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    Falling Into Place
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Falling Into Place

    Zwei Liebende, die einander (und uns) nichts zu sagen haben

    Von Jochen Werner

    Die schottische Isle of Skye ist durchaus malerisch, und ihre archaischen Landschaften mussten schon oft als Hintergrund für Filme unterschiedlichster Genres herhalten – vom Fantasy-Klassiker „Highlander“ über die romantische Komödie „Verliebt in die Braut“ bis hin zu Science-Fiction-Epen wie „Prometheus“ oder „Transformers: The Last Knight“.

    Ihre Funktion als dekoratives Element zur Herstellung schöner Landschaftsaufnahmen ist also wohlerprobt, was im Gegenzug allerdings die Frage aufwirft, ob man ihnen noch neue, ungesehene Bilder abringen kann – solche, bei denen man nicht das Gefühl hat, dass sie schon von Vornherein in gut abgehangenen Klischees einer scottishness erstickt werden. Die deutsche Schauspielerin Aylin Tezel, zuletzt in einer ganz wunderbaren Rolle in Marc Rothemunds Fußball-Familien- Neurodivergenz-Dramödie „Wochenendrebellen“ zu sehen, traut sich das in ihrem in deutsch-britischer Koproduktion entstandenen Regiedebüt „Falling Into Place“ durchaus zu. Ob es ihr gelingt, ist mindestens strittig...

    Die schottische Isle of Skye, wie man sie schon viel zu oft gesehen hat

    Tezel inszeniert sich hier selbst die weibliche Hauptrolle der beruflich wie privat in der Sackgasse steckenden Bühnenbildnerin – nein: Bühnenbildnerassistentin – Kira auf den Leib, die nach einer schmerzhaften Trennung nach Skye reist, um in den dortigen leeren Seelenlandschaften ihrer Trauer zu entfliehen. Bei einem geselligen Pubabend lernt sie den erfolglosen Liedermacher Ian (Chris Fulton, „Bridgerton“) kennen, der sie mittels Blicken aus traurigen, aber sehr hübschen Augen um den Finger wickelt.

    Mit Kinderspielen auf nachtschlafenden Straßen und Gesprächen bis zum Sonnenaufgang schlagen sich Kira und Ian die Nacht um die Ohren, etwas später wird noch zu Cutting Crews 80s-Kracher „(I Just) Died In Your Arms“ auf einem Tisch getanzt, bis Ians eigenes, nach Kräften verdrängtes Familientrauma die Küchenparty abrupt beendet. Und als Letzterer dann irgendwann ganz nebenbei fallenlässt, dass er eine Freundin hat, ist die Romanze auch schon wieder vorbei. Jedenfalls vorerst, denn „Falling Into Place“ spaltet sich dann in zwei Plotstränge auf, die beide Protagonist*innen zurück an ihren jeweiligen Lebensmittelpunkt nach London führen.

    Seichte Problembewältigung und dekorative Traurigkeit

    Die gemeinsame Zeit lässt jedoch weder Ian noch Kira los, die keine Telefonnummern ausgetauscht haben und nicht wissen, dass sie in derselben Stadt leben – und unabhängig voneinander beginnen beide, mit ihren jeweiligen persönlichen Baustellen aufzuräumen. Für Kira bedeutet das, endlich mit der Trennung von ihrem Ex-Freund Aidan klarzukommen und ein paar neue, herausfordernde künstlerische Projekte zu beginnen – von einer Reihe eher bedeutungsloser sexueller Abenteuer ist am Rande auch die Rede, aber die behandelt der Film derart keusch, dass sie eigentlich nicht weiter ins Gewicht fallen.

    Und Ian beschließt, nach jahrelangem Kontaktabbruch die Beziehung zu seiner suizidgefährdeten Schwester wieder aufzugreifen, was dann auch überraschend gut läuft: Nach dem gemeinsamen Verspeisen von Gummitieren erklärt sie ihm, sie sei nunmehr über diese Phase in ihrem Leben hinweg und er müsse sich keine Sorgen mehr machen.

    In derselben Stadt und doch voneinander getrennt: Kira (Ailyn Tezel) und Ian (Chris Fulton)

    Wenn manches davon sich bereits in der Zusammenfassung etwas arg schlicht liest, dann liegt das leider daran, dass „Falling Into Place“ wirklich ein wahnsinnig seichter Film ist. Trauer, Trauma, Verlust, all das wird eigentlich nur heraufbeschworen, um eine allzu dekorative Traurigkeit inszenieren zu können – zunächst vor malerischer schottischer Insellandschaft und dann in einer mehr oder weniger hippen urbanen Kunstszene. Ein wirklich echtes Gefühl ist dabei nirgends in Sicht, und ein etwas tiefer greifender Gedanke findet auch keinen Platz.

    Stattdessen wird von mütterlichen Freundinnen noch eine Handvoll Sinnsprüche zur „Datingapp-Generation“ und ihrer Oberflächlichkeit gratis dazugelegt. Und der Kunstdiskurs am Ende, wenn Kira eine Ausstellung als Kunstmalerin mit einer Porträtserie ihres traurig guckenden Liebhabers eröffnet, ist derart flach geraten, dass man nicht umhinkommt, an die Hochschule für Pferdekunst in den neuen „Immenhof“-Filmen zu denken.

    Klischeebeladene Dialoge

    „Falling Into Place“ wird öfter mit Richard LinklatersBefore Sunrise“ verglichen, vermutlich deshalb, weil in beiden Filmen aus einer spontanen Begegnung zweier Fremder eine Romanze entspringt. Aber im Grunde führt dieser Vergleich auf eine ganz falsche Spur. Denn wo Linklaters bezaubernder, später zur jahrzehnteübergreifenden und lebensklugen Trilogie erweiterter Film auf die Kraft des gesprochenen Wortes und somit eben immer auch der intellektuellen Verbindung zweier sich Verliebender vertraut, hat das vermeintliche Traumpaar in „Falling Into Place“ sich von Anfang an eigentlich gar nichts zu sagen – geschweige denn uns. Die Dialoge sind bestenfalls schlicht und, weniger wohlwollend formuliert, klischeetrunken, und zur filmischen Emphase der behaupteten Romantik muss neben in warmes Licht getauchten Postkartenlandschaften ein mit gefühligem Klaviergeklimper und Indiegitarrenpop zugekleisterter Soundtrack herhalten.

    Fazit: Dem Regiedebüt von Aylin Tezel ist eine gewisse Ambition durchaus anzumerken: sich selbst eine Rolle auf den Leib zu schneidern, wie sie das deutsche Kino selten hergibt, darüber hinaus vielleicht auch dem Deutschtum im deutschen Kino zu entfliehen und sich in die Projektion einer international angehauchten Britishness zu retten. Leider bleibt „Falling Into Place“ aber in ästhetischer wie intellektueller Hinsicht in oberflächlichsten, abgegriffensten Arthouse-Klischees stecken – ein glaubhaftes Bild oder authentisches Gefühl sucht man für zwei durchaus lange Stunden vergebens.

     

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