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    Corpse Bride
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Corpse Bride
    Von Deike Stagge

    Regisseur Tim Burton (Sleepy Hollow, Batman, Big Fish) ist für seinen individuellen Stil und die außergewöhnliche Inszenierung der filmischen Atmosphäre seiner Produktionen bekannt. Bereits 1993 brachte er als Produzent mit Nightmare Before Christmas einen Puppentrickfilm ins Kino. Jetzt greift er diesen Stil in der ähnlichen Form des Stop-Motion-Trickfilms wieder auf, um ein russisches Volksmärchen zu erzählen: „Corpse Bride“.

    Viktor (im Original gesprochen von Johnny Depp) lebt als Sohn eines Fischhändlers und seiner Frau in einem kleinen viktorianischen Dorf. Nach dem Willen seiner Eltern (gesprochen von Tracey Ullman und Paul Whitehouse) soll er mit Viktoria (Emily Watson) verheiratet werden, deren aristokratische Eltern (Joanna Lumley und Albert Finney) zustimmen, um an Geld zu kommen. Die beiden treffen sich erst einen Tag vor der Hochzeit, mögen sich aber sofort. Als Viktor bei der Hochzeitsprobe so versagt, dass er nicht nur seinen Text vermasselt, sondern schließlich das Kleid seiner Schwiegermutter in Brand setzt, wird er von Pastor Galswells (Christopher Lee) zum Lernen in den Wald verbannt. Dort verwechselt er eine Baumwurzel mit einem knochigen Finger einer Leichenbraut (Helena Bonham Carter) und ehe er sich noch so recht versieht, wird er als unfreiwilliger Ehemann ins Reich der Toten verschleppt.

    Eigentlich ist es im Totenreich ganz nett, die Leichen sind unheimlich gut drauf (die Leute sterben ja auch schließlich, nur um dahin zu kommen), es gibt immer eine Party und die Bars schließen nie. Dennoch will Viktor unbedingt zu seiner Viktoria zurück, die inzwischen mit dem mysteriösen Lord Barkis (Richard E. Grant) verheiratet werden soll. Da Leichenbraut Emily aber unerschütterlich an ihrer Ehe mit Viktor festzuhalten gedenkt, muss sich der schüchterne junge Mann dringend einen überzeugenden Plan einfallen lassen, um mit seiner wahren Liebe vor den Altar treten zu können.

    Stop-Motion-Trickfilme sind eine unheimlich aufwendige Sache. Die Sets müssen wie im Realfilm komplett ausgestattet werden und mit den „Schauspielern“ besetzt werden. Der Film selbst wird dann als unendliche Folge von Einzelbildaufnahmen abgefilmt, zwischen denen die Puppen meist nur um ein Millimeterchen bewegt werden. Kurzum: Für solch ein Projekt brauchen die Macher eine Engelsgeduld, fähige Puppenspieler und gutes, robustes Material. Nach Nightmare Before Christmas haben sich einige Neuerungen im Puppenspiel durchgesetzt. Statt beispielsweise die Köpfe für verschiedene Stadien der Mimik auszutauschen (und darauf zu achten, dass der Kopf wieder in der haargenau gleichen Position auf dem Hals sitzt), können die Animatoren mit einem Getriebe im Puppenkopf die Mimik in minimalen Schritten verändern. Diese Erfindung vereinfacht die Arbeit einen Schritt, aber die Koordination eines Spielfilms mit Puppen bleibt ein Mammutprojekt. Tim Burton hat diese Aufgabe in Zusammenarbeit mit Co-Regisseur Mike Johnson, der bei „Nightmare Before Christmas“ als Beleuchtungsassistent zum ersten Mal mit Burton in Kontakt kam, hervorragend gemeistert.

    Ein weiterer spannender Aspekt in der Produktion von „Corpse Bride“ ist, dass die stimmengebenden Schauspieler die Dialoge vor Drehbeginn aufnahmen und nicht wie beim Trickfilm üblich erst hinterher. So konnten die Darsteller die Charakterzüge ihrer Figuren entscheidend beeinflussen und formen. Die Animatoren versuchten dann, die Bewegungen der Puppen so gut es geht den Stimmvorgaben anzupassen. So entstand in liebevoller Einzelarbeit ein rundes Bild aller Leinwandfiguren. Weil die Originalstimmen die Figuren so prägen, ist es für „Corpse Bride“ auch empfehlenswert, den Film in der englischen Originalversion zu sehen, falls ein Kino in der Umgebung diese Version anbietet. Die tiefe, gnadenlos wirkende Stimme von Christopher Lee („Star Wars: Episode 3 - Die Rache der Sith“, „Der Herr der Ringe“ „Dracula“, Die purpurnen Flüsse 2), der bereits in „Sleepy Hollow“-Hauptdarsteller Johnny Depp (Fluch der Karibik, „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“, Das geheime Fenster) auf eine gefährliche Mission schickte, oder Helena Bonham Carters (Planet der Affen, „Mary Shelley’s Frankenstein“) sympathisch-melancholische Intonation machen den besonderen Charme der Produktion aus.

    Zum Glück verlässt sich Tim Burton in seinen Arbeiten auf alte Bekannte und bewährte Modelle. Nicht nur die Schauspieler (vielleicht mit Ausnahme von Emily Watson) haben bereits viel Erfahrung mit dem Regisseur, vor allem Komponist Danny Elfman, der der Welt unvergessliche Melodien wie die „Simpsons“-Titelmelodie schenkte, wurde von Burton zum sage und schreibe zwölfen Mal ins Boot geholt. Nach der erfolgreichen Arbeit an Charlie und die Schokoladenfabrik hat Elfman wieder innovative, liebevoll angejazzte Songs für das neue Werk seines Freundes in petto, die er in Gestalt des Skeletts Bonejangles auch zum Besten gibt und dadurch ein einnehmendes, auflockerndes Beiwerk zur inszenierten Handlung schafft. Doch „Corpse Bride“ wäre kein echter Burton, wenn nicht auch der ungemein sympathische Humor, überaus schrullige, ausgeflippte Charaktere und die besondere, ganz in Burtons eigenem Stil gefilmte Atmosphäre und Farbgebung seinen Film prägten. Vor allem durch die erneute Arbeit mit Kameramann Peter Kozachik („Nightmare Before Christmas“, „Willow“) wird der bewährte Look hergestellt.

    Nicht nur Burton-Fans werden an dem Ergebnis der jahrelangen Bemühungen um dieses russische Volksmärchen begeistert sein. „Corpse Bride“ ist ein typischer Burton-Film mit allen seinen Eingebungen, dennoch er zeigt vor allem eine anrührende, aber auch urkomische Geschichte in einer hervorragenden Umsetzung: Burton und seinem Team ist ein unterhaltender Film für die ganze Familie gelungen.

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