Wir empfehlen euch regelmäßig Filme, die Quentin Tarantino ins Herz geschlossen hat – vom Western-Geheimtipp bis hin zum irren Sci-Fi-Abenteuer. Heute allerdings raten wir euch ausnahmsweise zu einem zeitlosen Klassiker des europäischen Kinos, mit dem der „Pulp Fiction“-Macher so gar nichts anfangen konnte: „Sie küssten und sie schlugen ihn“ von François Truffaut.
Der Film um einen Jugendlichen, der in schwierigen Verhältnissen und ohne Perspektive aufwächst, wurde quasi allseits gefeiert. Quasi, weil Quentin Tarantino ihn einst harsch kritisierte. Regie-Legende Martin Scorsese hingegen kam aus dem Schwärmen kaum heraus – und packte ihn sogar auf seine Liste von auserwählten Titeln, die er jungen Filmemacherinnen und Filmemachern uneingeschränkt nahelegt. Falls ihr den Film noch gar nie gesehen habt, ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, um „Sie küssten und sie schlugen ihn“ nachzuholen – den ihr ab sofort im Abo bei MUBI streamen könnt. Wahlweise direkt auf der Plattform oder im Streaming-Channel auf Amazon Prime Video:
Es ist einer der seltenen Fälle, in denen neben Scorsese sowie zahlreichen weiteren Filmschaffenden, Kritikern und Cineasten auch der Autor dieses Artikels Quentin Tarantino widersprechen muss, der Truffaut einst als „sehr leidenschaftlichen, tollpatschigen Amateur“ bezeichnete, mit dessen Filmen er nicht viel anfangen könne.
Seinen persönlichen Standpunkt brachte Tarantino auch in seinem „Once Upon A Time In Hollywood“-Roman* unter, in dem er seine Meinung ein Stück weit auf den im Film von Brad Pitt gespielten Cliff Booth übertrug. Dieser habe „Sie küssten und sie schlugen ihn“ zwar eine Chance gegeben, „warum der Junge den ganzen Mist anstellt, den er eben anstellt“, habe er hingegen nie verstanden.
Die Fachpresse sowie auch das Publikum sehen das seit jeher anders. Kurz nachdem sich Truffaut äußerst kritisch zum Filmfestival von Cannes äußerte, musste man aufgrund der meisterhaften Milieustudie einen Weg finden, um den Regisseur anlässlich seines eindrucksvollen Spielfilmdebüts dennoch einladen (und schließlich auszeichnen) zu können. Darüber hinaus gilt das Drama als einer der Meilensteine der Nouvelle Vague, der aus vielen Bestenlisten nicht mehr wegzudenken ist.
Darum geht's in "Sie küssten und sie schlugen ihn"
Der 13-jährige Antoine Doinel (Jean-Pierre Léaud) wächst im Paris der 50er-Jahre auf – und weiß höchstens vom Hörensagen, was es heißt, unbeschwert heranzuwachsen. Seine Mutter (Claire Maurier) kümmert sich nicht um ihn, seine Lehrer verstehen ihn nicht und sein aus gutem Hause stammender Kumpel René (Patrick Auffay) setzt ihm nur Flausen in den Kopf. Versuchungen, denen Antoine regelmäßig nachgibt. Warum auch nicht? Er hat ohnehin nichts zu verlieren.
Doch was mit kleinen Streichen beginnt, führt schnell zu regelmäßigem Schuleschwänzen. Und wenn diese Grenze erst einmal übertreten ist, sind die ersten Straftaten nicht weit…

Was braucht es, um ein Kind zu einem Mitglied der Gesellschaft zu erziehen? Und noch mehr: Wie kann dafür gesorgt werden, dass es die nächste Generation besser haben wird als die vorherige? Haben wirklich alle Menschen die gleichen Möglichkeiten? Und wenn nicht, wie können die armen Schlucker am Rande der Gesellschaft dennoch ihr Glück finden? Diese Fragen beschäftigen die Menschen seit jeher – und werden auch seit Anbeginn des Kinos immer wieder filmisch aufgegriffen.
„Sie küssten und sie schlugen ihn“ ist ein ganz besonders erschütterndes Beispiel dafür – und kann als Appell an die Menschlichkeit verstanden werden, der zwar nie vorgibt, klare Lösungsvorschläge zu haben, zugleich aber auch unmissverständlich klarstellt, dass die Welt ein besserer Wort wäre, wenn wir mehr aufeinander Acht geben würden.
Für den Autor dieses Artikels, der vor seiner Zeit als Redakteur übrigens als Sozialpädagoge arbeitete, sind es Filme wie dieser, die ihn besonders lange beschäftigen – und die wirklich jeder einmal gesehen haben sollte. Vergleichbar mit dem ebenso grandiosen „We Need To Talk About Kevin“ sowie dem deutschen Oscaranwärter 2019, mit dem ihm Nora Fingscheidt den Boden unter den Füßen wegriss – und den ihr aktuell auf Netflix streamen könnt:
Heute Abend auf Netflix streamen: Der vielleicht härteste Film der letzten Jahre – eine absolute Wucht!*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links erhalten wir eine Provision.