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    Die Reise der Pinguine
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Die Reise der Pinguine
    Von Jürgen Armbruster

    Dokumentationen haben gemeinhin beim Kinopublikum einen schweren Stand. Bei Werken aus der Tier- und Pflanzenwelt ist die Trefferquote jedoch höher. Filme wie „Deep Blue“, „Nomanden der Lüfte“ oder „Mikrokosmos“ sind nicht nur schön anzuschauen, sondern auch erfolgreich im deutschen Kino. In diese Reihe von Erfolgen fügt sich Luc Jacquets „Die Reise der Pinguine“ nahtlos ein: Die Dokumentation über das im Grunde doch recht eintönige Leben der Kaiserpinguine (!) eroberte Amerika im Sturm und zog dort sogar in die Top 10 ein.

    Im März beginnt in der lebensfeindlichsten Umwelt unseres Planeten die alljährliche Tour de Force der Kaiserpinguine. In Scharen verlassen sie den schützenden Ozean und machen sich in Karawanen auf zu ihren schützenden Brutplätzen. Wie die Pinguine trotz der sich ständig ändernden Umgebung immer einen neuen Weg durch diese eisige Wüste finden, ist Wissenschaftlern bis heute ein Rätsel. Aber wie von einer höheren Macht geführt, erreichen die einzelnen Gruppen nach einem wochenlangen Marsch nahezu zeitgleich ihr gemeinsames Ziel. Was folgt, ist die bis Ende Mai andauernde Paarungszeit, in der die Pinguine von nichts anderem Leben, als frischem Schnee zur Flüssigkeitsaufnahme. Am Ende dieser Zeit legt das Weibchen ein einziges Ei – und die gefährlichste Prüfung Leben der Pinguine beginnt.

    Unmittelbar nach der Eiablage übergibt das Weibchen das Ei an das Männchen. Dabei ist besondere Vorsicht geboten, denn das junge Leben im Ei kann außerhalb des schützenden Federkleids nur wenige Sekunden überleben. Ein kleiner Fehler und das Jahr ist für die Pinguine verloren. Das Weibchen macht sich danach auf zum Ozean, um sich von den Strapazen zu erholen und zu essen. Das Männchen harrt nahezu bewegungslos aus, um das Ei auszubrüten. Dabei trotz es den fürchterlichsten klimatischen Bedingungen. Die Tage dauern nur noch zwei Stunden. In der Nacht fallen die Temperaturen auf bis zu minus 40 Grad Celsius und Schneestürme mit einer Spitzengeschwindigkeit von rund 250 km/h peitschen über die Gletscherlandschaft. Dann (ca. 60 Tage später, kurz nachdem das Kücken geschlüpft ist) kehrt das Weibchen zurück. Wieder erfolgt eine gefährliche Übergabe, denn auch das Junge kann ohne den wärmenden Schutz der Eltern nur kurz überleben. Nun macht sich der Männchen zum Ozean auf, um endlich wieder etwas zu essen. Ein ewiger Kreislauf, ein Kommen und Gehen. Die ewige Reise der Pinguine…

    Eingefangen in atemberaubenden Bildern erzählt der Franzose Luc Jacquet von den endlosen Strapazen der Kaiserpinguine. Der Forscher Ernest Shackleton beschrieb die Antarktis einmal als den „kältesten, windigsten, trockensten und düsteren Kontinent unserer Erde“. Diese klimatischen Bedingungen zwangen den Kaiserpinguinen im Laufe der Evolution ein Leben der Extreme auf. Eine ständige nicht enden wollende Reise zwischen der halbwegs geschützten Brutstätte und der Nahrungsquelle, stets nahe dem Hungertod mit nur einem einzigen Ziel: das Überleben der Spezies sichern. Luc Jacquet hat Biologie mit dem Schwerpunkt auf tierischem Verhalten studiert. Damit ist er genau der richtige Mann, um dem Zuschauer das harte Leben der Kaiserpinguine in dieser harschen Umgebung näher zu bringen.

    Glücklicherweise war sich Luc Jacquet der Schwachpunkte der Thematik durchaus bewusst. So schön die Panoramaaufnahmen auch anzusehen sind, so liebenswürdig das oft tollpatschig und putzig wirkende Verhalten der Pinguine auch sein mag – als Substanz für eine fesselnde, abendfüllende Dokumentation reicht dies einfach nicht aus. Denn Hand aufs Herz: Mit Abstand betrachtet ist das Leben der Kaiserpinguine schon recht eintönig. Daher bediente sich Jacquet eines überaus pfiffigen Tricks: Er verlieht seinen eigentlich tauben Protagonisten eine Stimme. In fast schon poetisch wirkenden Phrasen berichten die Pinguine selbst von ihrem harten Leben. Neben dem eigentlichen Erzähler wurden drei weitere Stimmen für eine ganze Pinguin Familie verpflichtet. Mama und Papa berichten von den zahlreichen Prüfungen und der junge Pinguin von den ersten gesammelten Erfahrungen. In der amerikanischen Fassung des Films konnte sogar Schauspiel-Titan Morgan Freeman (Million Dollar Baby, Die Verurteilten, Sieben) für das Projekt gewonnen werden. Dieser Ansatz macht nicht nur in der Theorie Sinn, sondern funktioniert auch auf der Leinwand prächtig.

    Genau so faszinierend wie der eigentliche Film ist die Entstehungsgeschichte von „Die Reise der Pinguine“. Regisseur Luc Jacquet und sein Team verfolgen das Leben der Kaiserpinguine 14 Monate lang. Als Basis-Camp diente die Dumont-D’Urville-Station. Nicht nur die klimatischen Bedingungen waren eine Herausforderung für das Film-Team. Jacquet: „Wenn man sich der Kolonie zu hastig nähert, würde man dadurch die Pinguine aufschrecken und mit einem kurzen Moment der Unachtsamkeit 200 Eier zerstören. Wir mussten uns unserer enormen Verantwortung also ständig bewusst sein.“ Aber die Mühen haben sich gelohnt. „Die Reise der Pinguine“ ist vor allem eines: ein Film mit Herz. Jacquet gelingt es, seine enorme Begeisterung für das Thema auf das Publikum zu übertragen. Und abseits des didaktischen Wertes wird obendrein einfach nur beste Unterhaltung geboten. „Die Reise der Pinguine“ ist ein Film für die ganze Familie und all jenen, einfach einmal etwas „anderes“ sehen möchten, wärmstens zu empfehlen.

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