Mein Konto
    Falsches Spiel mit Roger Rabbit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Falsches Spiel mit Roger Rabbit
    Von Ulrich Behrens

    „Ich habe dich mehr geliebt,

    als irgendeine Frau jemals

    ein Kaninchen geliebt hat.”

    (Jessica zu Roger Rabbit)

    „Falsches Spiel mit Roger Rabbit” gehört zu jenen Glücksfällen der Filmgeschichte, über die man auch Jahre später noch redet und denen man sich immer mal wieder gerne hingibt. Dabei ist es vor allem die Grundidee des Films, die in der Umsetzung durch Robert Zemeckis, den Vater von Zurueck in die Zukunft (1985, 1989, 1990), Begeisterung auslöst: eine Welt, in der Cartoon-Figuren und Menschen nebeneinander existieren, in der beide die Bereiche des jeweils anderen betreten, ohne dass dies besonders problematisch wäre. Was „Falsches Spiel mit Roger Rabbit” aber in diesem Zusammenhang besonders interessant und unterhaltend macht, ist, dass die physikalischen Gesetze, die in der Cartoon-Welt gelten, Menschen vor einige Schwierigkeiten stellen. Wenn Bob Hoskins als Detektiv Eddie Valiant mit dem Auto nach Toontown fährt, bekommt er das im freien Fall zum Beispiel deutlich zu spüren. Dort ist alles etwas anders – und vor allem schneller.

    Toontown grenzt an Hollywood, aber Teile von Toontown befinden sich auch in Hollywood, etwa wenn Regisseur Raoul (Joel Silver) in der Eingangssequenz, die den Beginn eines Zeichentrickfilms vermuten lässt, den anderen Star des Films neben Eddie, eben Roger Rabbit, durch die Cartoon-Küche sausen lässt, weil Baby Herman aus dem Laufstall ausgebüxt und allerlei gefährlichen Situationen ausgesetzt ist. Gefährlicher ist es allerdings in dieser Szene für Roger selbst. Dann ein Schnitt, Raoul unterbricht die Dreharbeiten, schimpft auf Roger, weil der nicht Sterne, sondern Vögel sieht, als er unter dem Kühlschrank liegt. Und Baby Herman kommentiert mit der Stimme eines alten Mannes: „Aw, for cryin’ out loud, Roger! How the hell many times do we have to do this damn scene?”

    Zemeckis und sein Team konnten noch nicht auf CGI zurückgreifen. Die Figuren, auf die wir treffen, sind gezeichnet. Und wir treffen auf viele solcher Figuren: Mickey Mouse, Sylvester, Schweinchen Dick, Bugs Bunny, Bennie das Auto, Daffy und Donald Duck, Tweety Bird, Woody Woodpecker, Dumbo, Betty Boop und etliche mehr. Möglich machte dies die Kooperation zwischen Disney Studios und Steven Spielberg sowie Richard Williams, der für die Animationen verantwortlich zeichnete. Zunächst wurde jede Szene Stück für Stück durchgegangen, um die Positionen für menschliche und animierte Charaktere genau zu bestimmen. Dann drehte man mit den Schauspielern und in einem dritten Schritt wurden die Toon-Figuren per Hand in den Film gezeichnet – eine überaus aufwendige und zeitraubende Arbeit, deren Ergebnis man nur als vollauf gelungen bezeichnen kann – auch noch nach 15 Jahren.

    Aber „Falsches Spiel mit Roger Rabbit” ist nicht nur eine gelungene Kombination von Cartoon und Realität. Zemeckis erzählt vor allem vor diesem Hintergrund eine bezaubernde Kriminalgeschichte, die bis zum Schluss spannend bleibt. Der Produzent R. K. Maroon (Alan Tilvern) beauftragt Privatdetektiv Valiant, die Untreue von Rogers Freundin Jessica (im Original gesprochen von Kathleen Turner) durch heimlich gemachte Fotos nachzuweisen. Er erzählt Valiant, Rogers Probleme beim Drehen kämen daher, dass er verliebt sei, Jessica vergöttere und den Realitätssinn verloren habe. Es gebe Anhaltspunkte, dass sie sich anderen Männern hingebe. Valiant, der den Auftrag zunächst ablehnen will, weil er Toontown nie wieder betreten wollte – sein Bruder Teddy wurde von einem bis dahin unbekannten Toon getötet –, lässt sich für 100 Dollar breitschlagen, und tatsächlich sieht er Jessica, die bezaubernde Sängerin, in ihrer Garderobe mit einem Mann, dem Spaßmacher Marvin Acme (Stubby Kaye), der sie offensichtlich anbaggert.

    Roger ist natürlich verzweifelt, aber es kommt noch schlimmer: Kurz darauf ist Acme tot, ermordet, und Roger wird zum einzigen Verdächtigen. Der fanatische Richter Doom (gespielt von Christopher Lloyd, dem Dr. Emmett Brown aus Zurueck in die Zukunft) in schwarzer Montur, mit Hut und Nickelbrille auf der Nase, und seine Toon-Hilfspolizisten, werden auf Roger angesetzt. Doom hat eine spezielle Flüssigkeit zusammen gemixt, in der er böse Toons in ihre Bestandteile auflöst, eine Suppe, mit Hilfe derer es allein möglich ist, Toons zu töten.

    Und Roger? Der flüchtet sich ausgerechnet ins Büro von Valiant, der davon überhaupt nicht begeistert ist. Roger, das ist natürlich von vornherein klar, ist unschuldig. Wer allerdings schuldig ist, weniger: Etwa seine schöne Frau Jessica? Oder Produzent Maroon? Oder beide? Irgendein reicher Fatzke hat die Straßenbahn aufgekauft, und er will noch mehr kaufen, eigentlich die ganze Stadt samt Toontown? Steckt er hinter dem Mord?

    Valiant hat ein Gespür dafür, dass irgend etwas hier nicht stimmt, und er hilft Roger. Und auch auf Valiants Angebetete Dolores (Joanna Cassidy) können sich die beiden verlassen. Doom allerdings ist auch nicht untätig. Die Jagdsaison ist eröffnet.

    „A laugh can be a very powerful

    thing. Why, sometimes in life it’s

    the only weapon we have. Laughter

    is the most important.”

    (Roger Rabbit)

    Bob Hoskins spielt einen miesepetrigen Detektiv, der (wohl seit dem Tod seines Bruders – Valiant & Valiant steht noch immer auf dem Schild seines Büros) keinen Boden unter den Füßen zu gewinnen scheint. No money, no fun scheint die Devise seines Lebens geworden zu sein. Der 50-Dollar-Scheck, den er von Maroon als Anzahlung bekommen hat, kann noch nicht einmal die Schulden, die er bei seiner Liebsten Dolores hat, ausgleichen. Kein müdes Lächeln, der Zweifel und die Enttäuschung im Gesicht geschrieben wandelt er durch die 40er Jahre Hollywoods und Toontowns. Diese exzellente Charakterdarstellung von Hoskins kontrastiert mit der lebendigen, lustigen, frechen Welt der Toons. Roger bringt Leben in Valiants Tristesse, und aus diesem Zusammenprall entstehen mit die komischsten Szenen des Films. Hinzu tritt ein Christopher Lloyd in bester, böser Spiellaune, garniert mit seinen schießwütigen kleinen Toons.

    „Falsches Spiel mit Roger Rabbit” ist natürlich auch eine Hommage an den alten, nicht digitalisierten Trickfilm und seine Figuren. Die Eingangssequenz ist ein phantastisches Beispiel dafür, ebenso Hoskins Aufenthalt in Toontown oder sein Einsatz als menschlicher Toon in der Schlussszene. Dabei wirkt der Film nie übertrieben, die Schauspieler benehmen sich, als ob es völlig normal sei, mit Toons zu leben. Das Fremde ist zum Eigenen geworden, zum friedlichen Neben- und Miteinander. Acme und auch Valiant sind fasziniert von der animierten Schönheit Jessica Rabbit, als ob es sich nicht um eine gezeichnete, sondern um eine Frau aus Fleisch und Blut handeln würde. Die Unterschiede zwischen Menschen und Toons sind (fast) eingeebnet. Die Kombination aus Kriminalgeschichte, Toon-Menschen-Welt, gespickt mit flotten Sprüchen, Witzen, typischen Cartoon-Szenen und nachvollziehbaren Charakteren bei Menschen wie Toons ist in sich stimmig, und das macht „Falsches Spiel mit Roger Rabbit” zu einem grandiosen Ereignis. Ein Toon-Auto fährt ein richtiges Auto – auch so etwas passt sich in den Film ein, als ob es etwas Selbstverständliches wäre.

    Roger, we love you.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top