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    Amazons Nazijäger-Serie "Hunters": Das steckt hinter der Kontroverse ums brutale Todesschach

    Es ist eine Szene, die an die Nieren geht, als in der ersten Folge der Serie „Hunters“ KZ-Häftlinge gezwungen werden, sich als Schachfiguren gegenseitig zu metzeln. Diese Szene wird sehr kontrovers diskutiert.

    Amazon Studios

    In „Hunters“ findet Jonah Heidelbaum (Logan Lerman) nach dem Tod seiner Großmutter heraus, dass eine von dem reichen Meyer Offerman (Al Pacino) geleitete und finanzierte Gruppe es sich zur Aufgabe gemacht hat, in den USA untergetauchte Nazis aufzuspüren und zu töten.

    Schon in der Auftaktfolge der neuen Serie von Streamingdienst Amazon gibt es mehrere brutale Szenen. Besonders sticht dabei eine Rückblende heraus. Meyer Offerman erzählt Jonah eine Erinnerung aus seiner Zeit in Auschwitz, wo ein sadistischer Wärter so davon besessen ist, einen jüdischen Schachgroßmeister zu besiegen, dass er die Häftlinge als Figuren für eine Reihe von Partien missbraucht. Mit einem Rasiermesser in der Hand sind die KZ-Insassen dabei gezwungen, ihre Leidensgenossen zu töten, wenn eine „Schachfigur“ die andere schlägt.

    Fiktives Todesschach

    Im KZ Auschwitz wurden die grausamsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte verübt, es gibt viele überlieferte Fälle von besonders sadistischen Wärtern, die die Insassen erniedrigten und folterten. Doch ein solches Todesschach ist nicht überliefert. Serienerfinder David Weil hat es sich ausgedacht.

    Das Museum Auschwitz-Birkenau kritisiert deswegen auf Twitter die Serie und verweist auf die vielen, durch Überlebende dokumentierten echten Fälle von Grausamkeiten. Etwas dazu zu erfinden sei gefährlich, weil es auch Holocaust-Leugnern eine Angriffsfläche biete.

    Nicht nur der Tweet des Auschwitz Museums wurde auf Twitter zahlreich geteilt, sondern es finden sich auch viele Usermeinungen, die das ähnlich sehen. Auch in vielen Besprechungen wird gefragt, warum es nötig sei, den real schon maximal schrecklichen Holocaust so zu fiktionalisieren – und wie gefährlich das ist, zumal es im Verlauf der Serie noch weitere Rückblenden zu fiktiven, grausamen Taten in Konzentrationslagern gibt.

    So reagiert der Serienmacher

    Autor David Weil hat mittlerweile eine sehr lange Stellungnahme abgegeben. Weil, selbst Nachfahre von Holocaust-Überlebenden, verteidigt sich unter anderem damit, dass er bewusst fiktionalisiert habe, weil er gerade vermeiden wollte, dass seine Serie als Nacherzählung der Erlebnisse realer Personen missverstanden wird.

    So seien die Tattoos der Überlebenden (wie zum Beispiel von Meyer Offermann) bewusst Nummern größer als 202.499, denn das war die höchste Nummer, die laut Akten einem Auschwitz-Häftling gegeben wurde. So vermeide David Weil, dass eine seiner Serienfiguren zufällig die Nummer eines echten Auschwitz-Toten oder -Überlebenden trage.

    Christopher Saunders / Amazon Studios

    Auch zum „Todesschach“ nimmt er konkret Stellung: „Warum dachte ich, dass es notwendig ist, ein fiktionales Ereignis zu erfinden, wenn es doch so viele reale Horror-Taten gibt? Schließlich stimmt es, dass die Nazis umfassende und extreme Sadismus- und Folter-Taten begingen – und selbst Fälle von grausamen ‚Spielen‘ sind bekannt. Ich wollte einfach nicht diese spezifischen, echten, traumatischen Taten zeigen.“ Weil erklärte übrigens weiter, dass er die Diskussionen erwartet habe.

    Direkt auf die Verteidigung von Weil hat das Auschwitz Museum nicht reagiert, auf Twitter ist man aber mehrfach in Diskussionen mit Nutzern eingestiegen, bei denen auch ähnliche Verteidigungen wie durch den Serienerfinder angeführt wurden. Und darunter findet sich auch eine naheliegende Lösung, wie Weil das Problem, mit dem er ja rechnete, hätte umgehen können:

    Wenn er schon – mit ja einer durchaus verständlichen Begründung – eine fiktionalisierte Version zeigen will, warum dann die erfundenen Grausamkeiten an den Ort realer Grausamkeiten koppeln? Warum hat er dann nicht einfach auch ein fiktives KZ genutzt?

    Gerade da „Hunters“ durch und durch fiktionalisiert ist, hätte sich das angeboten. Schließlich ist die thematisch an „Inglourious Basterds“ angelehnte Serie mehr überzeichneter Pulp als irgendwie historisch. So sind zum Beispiel die Nazis in der Serie nicht einfach nur untergetaucht, sondern arbeiten daran, ein Viertes Reich in den USA aufzubauen.

    „Hunters“ ist wie die Amazon-Serie „The Man In The High Castle“ in einer alternativen Realität angesiedelt – mit einem großen Unterschied. Während das in der vorherigen Amazon-Serie offensichtlich war, ist es bei der neuen Serie mit Pacino auf den ersten Blick nicht zu bemerken – vor allem, wenn man die Serie direkt schaut und sich nicht den Trailer vorher anschaut, in dem die Überzeichnung deutlicher wird. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen, bei vielen Ereignissen in „Hunters“ stellt man sich als Zuschauer direkt die Frage, ob es das real gab oder es erfunden wurde.

    „Hunters“ steht seit dem 21. Februar 2020 auf Amazon Prime Video zur Verfügung.

     

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