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    Hannibal Rising - Wie alles begann
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Hannibal Rising - Wie alles begann
    Von Christoph Petersen

    Als Anthony Hopkins nach den Erfolgen von Das Schweigen der Lämmer, Hannibal und Roter Drache glaubhaft verkündete, er würde definitiv kein weiteres Mal in die Rolle des intellektuellen Kannibalen Hannibal Lecter schlüpfen, blieb den Produzenten im Endeffekt nur noch ein Ausweg, um die Menschenfleisch fressende Kuh weiter zu melken. Da es schlicht ausgeschlossen scheint, nach Hopkins einen anderen Darsteller in der Rolle des gestandenen Psychopathen Lecter zu besetzen, musste das Prequel „Hannibal Rising“ her, welches sich die Entstehung der wohl berüchtigtsten Bestie der Kinohistorie zum Thema nimmt. So konnte man mit Gaspard Ulliel einen jugendlichen, noch nicht allzu bekannten Schauspieler wählen, der nur eingeschränkte Vergleiche mit Hopkins zu befürchten hat. Doch eine gewisse Skepsis blieb, gerade nach den ersten Bildern konnte man sich kaum vorstellen, dass Poster-Boy Ulliel die tiefen Abgründe seiner Figur glaubhaft verkörpern würde. Nun erweisen sich die dunklen Vorahnungen aber gerade in Bezug auf diesen Punkt als unbegründet, Ulliel macht seine Sache überraschend gut. Leider können da das platte Rache-Skript von „Hannibal“-Schöpfer Thomas Harris und die geschmäcklerische Inszenierung von Art-House-Regisseur Peter Webber nie mithalten.

    Litauen während des Zweiten Weltkriegs. Zuerst muss der zehnjährige Hannibal Lecter (Aaron Thomas) mit ansehen, wie seine Eltern bei einem Fliegerangriff ums Leben kommen, und dann gerät er auch noch gemeinsam mit seiner Schwester Mischa (Helena-Lia Tachovska) in die Hände des SS-Sympathisanten Grutas (Rhys Ifans). Der harte Winter wird immer länger. Kurz vor dem Verhungern beschließen Grutas und seine Männer, eines der Kinder zu verspeisen. Weil Mischa mit einer Lungenentzündung eh im Sterben liegt, fällt die Entscheidung auf sie. Acht Jahre später gelingt Hannibal (Gaspard Ulliel) die Flucht nach Frankreich, wo er bei seiner Tante Lady Murasaki (Gong Li) unterkommt. Als diese von einem Nazi-Schlachter aufgrund ihrer japanischen Abstammung gedemütigt wird, findet Hannibal in diesem sein erstes Opfer – mit dem Samuraischwert seiner Tante wird der Flegel enthauptet. Zwar kommt ihm Inspektor Popil schnell auf die Spur, doch beweisen kann er nichts. Hannibal beginnt ein Medizinstudium, doch angetrieben von unkontrollierbaren Rachegelüsten treibt es ihn schon bald durch ganz Europa, um es den Mördern seiner kleinen Schwester heimzuzahlen…

    Die Angst war groß, dass die Macher mit der Besetzung von Newcomer Gaspard Ulliel, der sich bisher so richtig eigentlich nur als Darsteller in Jean-Pierre Jeunets Mathilde - Eine große Liebe hervorgetan hat, den gleichen Fehler gemacht haben könnten, der auch bei der Verfilmung von Das Parfum gemacht wurde. Aber wo Schönling Ben Whishaw noch daran scheiterte, auch die abgründigen Seiten Grenouilles eindringlich zu porträtieren, gelingt es Ulliel nun, sein gutes, unschuldiges Aussehen mit den düsteren Eigenschaften des gewissenlosen Monsters Hannibal Lecter zu verbinden. Ihm zur Seite steht die bezaubernde Gong Li (Miami Vice, 2046, Die Geisha), die als Lady Murasaki die differenzierteste Darstellung des Ensembles abliefert – zwar befürwortet sie Lecters Morde, aber im Gegensatz zu ihm wird sie von einem unnachgiebigen Gewissen geplagt. Im Vergleich zu diesen beiden gelungenen Performances fällt Rhys Ifans (Human Nature, Vanity Fair) Auftritt als Kriegsverbrecher doch merklich ab – sein kanten- und konzeptloser Charakter hätte durchaus die Rollenbezeichnung „austauschbarer Hollywood-Bösewicht Nr. 22475“ verdient.

    Dass Jonathan Demmes Das Schweigen der Lämmer seine Qualität in erster Linie Regisseur und Hauptdarstellern, und nicht Autor Thomas Harris verdankt, war eigentlich schon vorher klar. Aber mit „Hannibal Rising“, zu dem er erstmals auch das Drehbuch selbst verfasste, beweist Harris endgültig, dass er ein bestenfalls mittelmäßiger Schriftsteller ist. Die Idee, die Hintergründe des Monsters Hannibal Lecter in einem monströsen Kriegsverbrechen zu suchen, ist an sich zwar hochinteressant, leider bleiben im Endeffekt aber alle psychologischen Ansätze des Films auf einer sehr oberflächlichen Ebene hängen. Auch die Rachegeschichte selbst ist mehr als platt. Dass sich Hannibal seine Widersacher einen nach dem anderen vornimmt, ermüdet auf Dauer eher, als dass es den Zuschauer gebannt fesseln würde. Hier fehlt auf der Seite von Lecter einfach eine nachvollziehbare Steigerung, schon nach seinem ersten Mord ist er das allseits bekannte Monster, und von da an laufen alle weiteren dann nach dem immer gleichen Schema ab. Wirklich gelungene Ansätze zeigt so eigentlich nur das moralische Katz-und-Maus-Spiel zwischen Lecter und Popil. Popil, der selbst seine gesamte Familie im Krieg verloren hat, hat eigentlich dieselben Ziele wie Hannibal, nur dass er sie auf legalem Wege erreichen will. Irgendwann wird aber auch dieser Handlungsstrang ohne jeden Blick zurück einfach fallengelassen.

    Harris simple Rachestory ist eigentlich die eines schmutzigen und dreckigen Genrestreifens, doch Regisseur Peter Webber (Das Mädchen mit dem Perlenohrring) hat sich zumindest in der ersten Hälfte des Films ganz offensichtlich vorgenommen, mit aller Macht Kunst zu inszenieren. Vor allem die Bilder während des Krieges sind so sehr auf Anspruch und gutes Aussehen getrimmt, dass der Effekt vollkommen auf der Strecke bleibt. Dank dieser Art der Hochglanz-Stilisierung wirken viele Szenen nicht ansatzweise so bedrohlich, wie sie es eigentlich sollten. Im Verlauf des Films hält sich Webber dann immer stärker zurück, statt auf Opernarien greift er auf klassische Spannungsmusik zurück, statt der weichgewaschenen Hochglanzoptik gibt es ständig düsterer und damit auch atmosphärischer werdende Bilder. Insgesamt ist Webbers Inszenierung handwerklich solide, stellt sich aber leider nicht immer in den Dienst der Geschichte, sondern dient zumindest zu Beginn häufig nur einem bloßen Selbstzweck. So ist „Hannibal Rising“ höchst durchschnittliches Ausstattungskino, was natürlich gerade im Rahmen des Hannibal-Lecter-Franchises einer herben Enttäuschung gleichkommt.

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