Wie gut ist die 2. Staffel "Star Wars: Andor"? Unsere Kritik zur heiß erwarteten Fortsetzung des Serien-Highlights
Björn Becher
Björn Becher
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Björn ist mit „Star Wars“ aufgewachsen, schaut alle Filme jährlich, hat zahlreiche Bücher rund um das beste Franchise der Welt gelesen und feiert gerade die herausragende 2. Staffel „Andor“.

Bei der Ankündigung wurde „Andor“ belächelt, doch dann folgte eine packende „Star Wars“-Serie, die das Universum bereichert hat. Umso höher sind die Erwartungen an Staffel 2. Wir haben sie komplett gesehen und verraten euch, ob diese erfüllt werden.

Wer braucht schon eine ganze Serie über den im Kinofilm „Rogue One: A Star Wars Story“ eingeführten und dort auch direkt wieder verabschiedeten Cassian Andor (Diego Luna)? Das dachten sich nicht wenige, als Lucasfilm verriet, dass „Andor“ eine der kommenden Disney-Plus-Serien wird, mit denen man mehr „Star Wars“ auf die heimischen TV-Bildschirme bringen will. Doch der zweifach oscarnominierte Tony Gilroy („Michael Clayton“) und sein Team legten ein kleines Serien-Meisterwerk vor, welches die fest zu „Star Wars“ gehörende politische Relevanz mit packenden Drehbüchern voller interessanter, weil komplexer Figuren verbindet. Und das alles ist auch noch herausragend inszeniert.

Im Zuge des Starts der ersten Staffel gab es allerdings auch die Ankündigung, dass „Andor“ nicht wie geplant aus fünf Seasons, die jeweils ein Jahr Handlungszeit abdecken, bestehen wird. Stattdessen deckt die am 23. April auf Disney+ startende zweite und finale Staffel nun gleich vier Jahre ab. Immer drei der insgesamt zwölf Episoden erzählen die Essenz der Handlung, die vorher für eine komplette Season gedacht war. Passend dazu erscheinen die einzelnen Folgen-Dreierpacks immer in einem Rutsch auf Disney+, sodass man sie direkt bingen kann und so quasi vier „Star Wars“-Kinofilme von jeweils rund zweieinhalb Stunden Länge erhält.

Doch funktioniert das? Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass Tony Gilroy und seine Co-Autoren Beau Willimon, Dan Gilroy sowie Journalist Tom Bissell und die Regisseure Ariel Kleiman, Janus Metz und Alonso Ruizpalacios voll an die Stärken der ersten Staffel anknüpfen. Das schon in der Auftaktstaffel so einnehmende Worldbuilding wird in faszinierender Weise weiter vorangetrieben. Erneut fesselt die Serie mit pointierten Dialogen und dramatischen Ereignissen. Dass wir von Anfang an wissen, dass nur eine zentrale Figur des noch mal gewachsenen Ensembles sicher ist, lässt uns jede Sekunde mitfiebern. Dazu sieht „Andor“ ein weiteres Mal verdammt gut aus und entführt uns an noch mehr Schauplätze, die aufwändig mit vielen praktischen Sets zum Leben erweckt wurden.

Ist die 2. Staffel „Andor“ sogar ein Meisterwerk? Fast! Doch da ist halt die eine Sache, dass eben doch sehr deutlich zu spüren ist, wie radikal Gilroy auf eigenen Wunsch die ursprüngliche Vision gekürzt hat. Die aus den großen Zeitsprüngen nach jeweils drei Episoden resultierenden Auslassungen haben zwar eine gewisse Faszination. Doch sie haben auch ihre Schattenseiten.

Darum geht es in der 2. Staffel "Andor".

Im Jahr 4 BBY (= vier Jahre vor der Schlacht von Yavin aus „Star Wars: Episode IV“) absolviert Andor (Diego Luna) als Spion für die langsam weiter wachsende Rebellion und deren Strippenzieher Luthen Rael (Stellan Skarsgård) Missionen. Das daraus resultierende Leben im Untergrund teilt er mit Bix (Adria Arjona) und weiteren Freunden. Senatorin Mon Mothma (Genevieve O’Reilly) muss derweil weiterhin alles tun, um in ihrem politischen Amt den Unterdrückten zumindest eine Stimme zu geben, ohne ihre Unterstützung des Widerstands offenzulegen.

Mit immer weitreichenderen Überwachungen und Kontrollen plant das Imperium derweil, jegliches rebellische Gedankengut zu zerschlagen. Zudem treibt der imperiale Offizier Orson Krennic (Ben Mendelsohn) ein geheimes Programm voran. Dafür rekrutiert er unter anderem ISB-Supervisorin Dedra Meero (Denise Gough). Sie soll ihm dabei helfen, einen ganzen Planeten unter seine Kontrolle zu bringen. Diese eigentlich für die Herstellung vornehmster und teuerster Kleidung bekannte Welt verfügt über bislang unbekannte Bodenschätze, die geplündert werden müssen – auch wenn das zur Zerstörung des Planeten führen wird. Die einflussreiche Bevölkerung ist dabei natürlich im Weg. Ein perfider Plan entsteht, in welchen Meero auch ihren Lebensgefährten Syril Karn (Kyle Soller) verwickelt. Dieser Planet heißt Ghorman....

Orson Krennic will an die Bodenschätze auf Ghorman - koste es, was es wolle. Disney und seine verbundenen Unternehmen
Orson Krennic will an die Bodenschätze auf Ghorman - koste es, was es wolle.

Bei eingefleischten „Star Wars“-Fans wird es bei diesem Namen klingeln. Der Planet steht für eines der größten Verbrechen des Imperiums. Wenn in den Auftaktepisoden von „Andor“ erst einmal nur über Ghorman geredet wird, schürt das schon Erwartungen bei allen, die glauben zu wissen, was nun passieren wird. Doch eine der großen Stärken von „Andor“ ist, dass zum einen auch jene ohne diese vertiefte Kanon-Kenntnis mitgenommen werden, gleichzeitig aber auch die anderen überrascht werden.

Ghorman ist ohnehin ein sehr gutes Beispiel für die Stärken der kompletten zweiten Staffel von „Andor“. Mit der Nennung wird Spannung aufgebaut. Wenn wir Ghorman dann in einer späteren Folge das allererste Mal erblicken, können wir uns direkt in einer atemberaubenden visuellen Inszenierung verlieren. Die Darstellung als Sci-Fi-Variante südeuropäischer Städte mit großen, marmorbefließten und von Tauben bevölkerten Plätzen hilft mit ihrer Vertrautheit direkt dabei, sich ein Bild von der hier mit Mode ihr Geld verdienenden Bevölkerung zu machen. Gleichzeitig ist es aber trotzdem eine Neuentdeckung und eine weitere Welt, wie wir sie in „Star Wars“ noch nicht gesehen haben.

Selten war "Star Wars" so gut und berührend wie auf Ghorman

Über mehrere Folgen kehren wir immer wieder für unterschiedliche kleine Geschichten nach Ghorman zurück. Das erhöht die Wirkung, wenn schließlich die abscheulichen Ereignisse ihren Laufen nehmen, die Ghorman zu einem Symbol der Rebellion machen werden. Wir wollen hier nicht zu viel vorwegnehmen, aber selten war „Star Wars“ so gut und so berührend wir in jener Episode, in der die Lage auf Ghorman eskaliert und es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt.

Der hier verantwortliche Regisseur Janus Metz hat sich einst für „Camp Armadillo“ mitten unter Soldaten im Einsatz in Afghanistan gewagt. Seine dokumentarische Handschrift verstärkt die Wirkung der immer weiter eskalierenden Situation. Er schafft immer wieder maximale Nähe, indem er die Kamera mitten in die sich fürchtende Menschenmasse platziert. Ein Chaos-Gefühl entsteht, der volle Impact der Gewalt ist zu spüren. Die Action ist so zu keiner Sekunde steril, sie reißt mit – und am Ende lässt es einen durchgeschüttelt und mit Gänsehaut zurück. So emotional war „Star Wars“ selten.

Cassian und Bix zusammen im Einsatz. Disney und seine verbundenen Unternehmen
Cassian und Bix zusammen im Einsatz.

Die angesprochenen Ghorman-Szenen erinnern zwar gleich in mehrfacher Hinsicht (auch aufgrund einiger beteiligter Personen) an das Finale auf Ferrix in der ersten Staffel, doch es wirkt nie wie eine Wiederholung. Mehrfach wird in der zweiten Staffel „Andor“ auch mal eine solche Parallele zu früheren Ereignissen gezogen, aber dem Ganzen trotzdem ein neuer Dreh verliehen. In der ersten Staffel folgten wir bekanntlich über mehrere Episoden der minutiösen Vorbereitung eines Heists. In der zweiten Season gibt es derer sogar gleich zwei, die unabhängig voneinander parallel stattfinden. Doch diesmal sind es keine lange geplanten, zumindest semi-professionellen Operationen. Das eine ist eine Unternehmung absoluter Amateure, das andere ein improvisierter Mini-Diebstahl während einer Party.

Die zweite Staffel „Andor“ punktet nicht nur mit Hochspannung, sondern teilweise auch mit überraschend viel Humor – und das nicht erst, wenn ein bestimmter, mit trockenen Aussagen auftrumpfender Kampfroboter endlich das erste Mal die Bildfläche betritt. Gerade in den ersten drei Episoden macht sich Gilroy über die hier noch unorganisierte Rebellion lustig, in der sich eine überforderte Kampfzelle auch mal fleißig gegenseitig dezimiert.

Zeitsprünge in "Andor: Staffel 2": Diskussionen vorprogrammiert

Das erfolgt nie zum Selbstzweck, sondern hat auch eine erzählerische Funktion. Ganz nebenbei erzählt „Andor“ so nämlich vom Wachsen und der Professionalisierung der Rebellion. Herrscht zu Beginn das pure Chaos, weil niemand weiß, was die anderen tun und man sich sogar ins Gehege kommt, ist später alles straff (und nicht nur nach Meinung von Cassian Andor zu straff) durchorganisiert.

Die Entwicklung dahin erfolgt aber in Sprüngen. Jedes Mal, wenn wir eine Rebellenbasis sehen, ist alles einen Schritt weiter. Den Prozess selbst erleben wir allerdings nicht. Damit sind wir auch bei der extrem verdichteten Erzählstruktur, welche die zweite Staffel von „Andor“ begleitet. Die jeweils nach drei Episoden erfolgenden Zeitsprünge führen dazu, dass wir viele Hauptfiguren immer wieder neu kennenlernen dürfen oder müssen. Was ist ihnen in der Zwischenzeit widerfahren? Was hat sie womöglich deutlich verändert?

Ein veränderter Cassian nimmt neue Mitstreiter*innen für die Rebellion unter die Lupe. Disney und seine verbundenen Unternehmen
Ein veränderter Cassian nimmt neue Mitstreiter*innen für die Rebellion unter die Lupe.

Gerade zu Beginn ist es ungemein reizvoll, auf kleine Details und Anspielungen zu achten. Wenn die Imperialen beginnen, ihren Plan für Ghorman zu formen, bringen zum Beispiel Geheimdienst, Militär, Propagandaabteilung und weitere Dienste ihre eigenen Sichtweisen ein. Obwohl wir später nur eine einzige Perspektive davon noch verfolgen, ist es spannend, nebenbei die Resultate einiger anderer Ideen mitzubekommen.

Doch gerade in den späteren Folgen zeigen sich auch die Schwächen dieses Modells. Einige Sinneswandel erfolgen sehr plötzlich, wirken unglaublich sprunghaft und manchmal auch unmotiviert. Dazu kommt, dass es sehr viele Figuren gibt, denen irgendwie Rechnung getragen werden muss. Immer wieder hat man so das Gefühl, dass diese oder jene Szene 30 Sekunden oder eine Minute zusätzlich vertragen könnte. Eine eigentlich emotionale Trennung wird so fast schon beiläufig abgehakt. Es gibt sogar eine bei Fans sehr beliebte Figur, die nach den ersten drei Episoden plötzlich verschwindet und sehr, sehr lange Zeit nicht einmal mehr erwähnt wird.

Star Wars: Andor
Star Wars: Andor
Starttermin 2022-09-21
Serie: Star Wars: Andor
Mit Diego Luna, Stellan Skarsgård, Genevieve O'Reilly
User-Wertung
4,2
Auf Disney+ streamen

Es wird zudem sicher für Diskussionen sorgen, dass durch diesen Erzählstil einige entscheidende Momente, denen „Star Wars“-Fans in „Andor“ entgegenfiebern, gar nicht gezeigt werden, sondern Off-Screen zwischen den Episoden-Paketen stattfinden. Die zweite Staffel von „Andor“ lässt so überraschend große Lücken, die Lucasfilm zwar später vielleicht in Romanen und Comics erkunden könnte. Beim Anschauen von „Andor“ selbst verlangt dies aber durchaus erst Mal ein starkes Mitdenken des Publikums.

Am Ende bleibt es schwierig zu sagen, ob dieses Erzählkonzept Fluch oder Segen ist. So spannend es in einem Moment ist, das eigene Kopfkino anzuwerfen und sich zu überlegen, was diese oder jene Figur verändert haben könnte oder was eine beiläufige Erwähnung zu bedeuten hat, so frustrierend ist es an anderer Stelle, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.

Getragen von einem erneut herausragenden Cast

Was aber über jeden Zweifel erhaben ist, ist einmal mehr die Besetzung. Diego Lunas Cassian Andor ist zwar eine Art Knotenpunkt, bei dem die Ereignisse immer wieder zusammenlaufen, aber trotz des Titels noch stärker als in der ersten Season nicht mehr der Protagonist. Es gibt in dem Ensemblestück sogar eine komplette Episode ohne ihn. Immer wieder rücken auch Figuren aus der zweiten Reihe nach vorne. So bekommt Luthen Raels rechte Hand Kleya plötzlich eine umfangreiche Erzählung, in welcher Darstellerin Elizabeth Dulau brillieren kann.

Es fällt schwer, einzelne Schauspieler*innen herauszuheben. Es sind mehr die Momente, die besonders in Erinnerung bleiben. Gerade Denise Gough bekommt als eiskalte Bürokratin davon eine Menge – und zwar egal, ob sie Syrils Mutter in ihre Schranken weist oder das vielleicht erste Mal Gefühle im Beruf zulassen muss. Auch Genevieve O'Reilly hat einige dieser besonders herausstechenden Momente – ob bei der bestimmten Rede im Senat, die Hardcore-Fans mit Spannung erwarten, oder beim bewusst mit Alkohol vernebelten Tanzrausch auf der von ihr abgelehnten Hochzeit der eigenen Tochter.

Die Hochzeit ist ein früher visueller Höhepunkt von Disney und seine verbundenen Unternehmen
Die Hochzeit ist ein früher visueller Höhepunkt von "Andor".

Die mit viel Präzision und Liebe zum Detail inszenierte, überbordende Feier, in welcher chandrilanische Traditionen auf Disco-Beats treffen, ist übrigens auch eine jener Sequenzen, in denen „Andor“ auf dem absoluten Höhepunkt ist und man sich gar nicht entscheiden kann, ob man sich einfach nur der visuellen Brillanz hingibt oder aufmerksam all den kleinen Details und ausgetauschten, doppeldeutigen Blicken folgt.

Fazit: Die zweite Staffel von „Andor“ sieht nicht nur sensationell aus und bietet eine Vielfalt von erstklassig in Szene gesetzten Schauplätzen. Sie ist auch spannend, berührend und bisweilen sogar richtig witzig. Die Serie gehört damit zum Besten, was es bei „Star Wars“ gibt. Doch trotzdem bleibt am Ende die Frage: Verhindert gerade das, was „Andor“ so besonders macht – die kühne Verdichtung –, dass die Serie zum Meisterwerk wird?

So erscheinen die „Andor“-Folgen auf Disney+

Zum Abschluss haben wir noch einen kompakten Überblick für euch, wann ihr jeweils die neuen „Andor“-Folgen auf Disney+ streamen könnt:

  • am 23. April erscheinen die Episoden 1 bis 3
  • am 30. April folgen die Episode 4 bis 6
  • am 7. Mai ist die Veröffentlichung der Episoden 7 bis 9
  • am 14. Mai kommt der Abschluss mit den Episoden 10 bis 12

Die Episoden sollten immer ab 3.00 Uhr in der Nacht bei Disney+ vorhanden sein. Wer will kann also bereits richtig früh loslegen.

*Bei diesem Link zu Disney+ handelt es sich um einen Affiliate-Link. Mit dem Abschluss eines Abos über diesen Link unterstützt ihr FILMSTARTS. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.

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