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    Das Omen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Das Omen
    Von Ulrich Behrens

    „Wenn die Juden gen Zion ziehen,

    und ein Komet die Nacht zerreißt,

    wenn das Heilige Römische Reich obsiegt,

    der Tod mir und dir das Leben entreißt.

    Aus dem ew’gen Meer steigt er,

    Armeen an beiden Ufern schafft,

    der Mensch kämpft gegen seinen Bruder,

    bis der Mensch dahingerafft.“

    Neben Roman Polanskis Rosemaries Baby (1968) und William Friedkins Der Exorzist (1973) ist „Das Omen” von Richard Donner der dritte bedeutende Horrorfilm jener Jahre, in dem der Teufel die Fäden der Geschichte zieht. Der Film löste eine Reihe von Sequels aus. Während in „Rosemaries Baby” eine junge Frau im Rahmen einer Art Verschwörung zur Mutter einer Teufelsgestalt wird und in „Der Exorzist” der Teufel in ein Kind fährt, lässt Donner in „Das Omen” eine Art Prophezeiung wahr werden, die sich an einer Textstelle in der Bibel festmacht: Der Teufel zeugt einen Sohn, lässt ihn von einer „ganz normalen” Familie aufziehen, damit er sich dann irgendwann die Erde und die Menschen untertan machen kann.

    Robert Thorn (Gregory Peck) und seine Frau Katherine (Lee Remick) erwarten ihr erstes Kind. Doch bei der Geburt stirbt das Baby, und die in einem römischen Krankenhaus tätigen Priester bieten Thorn an, stattdessen ein zur gleichen Zeit geborenes Kind, deren Mutter angeblich bei der Geburt gestorben ist und das keine Verwandten haben soll, zu adoptieren, sprich: der unwissenden Katherine unterzuschieben. Thorn stimmt nach anfänglichem Zögern zu, denn er weiß, wie problematisch für Katherine das Wissen um die Fehlgeburt wäre. Nichts ahnend ist Katherine überglücklich über den scheinbar gemeinsamen Sohn, den die beiden Damien (Harvey Stephens) nennen.

    Damien wächst heran wie ein normales Kind. Inzwischen ist Thorn zum Botschafter in London ernannt worden. Man zieht in eine prunkvolle Villa in London – und bis zum fünften Geburtstag Damiens verläuft alles zur Zufriedenheit der Eltern. Eines Tages jedoch – während des Geburtstagsfests Damiens – passiert etwas Schreckliches. Damiens Kindermädchen steht – während die Gäste sich vor der Villa aufhalten – auf dem Fenstersims, ruft etwas wie: Für dich, Damien, würde ich alles tun – und springt mit einem Strick um den Hals in den Tod. Entsetzen macht sich breit. Kurz darauf meldet sich eine Mrs. Baylock (Billie Whitelaw) bei den Thorns als neues Kindermädchen. Eine Agentur habe sie geschickt, nachdem diese von dem schrecklichen Tod des ersten Kindermädchens erfahren habe.

    Mrs. Baylock scheint ihr Geschäft zu verstehen – und sie ist resolut und immer in der Nähe von Damien. Kurze Zeit später meldet sich ein Pater Brennan (Patrick Troughton) bei Thorn in der Botschaft, redet vom Teufel und davon, Thorn solle das Blut Jesus trinken. Thorn hält den Priester für verrückt – doch der lässt nicht locker...

    Neben „Rosemaries Baby” und „Der Exorzist” führte „Das Omen” von Anfang an ein gewisses Schattendasein – etwa nach dem Motto: Schon wieder ein Film, in dem der Teufel sich der Menschheit, der Erde und was weiß ich nicht bemächtigen will. Man mag seine Sympathien für den einen oder anderen Film haben. „Das Omen” gehört neben den beiden anderen beiden Werken zu den besten jener Jahre, die Ängste vor übernatürlichen und bösen Kräften zum Ausgangspunkt ihrer Geschichten nehmen. Donners Film hat dabei gegenüber den beiden anderen durchaus einen eigenständigen Stellenwert – selbst wenn man eingestehen muss, dass Parallelen sicher auszumachen sind.

    Der Eigenwert des Films liegt nicht so sehr in dem Aufsetzen auf einer Kino-Mode, sondern in der Art der Inszenierung selbst. Es scheint von Anfang keinen Zweifel zu geben: Damien sei der leibhaftig gewordene Antichrist. Alles, aber auch alles deutet in Donners Film, zu dem David Seltzer das Drehbuch schrieb, darauf hin. Und doch inszenierte Donner die Geschichte so, dass auch eine andere Interpretation der Geschichte möglich ist, nämlich die, dass alle Vermutungen, Geschehnisse, Umstände auch eine ganz natürliche Erklärung haben könnten und sich verschiedene Personen nur einbilden könnten, den Leibhaftigen auf Erden in Gestalt des Jungen zu sehen.

    Man kann dies an den Personen selbst festmachen: an Katherine, die irgendwann merkt, dass Damien nicht ihr eigener Sohn ist, und die nach dem Sturz in die Tiefe vermutet, er wolle sie ermorden. Ihr Psychiater nimmt an, sie leide unter einer Psychose. Dies ist durchaus eine mögliche Erklärung. Der Tod des Priesters durch die vom Dach der Kirche fallende Stange könnte auch ein Unfall gewesen sein, der nur als Teufelswerk erscheint, weil der Priester – fanatisch dargestellt von Patrick Troughton – in einer Art religiösem Wahn sich einbildet, der Teufel sei auf Erden angekommen in Gestalt eines von einem Satan und einem Schakal gezeugten Kindes. Selbst die merkwürdigen Zeichen auf Jennings Fotos könnten einfach bestimmte Licht- und Schatteneffekte sein. Dass das Krankenhaus, in dem Damien geboren wurde, völlig abgebrannt ist, bedarf auch keiner übernatürlichen Erklärung. Und selbst der Fund zweier Gräber durch Thorn und Jennings, in denen sich ein Kind und ein Schakal finden, kann ganz andere Gründe haben als die, der Teufel sei auf Erden erschienen. Die Antipathie von Katherine gegenüber der eigenartigen Mrs. Baylock könnte erklären, warum Katherine im Krankenhaus aus dem Fenster stürzte. Und selbst der Vorfall, bei dem Damien seine Mutter anfuhr, die daraufhin über das Geländer stürzte, könnte einfach ein Unfall gewesen sein.

    Donner spielt mit beiden möglichen Erklärungen – einer übernatürlichen und einer natürlichen. Bindeglied zwischen beiden sind die Ängste und die Unsicherheit der beteiligten Personen, also von Jennings, Thorn und Katherine. Gerade dieses Spiel ist es, was auch beim Betrachter der Geschichte Unsicherheit und Zweifel an der einen oder anderen Erklärung auslöst.

    Hinzu kommt, dass sich Damien wie ein normales Kind verhält, spielt, lacht, rennt – keine Grimassen, keine Zaubertricks, kein Pferdefuß, nichts, was auf den Teufel hindeuten könnte. Und andererseits verhält er sich dann auch wieder merkwürdig, etwa als die Thorns mit ihm zu einer Hochzeit in eine Kirche fahren und Damien vor Entsetzen Katherine in die Haare greift und ihr Gesicht zerkratzt. Die Auswahl von Harvey Stevens für diese Rolle war ein Glückstreffer; denn er wirkt einerseits wie ein harmloser normaler Junge, kann aber andererseits eben auch im wahrsten Sinn des Wortes teuflisch dreinschauen.

    Dieses Spiel zwischen religiöser Mythologie, Aberglauben, (satanischen) Wahnvorstellungen und der Realität jener Jahre wird durch das exzellente Spiel der Schauspieler unterstützt. Gregory Peck spielt einen ruhigen, gelassenen, fast zurückhaltenden Mann, der im Laufe der Geschichte immer mehr von Zweifeln überzogen wird. Dieser Thorn hat sich im Griff, aber gegen Ende glaubt er tatsächlich, Damien sei der Sohn des Leibhaftigen. David Warners Jennings gehört auch eher zu jenen Menschen, die nur glauben, was sie sehen – und wird in den gleichen Strudel des Zweifels gezogen wie Thorn. Lee Remick schließlich spielt eine Frau, die aus insgesamt glücklichen Umständen immer deutlicher und stärker in eine psychisch stark belastende Situation gedrängt wird. Wahn oder reale Ängste?

    Die Musik von Jerry Goldsmith und die oft Gemälden gleichen Bilder Gilbert Taylors verleihen dem Film eine zusätzlich dichte Atmosphäre.

    Zu erwähnen ist noch, dass die erschreckenden Szenen des Films – die Strangszene etwa, der Sturz Katherines vom Geländer und besonders die Enthauptungsszene – so gut wie perfekt wirken. Ähnliches gilt für eine Friedhofszene, in der Thorn und Jennings von blutrünstigen Hunden bedroht und angefallen werden.

    Donners Film ist auch heute noch sehenswert. Und die Schlusseinstellung, in der Damien beim Begräbnis in die Kamera schaut lässt auch uns zweifeln. Schaut uns der Teufel ins Gesicht?

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