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    Eden
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Eden

    Faszinierende Geschichte als theatrales Intrigenspiel

    Von Patrick Fey

    Es gibt in der Filmkritik vermutlich keine weniger schmeichelhafte Bezeichnung als „kompetent“. Ron Howards „Eden“ ist ein kompetent gemachter Film. Die wahren Begebenheiten, die ihm zugrunde liegen — eine Handvoll europäischer Auswanderer, die in der Zwischenkriegszeit den gesellschaftlichen Ausstieg auf einer abgelegenen Insel des ecuadorianischen Galapágos-Archipels versuchen — schreien förmlich nach einer filmischen Bearbeitung. Der erfahrene Regie-Handwerker (u. a. „Apollo 13“, „Rush – Alles für den Sieg“) liefert diese zwar mit einem prominenten und starken Cast ab, bleibt jedoch am Ende reichlich uninspiriert.

    Dabei sind mit der reichhaltigen Vorlage und der sichtlich vorhandenen Begeisterung des Filmemachers eigentlich die besten Voraussetzungen gegeben. Bei der Weltpremiere im Rahmen des Toronto Film Festival 2024 wurde zumindest sehr deutlich, dass Howard einen sichtlichen Narren an der Geschichte um Margaret und Heinz Wittmer (Sydney Sweeney und Daniel Brühl) gefressen hat, die es Anfang der 1930er Jahre auf die Pazifik-Insel Floreana gezogen hatte.

    Wenn man in der Einsamkeit plötzlich Nachbarn hat

    Das ungleiche deutsche Paar — er ein weltmännischer Mitvierziger mit Pioniergeist, sie eine introvertierte und scheinbar fügsame Frau in den frühen Zwanzigern — hatte in der Presse von einem anderen deutschen Aussteigerpaar gelesen, das sich in den Galapágos-Inseln unter widrigsten Umständen niedergelassen hatte, um sich eine neue Existenz fernab der Zivilisation aufzubauen. Als sie eines Tages an deren Gartentor aufschlagen — angesichts der eigentlich ja nicht vorhandenen Nachbarn ein durchaus irrwitziger Anblick — zeigen sich der von Jude Law gespielte Philosoph Friedrich Ritter und seine Frau Dora (Vanessa Kirby) von den Nachahmern allerdings alles andere als angetan.

    Nur scheinbar offenherzig bieten die Ortsansässigen den Neuankömmlingen an, sich in abseits gelegenen Höhlen einzuquartieren, die ihnen einen gewissen Schutz vor Witterung und der wilden Fauna bieten sollen. Was sie in ihren Ausführungen bewusst aussparen: Der sumpfige Boden gilt als unfruchtbar und ist zudem Brutstelle großer Moskito-Schwärme. Unverhofft jedoch beweisen sich die Wittmers als störrische, unnachgiebige Arbeiter, denen es schon bald gelingt, sich eine noch prächtigere Existenz aufzubauen, als es den Rittern in all den Jahren gelungen war.

    Eine dritte Fraktion mischt das Geschehen endgültig auf

    Diesen Entwicklungsprozess stellt uns Howard, der zu Recherchezwecken selbst zu den realen Schauplätzen gefahren war (gedreht wurde indes im Dschungel von Queensland in Australien) auf denkbar uninspirierte Weise im Montage-Zeitraffer dar, und uns somit vor vollendete Tatsachen. Schweiß und Arbeit lässt er so zu leicht zu übersehenden Fußnoten verkommen, deren Bedeutung sich darin erschöpft, den Boden für die Handlung zu bereiten. Ob die Wittmers und Ritters schlussendlich in Harmonie zu leben gelernt hätten, verbleibt indes im Raum der Spekulation, denn bald schon tritt eine dritte Fraktion auf den Plan.

    Die laut eigener Aussage einem alten Adelsgeschlecht entsprungene, attraktive Baronesse Eloise Bosquet de Wagner Wehrhorn (Ana de Armas) trägt ihr Namen förmlich vor sich her - und mit ihm den Plan, auf der entlegenen Insel bald schon ein Luxus-Resort der Extraklasse aufzubauen. Allerdings drängt sich die Frage auf, wie sie dieses Unterfangen in die Tat umsetzen will. Schließlich hat sie lediglich zwei junge Handlanger (Felix Kammerer, Toby Wallace) im Schlepptau und diese scheinen überdies eher daran interessiert, von ihrer offen zur Schau getragenen Promiskuität denn geschäftlichen Ambitionen zu profitieren.

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    Die bisherigen Auswanderer sind wenig begeistert von den Neuankömmlingen.

    Der Titel „Eden“ ist bald schon ironisch als „Paradise Lost“ zu verstehen. So zumindest für die Ritters, die sich dem Vegetarismus verschrieben haben und über die vielen Jahre nur langsamen Fortschritt in der Bewirtung des Landes und der Trinkwassergewinnung erzielt haben. Doch ohne andere Menschen auf der Insel hat es auch nie Vergleichswerte gegeben, die sie hätten unzufrieden stimmen können. Jude Laws Friedrich, der sich ganz den Gedanken Nietzsches und Schopenhauers verschrieben hat — so zumindest behauptet es Howard, wenngleich er uns selten Anlass dazu gibt, die Figur als ernsthaften Denker zu verstehen — hat sich nicht zuletzt deshalb mit seiner Frau Dora ans sinnbildliche Ende der Welt zurückgezogen, um eine ganz neue Philosophie zu entwickeln. Dieser Intellektualität wird von Seiten Howards allerdings von Beginn an mit Spott begegnet.

    Deutlich lebensnaher wird da schon seine Frau Dora präsentiert, welche mit der Weltwirtschaftskrise der späten 1920er im Gedächtnis ausruft, wie verrückt es sei, dass man sich in diesen Zeiten quasi entscheiden müsse: entweder, man bezahle die Miete oder aber Essen. Für beides bleibe heutzutage kaum noch genug Geld. Doch während es zunächst schlicht so scheint, als könnten die Wittmers und Ritters über kurz oder lang voneinander lernen und vielleicht sogar eine Freundschaft entwickeln, verfliegt mit der Ankunft der intriganten Baronesse auch für das zweite Paar die kurz gehegte Hoffnung auf einen „Garten Eden“.

    Purer Pulp

    In Kapitel strukturiert, die sich lose an den Jahreszeiten orientieren, spielt sich der Großteil der Geschichte nun innerhalb eines Jahres ab. Was zunächst noch als relativ geerdet daherkommt, wird bald schon zu einem gegenseitigen Hochschaukeln verschiedener Racheakte, die zumeist von der Baronesse befeuert werden. Einiges ließe sich hier über Klasse erzählen, und wie die verschiedenen sozioökonomischen Hintergründe der Figuren unterschiedliche Blüten der nachbarschaftlichen Kriegsführung treiben. Stattdessen jedoch ist Regisseur Ron Howard zumeist an theatralen Performances und ausgefallenen Situationen interessiert, die zunehmend abstruser werden. Der Umstand, dass seine Figuren hauptsächlich Deutsche sind, die zumeist in einem lächerlichen Akzent sprechen, unterstreicht den pulpigen Charakter des Filmes zusätzlich.

    Die von de Armas verkörperte angebliche Adelige etwa stellt sich bald schon als derartig durchtriebene Schurkenfigur heraus, dass sie sich in einer Szene, als die Insel unverhofften Besuch von einem Regierungsbeamten und seiner Reisedelegation erhält und während eines klassischen Konzertes Wasser in die Augen träufelt, um ihre Rührung vorzutäuschen. Schließlich ist ja allgemein bekannt, dass Bösewichte nichts von Kunst verstehen. In einer der originelleren Szenen des Filmes orientiert sich Howard gar wortwörtlich an dieser schwarz-weißen Figurenzeichnung, indem der Film für wenige Momente zu einem schwarz-weißen Stummfilm wird. Als nämlich die Regierungsbeamten die Insel betreten, haben sie auch Kameras im Gepäck, mit denen sie, ganz wie das frühe ethnographische Kino, Szenen für die Kamera inszenieren, die für das Publikum jedoch authentisch und dem Moment entsprungen erscheinen sollen. Wie so vieles in diesem Film verkommt jedoch auch dieser Augenblick zur bloßen Spielerei, der kein ernsthaftes Interesse an der Geschichte des Kinos anzumerken ist.

    Fazit: Trotz der faszinierenden realen Begebenheiten, die Ron Howards „Eden“ zugrunde liegen, liefert der Amerikaner letztlich kaum mehr als einen exzellent besetzten und kompetent gemachten Inselstreit, der sich mit zunehmender Laufzeit recht orientierungslos in ein theatrales Intrigenspiel flüchtet.

    Wir haben „Eden“ beim Filmfest Toronto 2024 gesehen.

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