die Untertitel von Jean Renoirs „Bestie Mensch“ transkribieren, Erika bot ihre Hilfe an. Der Rest ist Geschichte, könnte man nun sagen …

    … das Paar heiratete, war 1963 an der Gründung des Vereins „Freunde der deutschen Kinemathek“ beteiligt, der in Berlin das Arsenal Kino betrieb, das unzähligen Menschen, angehenden Regisseur*innen und auch Journalist*innen zu einer umfassenden filmischen Bildung verhalf. Zunächst in der Welserstraße in Berlin Schöneberg, in einem ziemlich abgeranzten Raum, der sehr eigen roch, später dann am Potsdamer Platz, ausgerechnet im Sony Center, das so gar nicht zu der unterschwelligen Underground-Haltung passt, dass das Arsenal trotz allem immer noch ausstrahlt.

    Immer das andere Kino suchend

    1971 folgte schließlich der vielleicht wichtigste Akt im filmischen Leben der Gregors: das Internationale Forum des jungen Films. Nachdem 1970 die Berlinale wegen des Skandals um Michael Verhoevens USA-kritischen „O.K.“ abgebrochen wurde, bot das Forum nicht unbedingt immer jungen, aber meist innovativen Regisseur*innen eine Heimat. Inzwischen hat sich die Filmwelt und auch die Berlinale gewandelt, in den „großen“ Sektionen wie dem Wettbewerb laufen inzwischen auch Filme, die früher nur im Forum gezeigt worden wären, doch das Forum ist trotzdem längst eine Marke.

    Wie wichtig das Forum, die im Anschluss an die Vorführungen stattfindenden Diskussionen und auch die Gregors für Filmemacher aus aller Welt waren, das wird in Alice Agneskirchners Dokumentation immer wieder deutlich. Regisseur*innen wie Wim Wenders, Jim Jarmusch, Helma Sanders-BrahmsGerd Conradt oder Doris Dörrie kommen zu Wort, geben Anekdoten vom Besuch im Arsenal zum Besten oder erzählen von ersten Premieren im Forum. Vor allem aber kommen die Gregors selbst zu Wort, zum einen im Arsenal sitzend, natürlich in der ersten Reihe, zum anderen in ihrer Wohnung, zwischen unzähligen Büchern und Filmen. Angesichts ihres fast schon biblischen Alters, einem Leben, das praktisch ganz dem Kino gewidmet war (zwei Kinder hat das Paar dennoch, die Tochter Milena ist längst in die Fußstapfen der Eltern getreten und eine der aktuellen Leiterinnen des Arsenals), haben die Gregors viel zu erzählen, wie jeder Bestätigen kann, der schon einmal im Arsenals oder während des Forums der Berlinale das Vergnügen hatte, Ulrich Gregor eine Einführung halten zu hören oder ein Interview zu leiten.

    Das Berliner Arsenal Kino war viele Jahrzehnte lang die Anlaufstelle Nr. 1 für cinephile Menschen in Deutschland.

    Angesichts seiner zweieinhalb Stunden Länge ist der Film in erster Linie ein Film für Fans und Freunde der Gregors. Kritische Stimmen sind in Porträt-Filmen wie diesen zwar nie zu erwarten, ein wenig kritische Einordnung wäre aber auch in „Komm mit mir in das Cinema – Die Gregors“ schön gewesen. Lohnenswert wäre zum Beispiel der Versuch gewesen, herauszuarbeiten, wie die Gregors ihre Liebe zum Film stets ohne Ideologie betrieben haben. Sie haben Filme oder Filmemacher*innen nicht gepriesen, weil es in den Zeitgeist passte, oder die moralisch-politisch „richtige“ Position einnahm, sondern weil er ihnen als Kunstwerk zusagte.

    Diese klare Haltung führte dann auch dazu, dass sie bisweilen nicht so einhellig Filmemacher*innen bejubelten wie andere Menschen aus dem politisch linken, liberalen Spektrum, dem sie natürlich auch zuzurechnen sind. So geschmeidig wie die Gregors in dieser Dokumentation wirken, waren sie nicht immer, doch für Brüche hat eine Dokumentation, die sich hart an der Grenze zur Hagiographie bewegt, leider keinen Raum.

    Fazit: Die Gregors sind Ikonen des Berliner und internationalen Filmbetriebs. Ihre Lebensleistung zu würdigen, ihre unermüdliche Liebe zum Kino herauszustellen, ist der größte Verdienst von Alice Agneskirchners Dokumentation „Komm mit mir in das Cinema – Die Gregors“. Mehr als ein Film für Fans und Freund*innen ist es aber leider nicht geworden.

    Wir haben „Komm mit mir in das Cinema – Die Gregors“ im Rahmen der Berlinale 2022 gesehen, wo er in der Sektion Forum Special gezeigt wurde.

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