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    Indiana Jones und der letzte Kreuzzug
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Indiana Jones und der letzte Kreuzzug
    Von Martin Soyka

    The Man with the Hat ist back.

    And this time he´s bringing his Dad.

    (Werbeslogan)

    Elsa: „Was ist das?”

    Jones: „Das ist die Bundeslade.”

    Elsa: „Sicher?“

    Jones: „Gaaanz sicher.“

    Jeder der „Indiana Jones“-Filme hat einen eigenen Charakter, der ihn von den übrigen unterscheidet. Im Originalfilm (Jäger des verlorenen Schatzes) wird die Figur des Titelhelden definiert und das Genre des Abenteuerfilms in Erinnerung gebracht. Teil zwei („Indiana Jones und der Tempel des Todes“) ist noch wesentlich rasanter als Teil eins (er prägte den Begriff des Achterbahn-Kinos), allerdings ist er sehr viel düsterer geraten und es finden sich viele Horror-Elemente. Spielberg hatte nach der Premiere von Teil zwei erklärt, der Film sei sogar für ihn zu schnell geraten. In Teil drei, „Indiana Jones und der letzte Kreuzzeug“ wird nun ein Element betont, das auch bei den anderen Filmen zu finden ist, aber keine allzu gewichtige Rolle gespielt hat: Humor.

    1938: Zwei Jahre sind seit den Ereignissen um die Bundeslade vergangen (zur Erinnerung: Teil zwei war ein Prequel, spielte also zeitlich vor dem Original-Film). Doktor Jones (Harrison Ford) wird von einem wichtigen Mäzen des Museums, Walter Donovan (Julian Glover), auf die Spur der wichtigsten Reliquie der Christenheit gesetzt, nämlich des Heiligen Grals. Jones’ Einwand, es würde der falsche Jones gefragt werden, denn der eigentliche Experte sei sein Vater Henry (Sean Connery), fördert nur die Erkenntnis zu Tage, dass Jones senior bereits die Spur aufgenommen hatte, mittlerweile aber verschwunden ist. Nun ist des Doktors Jagdinstinkt geweckt. Besorgt um das Wohlergehen des Vaters und mit dem Museumskurator Marcus Brody (Denholm Elliott) im Gepäck tritt Jones eine Reise in die alte Welt an, um das zustande zu bringen, was die mittelalterlichen Kreuzzüge nicht geschafft hatten: den Kelch zu finden, der beim letzten Abendmahl gereicht worden war und das Blut Jesu am Kreuz aufgefangen hatte. Erwartungsgemäß ist aber nicht nur der Doktor auf der Suche, auch die Schergen Hitlers wollen sich die Sagen umwobenen Kräfte des Kelches sichern, verheißt er doch das ewige Leben…

    Der „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ wirkt wie ein Abenteuerfilm, der gleichzeitig seine eigene Parodie ist. Ermöglicht wird dies dadurch, dass das Handlungsgerüst dem des ersten Teils gleicht: wichtige Reliquie der Christenheit wird wegen ihrer sagenhaften Kräfte von den chargenhaften Nazis gesucht und Jones muss schneller sein. Hierdurch wird eine unbewusste Erwartungshaltung des Publikums geschaffen, die komödiantische, ja fast parodistische Kapriolen ermöglicht.

    Wieder geht es mit einem „Teaser“ los, also einer Actionsequenz, die mit dem Rest des Films nichts zu tun hat. In Utah spielt sie, allerdings muss man sich über das eingeblendete Datum wundern: 1912. Trotzdem sieht man den Mann mit der charakteristischen Lederjacke und dem Feodora-Hut. Er wird von einer Gestalt im Schatten beobachtet. Doch der Mann mit dem Hut ist nicht der Titelheld. Nein, das ist die Gestalt im Schatten, ein halbwüchsiger Junge (tragisch jung verstorben: River Phoenix), der gleich die erste Jagd seines jungen Lebens erleben wird. Und was für eine Jagd! Es mag ein wenig oberflächlich wirken, aber im Laufe der nächsten Minuten kommen alle Elemente vor, die die Filme und die Titelfigur definieren: die Peitsche, die Angst vor Schlangen, sein Interesse an Kunstgegenständen, der Bezug zum Übernatürlichen, der Hut und sogar die Narbe am Kinn des erwachsenen Jones wird erklärt. Gekrönt wird das Ganze dadurch, dass Jones die Jagd zwar gewinnt, die Trophäe aber nicht behalten darf. Kommt doch bekannt vor, oder? Und just, als man sich darauf eingelassen hat, vollführt der Film die nächste Kapriole, denn durch einen absolut überraschenden Jump-Cut, der klar eine Referenz an Stanley Kubrick (2001 – Odyssee im Weltraum) ist, wird der Zuschauer in die filmische Gegenwart des Jahres 1938 katapultiert. Jones ist erwachsen und kämpft wieder mit den selben Leuten um dasselbe Fundstück. Chaos und Explosionen folgen. Das ist Kino. Und der Film ist erst zehn Minuten alt.

    Indy darf in der ersten halben Stunde das tun, was er am besten kann: Schätze finden, sich prügeln und tolle Verfolgungsjagden veranstalten. Sogar eine Blondine (Allison Doody) darf er abschleppen (oder ist es andersherum?). Dann vollführt der Film einen Rückwärtssalto, wenn sich Vater und Sohn zum ersten Mal begegnen. Auf einmal ist der große Abenteurer ganz klein und muss sich gegen den strengen Übervater (Sean Connery) behaupten, der seinen Sohn penetrant mit dem verhassten „Junior“ anspricht. Professor Jones wirkt auf den Doktor erst mal wie ein Klotz am Bein. Nichts scheint man ihm recht machen zu können. Und dass sie offenbar beide etwas mit der Verräterin Elsa gehabt haben, schmeckt dem Sohnemann überhaupt nicht. Jetzt wird die Vater-Sohn-Beziehung zum Thema, denn zwischen beiden scheint immer noch die lange verstorbene Mutter zu stehen. Aber Zeit für Trübsinn bleibt nicht, denn die deutschen Häscher sind ihnen unerbittlich auf den Fersen.

    Dann gewinnt wieder die Komödie überhand. Ein abstürzender Stuka überholt den langsameren Wagen der Jones-Jungs im Tunnel, der andere wird durch den überaus albern agierenden Vater zum Absturz gebracht. Der Komödie müssen sich auch zwei beliebte Nebencharaktere unterordnen, nämlich Brody (zu früh verstorben: Denholm Elliott) und Sallah (John Rhys-Davies). Beide sind dem Zuschauer schon aus dem ersten Teil bekannt, waren dort aber als ernsthafte, wenn auch im Falle Sallahs als etwas skurrile Charaktere aufgetaucht. Nun werden aus ihnen komische Nebenfiguren. Brody wird als absolut weltfremd dargestellt und Sallah wird gar vollständig zum Buffo. Besonders deutlich wird dies in der Szene, in der Brody von den Deutschen entführt wird. Das Zusammenspiel von Brody und Sallah wirkt fast einem Laurel- und-Hardy-Film entnommen.

    Den Höhepunkt des Films bildet wieder einmal eine Verfolgungsjagd. Indy muss seinen Vater aus dem Inneren eines Panzers befreien, und zwar per Pferd und nur mit seinem Sechsschüsser bewaffnet. Und diese Sequenz kann sich sehen lassen. Sie ist gleichauf mit den großen Jagden der Vorgängerfilme, der Lastersequenz aus Teil eins und der Lorenjagd aus Teil 2, bietet aber mehr Teilnehmer, auf die der Zuschauer seine Sympathien verteilen kann. David gegen Goliath, oder wie es Brody ausdrückt: „Die Feder ist mächtiger als das Schwert.“ Naja, kommt darauf an, was man mit der Feder so anstellt. Der dritte Akt wird - wie im Originalfilm - von dem Auffinden des Schatzes, seiner magischen Wirkung und seinem Verlust beherrscht. Hier hat Indy glücklicherweise mehr zu tun als in Teil eins. Gelungen ausgedacht und dargestellt sind die Fallen und die unkonventionelle Art, wie Indy sie überwindet. Und dass Indy fast derselbe Fehler das Leben kostet wie Elsa, ist auch klasse ausgedacht und umgesetzt. Nicht wirklich stimmig wirkt nur, dass der uralte Ritter keine Probleme hat, sich mit Jones zu verständigen und dass Donovan sich selbst auf saublöde Art ins Jenseits befördert.

    1989 hatte man schon fast nicht mehr daran geglaubt. Steven Spielberg und George Lucas hatten mit den beiden ersten Indy-Filmen ein ganzes Genre wieder belebt und die Messlatte für action-orientierte Unterhaltung auf Schwindel erregende Höhen gelegt. Aber dann war auf einmal Pause. Harrison Ford widmete sich ernsteren Filmen und verweigerte sich hartnäckig dem Franchise-Kino. Bis sechs Jahre vergangen waren. Jetzt sollte endlich der Mann mit dem Hut zurückkehren. Harrison Ford war im Jahr 1989 nach eigenem Bekunden (!) eigentlich schon zu alt für die Rolle. Lustigerweise liegen sein Geburtstag und der Connerys, der seinen Vater darstellt, nur ein gutes Jahrzehnt auseinander. Die Besetzung Connerys war ein absoluter Coup, denn Spielberg wollte nach seinem Erfolg mit Der weiße Hai unbedingt einen „James Bond“-Film machen, bekam aber nicht die Gelegenheit dazu. Seine Trotzreaktion war die Erschaffung der Figur eines Abenteurers namens Indiana Smith, der bekanntlich ursprünglich von Tom Selleck („Magnum“) verkörpert werden sollte. Der Rest ist Geschichte. Dass der Ur-Bond Connery nun den Vater von Indy spielt und auch die Blondine vor dem Sohnemann vernascht, ist zum Brüllen. Konsequenterweise arbeitet der Chef der Stunt-Abteilung Vic Armstrong für beide Franchises.

    Der Film wirkt wohltuend handgemacht. CGI gab es damals nicht, alle Effekte sind optisch und stammen nicht aus dem Computer. Das verleiht dem Film einen Charme, der heutigen durchgestylten Hochglanzproduktionen oft abgeht. Da verzeiht man es ihm auch gerne, dass es vor Anschluss- und logischen Fehlern nur so wimmelt. Beispiele hierfür sind zuhauf zu finden. Da lesen Passagiere im Flughafen Zeitungen von 1912, Zeppelin-Passagierflüge gab es damals schon nicht mehr, das Petroleum in den Katakomben von Venedig ist praktisch unerklärbar und Adolf Hitler gibt Jones ein Autogramm mit der rechten Hand, obwohl er Linkshänder war (www.dieseher.de führen den Film auf ihrer ewigen Hitliste der Filme mit den meisten Fehlern mit sage und schreibe 78 Stück auf Platz 3!). Macht aber nichts, das erhöht nur den Charme. Und den Spezialeffekt um die unsichtbare Brücke muss man einmal auf der großen Leinwand erlebt haben, im Fernsehen verpufft diese großartige Überraschung total.

    Dankbar ist der Zuschauer im übrigen dafür, dass keine kreischenden Frauen oder nervenden Kinder die Handlung stören, wie es noch in „Tempel des Todes“ der Fall gewesen war. Weniger schön, weil geschmacklos und für die Handlung nicht wirklich nötig, ist der Abstecher der Jones-Boys nach Berlin, wo sie einer Bücherverbrennung beiwohnen und ein Autogramm vom Führer abstauben. Das ist klischeehaft und hätte man sich bedenkenlos schenken können. Ansonsten ist dem Drehbuch des großartigen (und ebenfalls viel zu früh verstorbenen) Jeffery Boam kein Vorwurf zu machen. Der hatte schon mit „Die Reise ins Ich“ und „Lost Boys“ Box-Office-Qualitäten bewiesen. Später sollten aus seine Feder Genre-Knüller wie „Lethal Weapon“ 2 und 3 und der unterschätzte „Das Phantom“ folgen.

    Vor der Erstaufführung hatte Steven Spielberg angekündigt, dass Indiana Jones nach diesem Film keine Geheimnisse mehr haben würde und genauso kam es. Alles wird erklärt, seine Herkunft und sein Umfeld ebenso wie sein Name. Das Ganze wirkt aus einem Guss, so dass man sich ernsthaft fragen muss, was ein geplanter vierter Film wohl noch hinzufügen sollte. Kein Wunder, dass es so lange dauert, um dieses Projekt anzuschieben, denn gute Ideen fallen schließlich nicht vom Himmel. Mit dem „Kreuzzug“ gelingt ein würdiger, ja krönender, furioser Abschluss der Trilogie um den beliebtesten Abenteurer aller Zeiten. Viele halten den dritten Film sogar für den besten der Serie. Es ist durchaus nicht übertrieben, alle drei Filme als Klassiker des Unterhaltungskinos zu bezeichnen. Und wer nach dem Abspann nicht gutgelaunt die zündende Titel-Fanfare pfeift, sollte lieber bei Wim-Wenders-Filmen bleiben.

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