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    A Tale Of Two Sisters
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    A Tale Of Two Sisters
    Von Ulf Lepelmeier

    In den vergangenen Jahren ist Südkorea vermehrt auf dem weltweiten Filmradar erschienen. So konnte Kim Ki-duk mit seinen Arthousewerken bei diversen internationalen Festivals Eindruck hinterlassen, Chan-wook Park mit seiner Rachetrilogie auf ganzer Linie begeistern und Joon-ho Bong mit The Host und Memories Of Murder überzeugen. Im beliebten Asia-Horror-Genre dominiert zwar noch die japanische Filmindustrie mit Ringu, Ju-On und Co., aber auch in diesem Bereich ist ein koreanischer Exportschlager auszumachen, der zudem auch ein fast schon obligatorisches amerikanisches Remake (Der Fluch der 2 Schwestern) nach sich ziehen wird. Die Rede ist von „A Tale Of Two Sisters", ein Psycho-Drama im Horrorgewand von Regisseur Kim Ji-woon („The Quiet Family", A Bittersweet Life), das nicht nur im südlichen Teil des geteilten asiatischen Staates, sondern auch im Ausland mit seiner ruhigen, aber nichtsdestotrotz verstörend, verschachtelten Erzählweise viele Anhänger fand.

    Nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt kommen die beiden Schwestern Su-mi (Su-jeong Lim) und Su- yeon (Geun-yeong Mun) wieder in ihr Elternhaus zurück. Dort werden sie von ihrem überforderten Vater (Kap-su Kim) und der anfangs aufdringlichen und überdrehten Stiefmutter (Jung-ah Yum) empfangen. Während die jüngere der beiden Schwestern verängstig ist und wenig von sich gibt, hat Su-mi nur vorwurfsvolle und anklagende Worte für ihren Vater und dessen neue Frau an seiner Seite übrig. Auch diese macht aus ihrer Antipathie für die beiden Mädchen keinen Hehl. Doch was hat sich in der zerrütteten Familie zugetragen? Welche Geheimnisse birgt das unheimliche Haus und was hat es mit dem Schrank, vor dem sich Su-yeon so fürchtet, auf sich?

    „Am liebsten würdest du alles vergessen. Alles vergessen. Aber du weißt, dass wirst du niemals können. Es wird dich immer verfolgen."

    Zu Beginn wähnt man sich noch in einem typischen Genrebeitrag à la „Ringu", doch im Laufe des Films stellt sich heraus, dass die Horrorelemente nur ein Bestandteil eines Psycho-Dramas im Familienkreise sind, das bei Zeiten gar lyncheske Züge annimmt. Dabei verschwimmen unterschiedliche Wahrnehmungsbilder, so dass die bisherige Realität zu einem Zerrbild verkommt. Trotz des ruhigen Verlaufs der Ereignisse ist stets eine knisternde, gespannte Atmosphäre gegeben, die selbst alltäglichen Dingen etwas Unheilvolles gibt. Hier gehen Schrecken und Melancholie, Horror und Familiendrama Hand in Hand und werden in eleganter Optik und teils überraschenden Kameraeinstellungen transportiert.

    Die Geschichte entfaltet sich rückwärtsgerichtet, so dass das Gesehene erst nach dem finalen Schlusstwist wirklich eingeordnet werden kann und der Zuschauer sich somit über eine sehr lange Zeit in einer Position der Mutmaßung befindet. Doch auch das aufklärende Ende presst das Storyverständnis des Zuschauers nicht in ein enges Korsett, sondern lässt weiterhin Freiraum für Interpretationen. Dabei ist „A Tale Of Two Sisters" anders als die Werke von Twistkönig Manoj Night Shyamalan (The Sixth Sense) oder auch der atmosphärisch dem koreanischen Film sehr nahe kommende The Others nicht vollständig auf das offenbarende Finale fixiert. Vielmehr wird bereits zuvor die Auflösung durch das Setzen eines wichtigen Mosaiksteins in das unvollendete Storypuzzle raffiniert vorbereitet, ohne dabei schon zu viel offen zu legen. Um wirklich alle Teile richtig einsetzen zu können, ist allerdings wohl ein zweites Sichten des Films notwendig.

    Während außerhalb des Hauses freundliche, klare Farbtöne vorherrschen, vermitteln die dunklen Korridore oder die in dumpfen Rot,- Blau- und Grüntönen gehaltenen Räume ein Gefühl der Schwere und Belastung und versinnbildlichen damit das Grauen im Inneren des Menschen, den Kampf mit den eigenen Ängsten, Erinnerungen und Schuldvorstellungen. Der Umgang mit schmerzender Vergangenheit ist der Schüssel zu dem Film, der zwar mit schauerlichen Kindergestalten und blutigen Vorkommnissen den Genrekonventionen und somit auch seiner Klassifizierung als Horrorfilm gerecht wird, aber letztlich das traurige Familiendrama um Verdrängung und Schuld ins Zentrum stellt. Zuschauer, die sich an einer nichtlinearen, nicht komplett auflösbaren Geschichte stören und auf zahlreiche Schockeffekte und viel Blut aus sind, werden daher wohl eher wenig Freude an dem vor allem von seinem Stimmungsbild lebenden Film haben.

    Die gelungene musikalische Untermalung und das grandiose Sounddesign, die beim Zuhörer schon ohne das Betrachten der Bilder ein mulmiges Gefühl hervorrufen, werden zum Spannungsaufbau hervorragend eingesetzt und sind maßgeblich für die besten Gruselaugenblicke mitverantwortlich. Diese Horrormomente sind zwar nur in überschaubarer Anzahl vorhanden, dafür aber höchst präzise und effektvoll inszeniert. Schauspielerisch sticht Jung-ah Yum als kaltherzige Stiefmutter hervor. Die vielen Facetten ihrer Figur, die mal überschwänglich freundlich auf andere einredet, mal distanzierte Kälte ausstrahlt und ein anderes Mal von Furcht und Hass förmlich zerfressen ist, gibt sie ausgezeichnet wieder. Gerade bei den vielen Nahaufnahmen auf ihr Gesicht kommt ihr emotionsgeladenes Mienenspiel zum Tragen. Ebenfalls lobenswert ist die Leistung von Su-jeong Lim zu erwähnen, die den schwierigen Part der Su-mi gekonnt meistert.

    Bei „A Tale Of Two Sisters" erwartet den Zuschauer eine anhaltend bedrohlich brodelnde Grundstimmung, edle Bilder und eine perfekte Soundkulisse, die eine beklemmende Familiengeschichte mit wenigen, dafür aber treffsicheren Horroreinlagen zu einer spannenden sowie traurigen Angelegenheit machen.

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