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    Sommersturm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Sommersturm
    Von Stefan Ludwig

    Ein Coming-Out ist trotz unserer angeblich so toleranten Gesellschaft eine heikle Angelegenheit. Was werden die besten Freunde, was die Familie sagen? Werden sie sich nicht anders verhalten und von nun an immer nur den Schwulen in einem sehen? Werden sich auch einige von einem abwenden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich "Sommersturm" von Marco Kreuzpaintner, der zwar das Genre des Coming-of-Age-Dramas nicht neu erfindet, dafür aber eine ausgezeichnete Regieführung aufweist und sich dadurch gut zu platzieren weiß. Mit einem recht kleinen Budget entstand ein Film, der glücklicherweise nicht mit der ganz großen Moralkeule zuschlägt, sondern die Szenen und Geschehnisse für sich sprechen lässt. Der Film lebt von seinen Dialogen und der ruhigen Bildsprache, die von der ständigen Spannung auf das erwartete Coming-Out gebrochen wird.

    Tobi (Robert Stadlober) fährt mit seiner Rudermannschaft zu einem großen Wettkampf. Mit dabei ist sein bester Freund Achim (Kostja Ullmann), zu dem er sich offensichtlich hingezogen fühlt. Allerdings beginnt der gerade eine Beziehung mit Sandra, in der Tobi eine Gefahr für die Freundschaft sieht; er ist eifersüchtig. Gleichzeitig versucht Sandras beste Freundin Anke (Alicja Bachleda-Curus), Tobi für sich zu gewinnen, doch er weicht ihr aus. Im Ruderlager angekommen, stellt sich heraus, dass statt einer Berliner Mädchenmannschaft die "Queerschläger" antreten - eine Gruppe die gemäß ihrem Namen aus Schwulen besteht. Das ist der Anfang einer Krise in seinem Erwachsenwerden für Tobi, eines Schlagabtausches zwischen Heteros und Homos und von erfüllter Liebe für die einen und Liebeskummer für die anderen.

    "Sommersturm" erzählt keine nie dagewesene Geschichte, aber er erzählt sie gut. Es ist zwar insgesamt erkenntlich, dass der Film dem Zuschauer nicht nur seine Story näher will, sondern auch auf subtile Art und Weise belehren möchte, jedoch stört das keinesfalls den Filmgenuss oder erzeugt Szenen, die aufgesetzt wirken. Das Hauptaugenmerk liegt die meiste Zeit auf der Entwicklung der zwischenmenschlichen Beziehungen der Hauptpersonen. Das Ruderlager und der Wettbewerb sind mehr schmückendes Beiwerk - diese Aufhängerfunktion stört aber nicht, da sie gut gewählt ist. Zudem entstanden die meisten Aufnahmen in der freien Natur, was dem Film ein eigenes Gesicht gibt. Sehr gut gelungen ist die Regiearbeit von Marco Kreuzpaintner, der auch am Drehbuch mitgewirkt hat. Die Kameraführung und die oft punktgenaue Strukturierung der Szenen sind über dem aus Deutschland gewohnten Niveau.

    Robert Stadlober war in der Hauptrolle nicht von Anfang an geplant, ist jedoch sicher kein Fehlgriff. Im Gegenteil, schafft er es wieder einmal, die für ihn typische Rolle des etwas merkwürdigen, nachdenklichen Außenseiters sehr gut auszufüllen. Zwar verwendet er dafür immer die gleichen Blicke, was am Ende aber kaum stört. Er macht seine Sache einfach gut, das ist ihm nicht abzusprechen. Besonders interessant ist, dass er die Balance zwischen dem recht starken, aber nicht sichtbaren Schauspielen und der Gefahr des Overacting standhalten kann, selbst in dafür fast prädestinierten Szenen. Sein Filmfreund Achim, verkörpert von Kostja Ullmann, spielt ebenfalls gut, aber eigentlich wären vielleicht ein paar mehr Szenen zwischen den beiden nötig gewesen, um die sehr enge Freundschaft zwischen den beiden kenntlich zu machen. Auf der anderen Seite wäre hier auch die Gefahr des In-die-Länge-Ziehens sehr groß gewesen. Herrlich anzusehen ist auch Alicja Bachleda-Curus als Anke.

    Mit "Sommersturm" kommt ein interessanter Film in die Kinos, der mit ruhiger Hand das Publikum an die Problematik des Coming-Out heranführt. Natürlich lassen sich bestimmte Ereignisse ganz gut vorrausahnen, dennoch schafft es der Film, im richtigen Moment zu überraschen oder mit perfekt inszenierten Szenen wie dem auf dem Plakat zu sehenden Sprung ins Wasser aufzutrumpfen. Definitiv taugt der Film zu guter Unterhaltung und wird nicht langweilig. Stets lässt sich mit Tobi mitfiebern und wie bei solcherlei Dramen üblich werden viele Zuschauer versucht sein, ihm zuzurufen, er solle sich endlich trauen. Darin spiegelt sich dann auch die funktionierende Identifikation mit der Hauptfigur. Nett anzuhören ist übrigens der in erster Linie aus Popsongs bestehende Soundtrack. Lustigerweise hat sich Robert Stadlober öffentlich dazu bekannt, es auch schon einmal im Privatleben mit dem männlichen Geschlecht versucht zu haben. Ein Schelm wer vermutet, dass sich dahinter ein PR-Gag versteckt…

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