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    Totaler Fremdscham-Murks oder Geniestreich? Heute läuft einer der umstrittensten Superhelden-Filme aller Zeiten im TV!
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Für manche ist es ein Volltreffer, der gleichzeitig der Comic-Vorlage gerecht wird und den Stil eines gefeierten Regisseurs bewahrt. Andere verabscheuen ihn als unansehnliches Machwerk mit peinlichen Wendungen und Dialogen. Heute läuft „Hulk“ im TV.

    In der Luft zerrissen und in den Himmel gelobt: Die Rezeption des „Hulk“-Films von Ang Lee ist so zwiegespalten wie sein Protagonist. Und im Laufe der mittlerweile zwei Jahrzehnte, die seit dem Kinostart vergangen sind, ist es nur schlimmer geworden! Wahlweise ist „Hulk“ Schandfleck in der Vita des „Life Of Pi“-Machers und radioaktiv strahlender Beweis, dass Superhelden-Filme durch Nolan und das MCU auf ein neues Niveau gehoben werden mussten.

    Oder er ist ein Geniestreich, der vorführt, wie kreativ Comicverfilmungen sein können, wenn man einen Regisseur sein Ding durchziehen lässt. Macht euch doch euer eigenes Bild: Ang Lees „Hulk“ ist heute, am 27. März 2024, ab 20.15 Uhr bei Nitro zu sehen – leider nur in gekürzter FSK-12-Fassung. Wenn ihr „Hulk“ in voller Länge und ab 16 sehen möchtet: Der Film ist unter anderem via Prime Video als VOD-Leihtitel sowie zum Kaufen verfügbar.

    Für alle, die die Geschichte vom großen Wutmonster nicht kennen, sei kurz der Plot angerissen: Atomphysiker Dr. Bruce Banner (Eric Bana) hat sich mit seiner Ex Betty Ross (Jennifer Connelly) der Erforschung von Gammastrahlen verschrieben. Als Bruce bei einem Laborunfall eine außergewöhnliche Menge an Gammastrahlen abbekommt, wird seine innere Zerrissenheit potenziert: Wenn der ruhige Physiker, der schon immer eine ebenso verborgene wie zornige Seite hatte, wütend wird, mutiert er nun zu einem grünen Ungetüm – dem Hulk!

    "Hulk" ganz wütend: Darum hat sich Ang Lee vergriffen

    Langatmig, staubtrocken sowie voller Kalenderweisheiten und Küchenpsychologie: Die „Hulk“-Gegner*innen lassen kein gutes Haar an Lees Erzähltempo. Oder daran, mit welch verkrampfter Schwerfälligkeit er das gespaltene Wesen Bruce Banners zum tiefsinnigen Thema hochstilisiert.

    Das Schauspiel von Nick Nolte als Bruces Vater verstärkt dieses Problem: Dass der Top-Physiker Komplexe aufgrund seines lieblosen, instabilen Vaters hat, der durch die Szenerie schreitet wie die Karikatur eines brabbelnden Säufers, tut „Hulk“ keinen Gefallen. Zu albern für Ang Lees Bemühung, aus dem Marvel-Comic eine griechische Tragödie zu formen, zu schmerzlich-unbequem für Superhelden-Krawall mit effektüberladenem Finale.

    Der unkonventionelle, exzentrische Schnitt, mit dem Lee eine Comicbuch-Optik imitiert, beißt sich mit der Tonalität, in der die Szenen gespielt und geschrieben sind. Gleichermaßen geht der comichaft-übertriebene Symbolismus von „griffig“ zu „peinlich“ über, weil das alles verbissen und pathosbeladen vermittelt wird. Die halbgaren Designs und Animationen diverser CG-Wesen bringen „Hulk“ endgültig zum Kippen.

    "Hulk" ganz groß: Darum hat Ang Lee geglänzt

    All diese Kritik ist Humbug, sagt die Pro-Seite! Mit Splitscreens und getragenen Szenenübergängen haucht Lee dem Akt, Comics zu lesen, kinetische Energie und Leben ein. Doch bloß, weil der Schnitt von „Tiger And Dragon“-Editor Tim Squyres effektiv ins Auge sticht, muss „Hulk“ ja keine zügige Actionkomödie sein!

    Das von James Schamus, Michael France und John Turman verfasste Drehbuch erkennt die finster-komische, symbolträchtig-überdeutliche Action-Horror-Prämisse hinter dem Hulk als das, was sie ist: Eine massentauglich-übertriebene, universelle Geschichte über in sich hinein gefressene Konflikte und sich impulsiv Bahn machende Gefühle.

    In seiner Umsetzung vereint Lee diese respektvolle, nicht aber stumpf nach Fanservice geifernde, Positionierung zum Comic mit seinem auf Gammastrahlmonster-Größe aufgeblasenen Stil- und Pathoswillen. Allein schon das Luft, Erde, Feuer und Wasser metaphorisch sowie visuell zusammenbringende Finale sticht aus dem Superhelden-Filmalltag heraus – zumal es zugleich emotionale Konflikte abrundet und den genrebedingten Wunsch nach katastrophaler Eskalation befriedigt.

    Eric Banas Hulk mag unter den Möglichkeiten der CG-Trickkunst anno 2003 leiden, wird aber mit angemessenem, in sich brodelndem Frust gespielt. Und Sam Elliott als knurriger General Ross ist Casting-Perfektion, die fast in derselben Liga spielt wie J.K. Simmons' Besetzung als J. Jonah Jameson in Sam Raimis „Spider-Man“-Filmen.

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    Dies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.

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