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    Predator 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Predator 2
    Von Johannes Pietsch

    Es war ein schweres Erbe, das der Australier Stephen Hopkins antrat, als er sich 1990 auf den Regiestuhl von „Predator 2“ setzte. Zu hoch schien die Hürde, dem spektakulären Vorgänger von 1987 ein auch nur annähernd adäquates Sequel schaffen zu können, zu riesenhaft die Fußstapfen, die John McTiernan und Arnold Schwarzenegger hinterlassen hatten. Für beide, Regisseur und Hauptdarsteller, bildete der fulminante Alien-Action-Kracher von 1987 das Sprungbrett zur Superstar-Karriere. Schwarzenegger war nach Predator im Actionfach endgültig ein gemachter Mann, drehte Erfolge wie „Red Heat“, Blockbuster wie Total Recall und vor allem Terminator 2. McTiernan machte mit Stirb langsam wiederum Bruce Willis zum Superstar und stritt sich mit „Total Recall“-Schöpfer Paul Verhoeven um die Krone des Actionfilms.

    Ohne diese beiden schien die „Predator“-Fortsetzung von vorneherein zum Scheitern verurteilt, zumal bekannt wurde, dass das von John und Jim Thomas verfasste Skript die zweite Jagd des schwerbewaffneten Alien-Touristen auf die so begehrten Trophäen der Gattung homo sapiens nicht mehr im Dschungel, sondern in einer Großstadt ansiedeln sollte. Tatsächlich ging „Predator 2“ zwar nicht an den Kinokassen unter, verfehlte aber die kommerzielle Messlatte des enorm erfolgreichen Erstlings um Längen und handelte sich insbesondere unter Schwarzenegger-Fans (die damals einen nicht unbeträchtlichen Anteil des Kinopublikums darstellten) den Ruf eines faden, eintönigen Abklatschs ein. Das Gegenteil ist richtig. Erst im Rückblick wird deutlich, dass „Predator 2“ einen markanten und bemerkenswerten Meilenstein des Actionkinos der frühen 90er Jahre darstellt und neben dem unzweifelhaft großartigen Vorgänger den seltenen Fall einer größtenteils eigenständigen, fast gleichwertigen Fortsetzung bildet.

    Die 80er und die 90er Jahre kennen zwei gänzlich unterschiedliche Charaktere als Hauptfiguren in Actionfilmen. Die 80er waren das Jahrzehnt der Muskelberge und der rustikalen Krawallschläger, der archaischen Heroen und steinzeitlichen Monolithen, das Zeitalter eines Arnold Schwarzenegger, eines Sylvester Stallone, eines Steven Seagal und eines Chuck Norris. Diese ebenso schweiß- wie testosterontriefenden, grobschlächtigen und bizepsgestählten Raufbolde fragten nicht lang, sondern lösten die anstehenden Probleme auf die unkomplizierte Weise: Mit durchgedrücktem Abzug von Uzi und schwerem Maschinengewehr Kaliber 7.62 erledigten sie die meist als gesichtsloses und stummes Kanonenfutter dahertapernden Gegenspieler im Dutzend billiger, um über Leichenbergen noch einen trockenen Oneliner vom Stapel zu lassen.

    Arnold Schwarzenegger war im ersten „Predator“ der lupenreine Prototyp eines solchen Goliaths, der sich im Finale gar mit Schlamm beschmieren und entledigt aller menschenähnlichen Attribute selbst zum atavistischen Ungeheuer werden musste, um den außerirdischen Vietcong besiegen zu können.

    Ganz anders dagegen die 90er Jahre: Auf einmal erhielten die Actionhelden ein menschliches Antlitz und eine Seele, zeigten Verletzlichkeit, Innenleben, waren zu Regungen wie Trauer, Verzweiflung oder Hoffnung fähig, durften leiden, zweifeln, sich freuen und gegenüber Mitspielern wie Zuschauern eine Tür zu ihrer Seele öffnen. Von Nicolas Cage, der in drei der wichtigsten Actionfilme der 90er Jahre, nämlich The Rock, Con Air und Im Körper des Feindes bereits so ganz das Titanenhafte und Übermenschliche seiner Kollegen aus den 80ern vermissen ließ, führte diese Entwicklung bis zum unsäglichen Armageddon und dem Superschmusesoftie Ben Affleck in der Hauptrolle.

    „Predator 2“ stellt nun im Jahr 1990 mit seiner Hauptfigur, dargestellt vom wirklich großartigen Danny Glover, genau die Schwelle zwischen diesen beiden Epochen dar. Dieser Lieutenant Mike Harrigan vom Poilice Department Los Angeles darf noch genauso wie die tumben, gefühllosen 80er-Jahre-Zyklopen berserkerhaft wüten, schießen und prügeln, eine ganze Meute von Gangstern im Alleingang ins Jenseits schicken, Vorgesetzte tätlich angreifen oder Dienstfahrzeuge en passant zu Schrott fahren. Doch zeigt dieser Einzelkämpfer im Großstadtdschungel in seinen impulsiven Wutausbrüchen und Kurzschlussreaktionen bereits allzu menschliche Ecken und Kanten, die ihn als Charakter erkennbar, nachvollziehbar und greifbar machen. Denn ganz im Gegensatz zu Schwarzenegger ist Glover ein echter Schauspieler, Absolvent des Black Actors Workshop des American Conservatory Theaters, der sich unter anderem dadurch auf die Rolle des Alien-Kammerjägers vorbereitete, indem er sich zig Kilo herunterhungerte.

    Auch die Story der Fortsetzung ist, wenngleich in den Grundzügen wiederum nichts anderes als eine simple Monster-Hatz, komplexer als im ersten Teil. Tiernans „Predator“ war ein schlichter, aber rasant inszenierter und äußerst blutiger Zehn-kleine-Negerlein-Abzählreim: Ein Spezialkommando kampferprobter Elite-Soldaten wird während eines Geheimeinsatzes im südamerikanischen Dschungel selbst zu Gejagten einer außerirdischen Bestie. Nachdem E.T.s missgestalteter Cousin fast alle seine Beuteobjekte mit Laser-Blattschuss sauber erledigt hat, legt die Grazer Bizeps-Geheimwaffe („Mein Gott, bist Du hässlich!“) los, und es kommt zum finalen Showdown zwischen Monster und Muskelgebirge.

    Teil zwei platziert den außerirdischen Handlungsreisenden als einen von vielen Kombattanten inmitten eines weltkriegsähnlichen Großstadt-Armageddons. Gedreht im Jahr 1990 zeigt „Predator 2“ ein Los Angeles des Jahres 1997, das im Chaos von Drogenkriminalität und bürgerkriegsähnlichen Bandkriegen untergeht und deutliche Ähnlichkeiten mit dem Beirut der damals aktuellen Bürgerkriegszeit oder dem heutigen Bagdad aufweist. Auf den Straßen der Stadt der Engel tobt die Schlacht zwischen Kolumbianern und Jamaikanern um die Vorherrschaft im Drogenhandel. Beide ethnischen Gruppen waren zur damaligen Zeit als Filmbösewichter äußerst beliebt. So präsentierte beispielsweise das zeitgleich gedrehte Steven-Seagal-Machwerk „Zum Töten freigegeben“ die exakt gleichen Rastalocken-Schurken wie „Predator 2“. Als würden diese Kämpfe nicht schon genügend Leichenberge produzieren, mischt auf einmal der interstellare Trophäenjäger mit seinem phantasievollen Waffenarsenal auch noch mit.

    Danny Glover: „Wir haben einen neuen Spieler in der Stadt.“

    Während Teil eins den Zuschauer lange im Unklaren ließ, womit es Protagonisten und Zuschauer überhaupt zu tun haben, und seine Spannung aus genau dieser Ungewissheit bezog, wenn die zunächst furchtlosen Elite-Kämpfer selbst zu Gejagten werden, die voller Panik in den Urwald auf die unsichtbare Gefahr lauern, so stößt Teil zwei von der ersten Sekunde an wie ein Raubvogel aus der Luft mitten ins martialische Schlachtengetümmel, in dem sich Polizisten, Drogendealer und ein Außerirdischer gegenseitig massakrieren. Konträr zum Vorgänger weiß der Zuschauer – Teil eins noch gut in Erinnerung - von Anfang an über Beschaffenheit und Fähigkeiten des Alien Bescheid und braucht daher den langsamen Lernprozess von Hauptfigur Harrigan nicht mitzuvollziehen. Den haben ihm allerdings auch andere schon voraus: Eine geheime Spezialeinheit der amerikanischen Regierung, angeführt vom sinistren Agentenchef Peter Keyes (Gary Busey) und sicherlich den wesentlich später populär gewordenen Verschwörungstheorien der „X-Akten“ verhaftet, ist dem galaktischen Safari-Touristen ebenfalls auf den Fersen, um dessen Fähigkeiten dem Militär nutzbar zu machen, und kommt Harrigan dabei mehr als einmal in die Quere. So bildet das erste Aufeinandertreffen von Harrigan und dem Predator den Auftakt zu einem furiosen, blutigen und bleihaltigen Vierfrontenkrieg, den der Alien-Kammerjäger gegen Monster, missgünstige Vorgesetzte, Geheimagenten und die diversen im Krieg gegenander liegenden Drogengangster zu bestehen hat.

    Allein die Darstellerleistungen heben „Predator 2“ deutlich über den Level einer reinen Ballerorgie der B-Kategorie. Neben Danny Glover versammelt der Streifen mit Gary Busey, Ruben Blades, Maria Conchita Alonso, Adam Baldwin, Bill Paxton und Robert Davi eine illustre Riege hochtalentierter Darsteller zu Beginn ihrer Hollywood-Karrieren.

    Die Action-Sequenzen präsentieren sich ganz im Stil der 80er und frühen 90er Jahren: schnell und intelligent choreographiert, furios geschnitten, zudem inhaltlich knüppelhart und schonungslos brutal. Die Kamera bewegt sich rasant im stets optimalen Blickwinkel zum Geschehen und lässt dabei glücklicherweise die in heutiger Zeit leider so unvermeidliche Wackel-Optik völlig vermissen. Schon die ersten zehn Minuten des Films vermerken einen merkbar höheren Bodycount als bei so manchem heutigen Actionfilm während der gesamten Spieldauer. Den visuell bestechendsten und insgesamt herausragendsten Einfall stellt mit Abstand das Massaker des Predators in einer mit Höchstgeschwindigkeit fahrenden U-Bahn dar, der auch die Spannungskurve des Plots zu einem vorläufigen Zenit treibt.

    Den Gesamteindruck schmälert allerdings, dass die Handlung anschließend eine fühlbare Fermate einlegt und bei der Verfolgung des Predators durch Harrigan über diverse Dächer und quer durch einen Hochhauskomplex nicht nur zahlreiche klaffende Logiklöcher aufweist, sondern auch einige schlicht überflüssige und zum Gesamtcharakter des Films absolut unpassende Humormomente. Beim Showdown wechselt „Predator 2“ dann die Bühne von der flirrenden Großstadthitze zu einer mystischen, fantasygetränkten Umgebung, in der die beiden Hauptkontrahenten zum finalen testosterontriefenden Duell Mann gegen Monster schreiten dürfen und die nebenbei einiges zur Herkunft, den kulturellen Hintergründen und den Motiven des Predators erhellt.

    Alan Silvestris Score, der das Hauptthema aus dem ersten Teil ausbaut und variiert und zudem Reminiszenzen an Zurück in die Zukunft aufweist, vermag die hitzige Dramatik des Films bestens zu untermalen.

    Eine deutlich physischere Rolle als noch im ersten Teil bekam der titelgebende Außerirdische auf den wieder vom 2,10 Meter großen Kevin Peter Hall verkörperten Alien-Leib geschrieben. Jagte der Predator unter der Regie von John McTiernan noch größtenteils unsichtbar aus dem Hinterhalt, so ist er diesmal wesentlich häufiger im In-Fight mit seinen Opfern zu erleben, bewegt sich zudem agiler, körperlicher, leibhaftiger und imposanter. Bestnoten verdient die Leistung der Setdesigner, die mit ihren Kreationen die Atmosphäre des brütend-heißen, fiebrigen, gewaltdurchtränkten Los Angeles in jeder Sekunde spürbar auf die Leinwand bringen. Die Maske des Alien kreierte wie im Vorgänger F/X-Papst Stan Winston. Er dürfte auch verantwortlich für sein für den Einfall, im Showdown unter den vielen Trophäen des Predators den langgezogenen Schädel eines Alien-Monsters aus Alien und Aliens - Die Rückkehr auftauchen zu lassen.

    Was zunächst als reiner Insider-Gag für Genre-Fans gedacht war, begründete später ein eigenes Comic-Franchise mit beiden Weltraum-Monstern, dem 2004 Paul W. Andersons Verfilmung Alien Vs. Predator folgte. Allerdings ohne Kevin Peter Hall. Er starb nur wenige Monate nach den Dreharbeiten zu „Predator 2“ an den Folgen einer HIV-verseuchten Bluttransfusion. Von Regisseur Stephen Hopkins hörte man während des folgenden Jahrzehnts, in dem er unter anderem „Der Geist und die Dunkelheit“ und „Lost In Space“ drehte, nur wenig. 2001 und 2002 trat er als Regisseur und Mitproduzent der preisgekrönten TV-Serie „24“ in Erscheinung. Und tatsächlich zeigte die mitreißend inszenierte TV-Agentenhatz in Stimmung und Rasanz deutlich die Handschrift Stephen Hopkins’ aus „Predator 2“ und insbesondere die Situation der völlig auf sich allein gestellten und gegen alle kämpfenden Hauptfigur Jack Bauer deutliche Ähnlichkeiten zum ebenso einsamen Alienjäger Mike Harrigan.

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