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    Ersteindruck zu "Deutschland 86": Der DDR-James-Bond ist zurück

    Nachdem „Deutschland 83“ seine Premiere noch bei RTL feierte, ist bei der 2. Staffel „Deutschland 86“ nun Amazon am Drücker. Das macht sich in den ersten zwei neuen Folgen der deutschen Ost-West-Spionage-Serie durchaus schon bemerkbar.

    UFA FICTION GmbH / Anika Molnár / Amazon

    Dass Serien eine neue Heimat finden, wenn die Zuschauerzahlen ihren ursprünglichen Anbieter nicht ausreichend zufriedenstellen, ist heutzutage keine Seltenheit mehr. Doch der Werdegang von „Deutschland 83“ bzw. der nun startenden Fortsetzung „Deutschland 86“ ist dennoch recht ungewöhnlich. Ursprünglich von RTL produziert, wurde die Agenten-Serie noch vor ihrer hiesigen Fernsehausstrahlung an den US-Sender SundanceTV verkauft und feierte so trotz ihrer Herkunft nicht etwa im deutschen, sondern im US-Fernsehen ihre TV-Premiere. Fast ein halbes Jahr und so manche Lobeshymne später lief sie dann erst bei RTL – mit mäßigem Erfolg, wodurch die damals bereits angedachte zweite Staffel auf der Kippe stand. Auftritt: Amazon. Der Online-Riese sprang in die Bresche, um als neuer starker Partner die Produktion von „Deutschland 86“ möglich zu machen und das Ganze nun, drei Jahre nach Staffel eins, auch als Erster zu zeigen (RTL folgt dann irgendwann 2019). Trotz einer neuen und größeren Geschichte ist dabei – zum Glück – vieles beim Alten geblieben.

    So geht's in "Deutschland 86" weiter

    Nachdem er als DDR-Spion in der Bundeswehr seine Tarnung auffliegen ließ, um einen möglichen Krieg zwischen Ost und West zu verhindern, wurde HVA-Agent Martin Rauch (Jonas Nay) nach Afrika verbannt. Drei Jahre später bittet ihn seine verzweifelte Tante Lenora (Maria Schrader) aber erneut um Hilfe. Im Heimatland der beiden hat sich inzwischen einiges verändert. Der Staat ist nahezu pleite und um sich aus der Krise zu befreien, liebäugelt man gar mit kapitalistischen Experimenten. Dazu gehört auch ein fingierter Deal mit westdeutschen Waffen in Südafrika, in den Martin nun verwickelt wird. Doch läuft dabei nur wenig nach Plan und so findet sich Martin bald nicht nur in einem Stellvertreterkrieg auf dem afrikanischen Kontinent, sondern auch in einer Grundsatzkrise wieder, die ihn über Umwege schließlich zurück in die DDR führen wird.

    Spionage-Thriller mit internationalem Flair

    Auch wenn es in „Deutschland 83“ natürlich schon um einen Konflikt mit globalen Ausmaßen ging, ist die Geschichte von „Deutschland 86“ nun noch ein ganzes Stück internationaler, woran gerade in dieser aufwändig inszenierten Form auch die Beteiligung Amazons nicht ganz unschuldig sein dürfte. BRD und DDR werden hier zunächst zu Nebenschauplätzen, das Hauptgeschehen um die beiden Protagonisten Jonas und Lenora konzentriert sich stattdessen auf Afrika (wo die Staffel auch tatsächlich zur Hälfte gedreht wurde). Recht opulent werden hier vom neuen Regisseur Florian Cossen („Das Lied in mir“, „Coconut Hero“), der gemeinsam mit Arne Feldhusen („Stromberg“, „Der Tatortreiniger“) die Regie-Nachfolge in Staffel zwei angetreten hat, Landschafts- und Städtepanoramen des schwarzen Kontinents eingefangen, sodass visuell direkt wesentlich mehr Abwechslung geboten wird als noch in der ebenfalls schon toll bebilderten ersten Staffel.

    Doch obwohl auch dadurch diesmal ein größerer Bogen gespannt wird, behält „Deutschland 86“ die Kernkompetenz der Auftaktstaffel bei. So nutzt Chefautorin Anna Winger (selbst übrigens gebürtige US-Amerikanerin) auch diesmal wieder die realen historischen Hintergründe nicht für eine allzu akribische Geschichtsstunde, sondern vor allem als Rahmen für einen packenden (fiktiven) Spionage-Thriller, der mit einer modernen Leichtigkeit daherkommt, die hiesigen Produktionen oftmals abgeht. Und auch wenn die Unterhaltung so ganz klar im Vordergrund steht und Winger und ihr Regie-Duo sich auch einige mal besser, mal weniger gut platzierte humoristische Einschübe nicht verkneifen können, wird die damalige Situation keinesfalls verklärt. Die Macher halten sich vielleicht nicht immer sklavisch an ihr geschichtliches Tableau, fangen die Eigenheiten der beiden rivalisierenden System im Kalten Krieg jedoch sehr treffend ein.

    Hauptplot vs. Nebenplots

    Der einzige Bremsklotz beim ansonsten wieder hohen Tempo ist zumindest zu Beginn noch eine leichte Ziellosigkeit, gerade im Vergleich zu Staffel eins. Während in letzterer ziemlich schnell klar war, wie die Mission für die Hauptfigur aussieht, werden in „Deutschland 86“ nun erst einmal jede Menge lose und weniger lose Enden wieder aufgegriffen und verschiedene Spieler neu in Stellung gebracht, um sich etwas langsamer an die Antwort auf die Frage heranzutasten, wer hier eigentlich was genau will. Um wirklich alle zentralen Figuren der ersten Staffel wieder vorkommen zu lassen (auf die eine oder anderen hätte man hier sicherlich verzichten können), geht damit auch einher, dass deren Handlungsstränge zumindest am Anfang eigenständig und etwas zäh neben dem interessanteren Hauptplot her laufen. Wie schwerwiegend das am Ende aber wirklich ist, hängt letztlich davon ab, wieviel Zeit sich genau gelassen wird, um alles wieder zusammenzuführen.

    Am stärksten ist nämlich auch „Deutschland 86“ wieder in den Erlebnissen von Martin Rauch selbst, der erneut von einer brenzligen Situation in die nächste stolpert. Schon in der ersten Staffel machte Martin einen Wandel vom naiven, weltfremden und systemkonformen DDR-Jungen zum kritischeren Spion mit wachsendem Selbstvertrauen durch, für den sich der Blick auf die Dinge mit einem Auftrag im Westen erstmals erweitert hat. Diese Entwicklung wird nun konsequent weiterverfolgt. Dass er von seiner Regierung, ohne Kontakt zu seiner Familie und seinem kleinen Sohn, ins Exil abgeschoben wurde, hat seine zunehmende Skepsis Autoritäten gegenüber jedenfalls nicht gemindert. Bei seiner nun auch globaleren Spionage-Arbeit geht Martin wesentlich abgebrühter, fast schon lässig zu Werke – was aber nicht bedeutet, dass er nicht auch regelmäßig impulsiv auf gewisse Umstände reagiert und sich gerade dadurch des Öfteren erst recht in Schwierigkeiten bringt. Dass er währenddessen zudem auch gerne mal Frauen um den Finger wickelt, erzeugt endgültig ein wenig James-Bond-Vibe. Darsteller Jonas Nay fährt hier, gerade im Zusammenspiel mit der wundervollen Maria Schrader, erneut zu einnehmender Höchstform auf, mit der er die Serie weiterhin spielend tragen kann.

    Fazit

    „Deutschland 86“ ist wie schon „Deutschland 83“ keine allzu hohe, aber dafür verdammt spannende und schön anzusehende Serien-Kunst, die sich nach wie vor so leichtfüßig und unterhaltsam im Spionage-Genre bewegt, wie man es aus Deutschland selten kennt. Wer die erste Staffel mochte, dürfte daher auch bei der größeren zweiten wieder viel Spaß haben, mit Martin Rauch mitzufiebern, und sich anschließend umso mehr auf die bereits angekündigte dritte Staffel „Deutschland 89“ freuen.

    Alle zehn Folgen von „Deutschland 86“ stehen ab sofort bei Amazon Prime Video zum Abruf bereit. Und auch „Deutschland 83“ kann dort nach wie vor gestreamt werden.

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