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    Während du schliefst
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Während du schliefst
    Von Franziska Felber

    Ja, es ist eine romantische Liebeskomödie, ja, sie handelt von einer Frau, die zwischen zwei Männern steht, ja, der eine ist ein Snob, der andere ein guter Kerl und ja: Dieser Film ist trotz aller Klischees sehenswert. Der US-amerikanische "Cool Runnings"-Regisseur Jon Turteltaub hatte 1995, zwei Jahre nach seiner Komödie um eine jamaikanische Bobmannschaft, mit "Während du schliefst" wieder einen großen Kassenerfolg. Für seine Hauptdarstellerin Sandra Bullock war es der erste Film nach "Speed" und der endgültige Eintritt in die obere Liga Hollywoods. Mit "Während du schliefst" haben sie einen Film geschaffen, der sich durch die gefühlvolle Darstellung der Charaktere deutlich vom Liebeskomödien-Einheitsbrei aus der Traumfabrik abhebt.

    Lucy Moderatz (Sandra Bullock) ist eine einsame junge Frau in Chicago. Sie arbeitet als Ticketverkäuferin im öffentlichen Bahnverkehr. In ihrem monotonen Alltagstrott sieht sie ein kleines Licht, als sie sich in einen Unbekannten (Peter Gallagher) verliebt, der jeden Morgen an ihrem Schalter ein Ticket löst. Eines Tages ist Lucy zum Handeln gezwungen: Sie rettet dem Fremden das Leben, als er vom Bahnsteig geschubst wird und das Bewusstsein verliert. Im Krankenhaus wird Lucy für die Verlobte des komatösen Patienten gehalten. Dabei hat sie gerade erst seinen Namen erfahren: Peter Callaghan. Als Peters Verwandtschaft eintrifft, klärt Lucy den Irrtum nicht auf. Wegen des labilen Gesundheitszustands von Peters Großmutter (Glynis Johns) schiebt Lucy die Wahrheit immer weiter vor sich her. Noch komplizierter wird es, als sie Peters Bruder Jack (Bill Pullman) kennenlernt. Zwischen beiden knistert es gewaltig, nur bleibt ihre Liebe – wegen des Missverständnisses, das allmählich zur glatten Lüge wird – tabu.

    Die Geschichte spielt in der Vorweihnachtszeit. Das unterstreicht Lucys Einsamkeit, denn was ihr im bitterkalten, weihnachtlich geschmückten Chicago fehlt, ist eine Familie. Durch die kalte Atmosphäre der Stadt, wirkt das gemütliche Familienleben der Callaghans noch warmherziger und liebenswerter. Turteltaub stellt anonyme Schauplätze der Großstadt, wie Lucys Ticketschalter im Pendlerverkehr, dem festlich geschmückten Haus der Callaghans gegenüber und macht sogar das Krankenhaus zu einem Ort der menschlichen Begegnung, das durch die ständige Anwesenheit von Verwandten und Freunden zum zweiten Wohnzimmer wird. Zu Hause in ihrem kleinen Appartment hat Lucy dagegen nur Gesellschaft von ihrer Katze und gelegentlich vom Sohn des Hauseigentümers, dem nervigen Nachbar Joe. Der Darsteller Michael Rispoli sollte wenige Jahre später in der legendären Mafia-Serie "The Sopranos" die Rolle des Jackie Aprile, Sr. spielen.

    Für die Rolle der Lucy war ursprünglich Julia Roberts angefragt, die jedoch ablehnte. Sandra Bullock ist als Besetzung der introvertierten Lucy ein Glücksgriff. Man kann sich als Zuschauer mit Lucy, die immer in ausgeleierten Wollpullis mit zu langen Ärmeln, Stricksocken und muffige Wintermäntel steckt, wunderbar identifizieren. Zwischen Sandra Bullock und Bill Pullman sprühen derartig die Funken, dass Lucys Sehnsucht nach Zweisamkeit für das Publikum nahezu greifbar wird. Die Charaktere des Films sind auch deshalb ausgesprochen liebenswert, weil sie so komplex angelegt sind. Nicht einmal das Heim der Callaghans erweist sich als paradiesischer Ort, hier hört man seinem Gegenüber einfach nicht richtig zu. Aber gerade deshalb wirken die Figuren so gewinnend – selbst Nachbar Joe mit seiner vertrottelten Art hat letztendlich einen guten Kern. Das gilt auch für Peter, der noch während seines Komas wie ein Snob wirkt, aber eigentlich ebenfalls auf der Suche nach dem wahren Glück ist. Nach und nach erfährt man, durch die gut durchdachten und liebevoll arrangierten Dialoge, immer mehr über die verschiedenen Personen und wird in ihren Bann gezogen.

    Fazit: "Während du schliefst" erzählt eine rührende Liebesgeschichte, die ihrem Genre absolut gerecht wird. Die sorgfältig ausgearbeiteten Figuren machen den Film selbst für Zuschauer, die Liebesklamotten aus Hollywood eigentlich abgeschworen haben, zu einem Erlebnis.

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