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    Nur mit Dir
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Nur mit Dir
    Von Ulrich Behrens

    Roger Ebert schreibt in der „Chicago Sun-Times“: „‘A Walk to Remember’ is a small treasure.“ Der Streifen des Regisseurs von „Wedding Planner“ sei eine süße, aufrichtige und positive Liebesgeschichte. Nach der ganzen vulgären Rohheit des typischen modernen Jugendfilms sei hier ein Film gelungen, der genau hinschaue, der den Jugendlichen Aufmerksamkeit schenke und gemerkt habe, dass nicht alle Jugendlichen so schwachsinnig sind, wie Hollywood sie schildere. Tatsächlich können die Sängerin Mandy Moore und Shane West ab und zu eine gewisse Ausstrahlung vermitteln – das ist richtig. Aber „Nur mit Dir“ unterscheidet sich ansonsten nicht von den unzähligen anderen romantizistischen Tragikomödien, die eben dieses Hollywood in seiner unnachahmlichen Art produziert. Im Gegenteil: Der Film ist ein Paradebeispiel für die visuelle Verhunzung tatsächlicher Konflikte und schwelgt, besonders in der zweiten Hälfte in schier endlosem Kitsch. Am Schluss fühlte ich mich in Rührseligkeit ertränkt. Ich weiß – auch mir ist das schon so gegangen –, dass es Tage gibt, an denen man „so etwas“ braucht. Das rechtfertigt den Kinogang allemal. Nichtsdestotrotz haben derlei Filme mehr mit romantischen Märchen und mehr oder weniger verklausulierten Botschaften als mit realen Problemen (amerikanischer) Jugendlicher zu tun. So allerdings beginnt der Film und beweist damit einmal mehr, wie hautnah Hollywood an das Publikum herankommt, um es dann zu betrügen, ohne dass es jemand merken muss.

    Landon (Shane West) und seine Clique, zu der auch Dean (Clayne Crawford), Eric (Al Thompson) und Belinda (Lauren German) gehören (Landons Ex-Freundin), haben nur dummes Zeug im Kopf, fühlen sich mächtig stark, kotzen auf alles, was mit Schule und Erwachsenwerden zusammenhängt, streunen herum. Als Clay (Matt Lutz) in die Clique aufgenommen werden will, verlangen sie von ihm eine Mutprobe: Er soll in einem Steinbruch aus gewagter Höhe ins Wasser springen. Clay springt, das Wasser ist offenbar nicht tief genug, und verletzt sich, ist bewusstlos und muss wochenlang ins Krankenhaus und in die Rehabilitation. Landon – der einzige, den die Polizei erwischen kann, die anderen haben sich aus dem Staub gemacht – kommt mit einem blauen Auge davon. Keine Strafanzeige. Dafür verpflichtet ihn der Schuldirektor zu Reinigungsarbeiten, Nachhilfeunterricht für benachteiligte Schüler und Mitwirkung in einem Theaterstück, das die Schüler aufführen sollen.

    Jamie Sullivan (Mandy Moore), Tochter des örtlichen Priesters (Peter Coyote), ist wohl erzogen in christlichem Glauben, beteiligt sich an sozialen Aktivitäten, schaut mit einem selbst produzierten Teleskop in die Sterne und wird von Landon und seiner Clique gemieden. Oft ist sie Objekt des Spotts. Sie trägt Strickjacken und lange Trägerkleider und hat eine „unmögliche“ Frisur. Trotzdem ist sie Landon und den anderen überlegen. Denn Jamie ist selbstbewusst, macht sich sehr viel Gedanken, liest viel und hat sich längst von ihrem Vater emanzipiert. Doch das erkennen die anderen nicht. Die Theater-AG führt Landon und Jamie zusammen. Wohl zum ersten Mal in seinem Leben bittet Landon jemanden, nämlich Jamie, um etwas. Sie soll ihm helfen, seinen Text zu lernen. Er spielt immerhin die männliche Hauptrolle. Beide kommen sich im Lauf der Zeit näher. Die Aufführung des Stücks wird ein Riesenerfolg. Landon rückt immer weiter von seiner Clique ab, verteidigt Jamie, als die anderen aus ihrem Porträt und dem Körper einer fast unbekleideten, wohl proportionierten Frau eine Collage basteln, kopieren und in der Schule verteilen. Natürlich verlieben sich Jamie und Landon – unter den argwöhnischen Augen ihres Vaters. Dann allerdings gesteht Jamie Landon etwas, was alles ändert: Sie ist unheilbar an Leukämie erkrankt ...

    Spätestens, aber aller spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte man den Schalter von fetziger auf traurige Musik, von Freude auf Schmerz umstellen. Das fällt nicht schwer. Denn Hollywood weiß, was Romantiker wünschen und erledigt die Umschaltung wie von selbst. Shankman arbeitet mit den alt bekannten und bewährten Mitteln der Geigenmusik. Er hält mit der Kamera ordentlich lang auf leiderfüllte Gesichter. Eine Liebeserklärung jagt die andere und die Tränensäcke füllen sich merklich mit Wasser. Ich selbst war zwar nicht gerade in gedrückter oder romantischer Stimmung. Aber man sollte mal versuchen, dem zu widerstehen. Natürlich heulen wir dann fast alle, bis auf die Hartgesottenen, die überlegen, cool and bitter über allem thronen (wo sind die?). Dieser Mix funktioniert fast immer. Und genau dieser Mix – so schön und bemächtigend er auch über uns hereinbricht – ist der Betrug an der Geschichte.

    Die nämlich, die Geschichte, hätte zu einem spannenden, einigermaßen realistischen Drama mit komödiantischen Einschlägen durchaus getaugt, in der sogar Romantik eine Rolle hätte spielen können – auf die ehrliche Weise. Der Anfang des Films deutet darauf auch hin. Doch sehr schnell wandelt sich alles zum Zauber, zum Spuk und vor allem zu Stereotypen sondergleichen. Die Ausgangslage: Jamie hier, Landon und seine Clique dort, der Einfluss von Schule, Eltern, die Schilderung der Konflikte – all das wäre ein Film wert gewesen, der es mit seiner Geschichte ernst meint. Aber die Geschichte ist nur Aufhänger für eine Botschaft. Bei der ersten Gesangseinlage Mandy Moores bestätigen sich die ersten Zweifel. Und als sie dann als jugendlicher Mariah-Carey-Verschnitt den Schlussakkord im Theaterstück singt, ist es vorbei mit der Wirklichkeit, mit den Charakteren und mit der Handlung. Die kranke Jamie (Leukämie!) steht über allem, sogar über ihrem nahenden Tod, dessen Darstellung Shankman dem Publikum erspart. Sie lächelt (geschminkt) in den Tod hinein. Schnitt. Vier Jahre später usw. Landon bleibt standhaft, baut Jamie ein größeres Teleskop, mit dem sie noch einmal in die Sterne schauen und einen Kometen sehen kann. Auch Landon ist jetzt Held. Und – geben wir es doch zu – solche Helden und Heldinnen wollten wir alle schon einmal sein, oder? Wer lügt, muss sich den Film dreimal hintereinander anschauen.

    „A Walk to Remember“ strotz nur so vor einer glamourösen, oberflächlichen Teenie-Welt. Die Heldin ist die Menschenfreundin par excellence. Puritanisch-biblische Bet-Welt trifft Jugendgang-Attitüde, ein durch Peter Coyote verkörperter christlicher Fundamentalismus und der (noch) irregeleitete Individualismus der Jugendlichen um Landon werden im Schmelztiegel verrührt und kühlen ab zum american dream mit dem zentralen Satz „Wenn Du das Gute willst, erreichst Du es auch“ – sogar im Tod und darüber hinaus. Alles andere wird unwichtig oder löst sich wie von selbst: Der Konflikt Landons mit seinem Vater, nur angedeutet, die Einsicht der anderen Gang-Mitglieder, nun auch den Pfad der Tugend zu gehen, die Freundschaft zwischen Landon und Priester Sullivan, die Versöhnung mit dem Sprung-Opfer Clay – das alles soll uns den Weg weisen.

    Der Film war in den USA sogar recht erfolgreich. Wen wundert’s. Er verspricht den Trost, der in harten Zeiten so wichtig ist wie Wasser und Brot. „A Walk to Remember“ enthält keinerlei wirklichen Konflikt wirklicher Menschen. Der Film ist reine Botschaft und beweist einmal mehr, welchen Einfluss das Kino auf aktuelle Stimmungen nehmen kann, wenn man sich darauf einlässt. Es darf geweint werden. Und schließlich haben wir es hier ja nicht so schwer wie unsere amerikanischen Freundinnen und Freunde.

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