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    "Lupin" Teil 2: Der Netflix-Hit hat seinen Erfolg nicht verdient

    Bereits in Teil 1 war „Lupin“ voll von kleinen und großen Logiklöchern. Doch Teil 2 treibt den Irrsinn auf die Spitze. Assane wird uns zwar als genialer Gauner präsentiert, letzten Endes hat er aber mehr Glück als Verstand.

    Netflix

    +++ Meinung +++

    Lupin“ ist eine der erfolgreichsten Netflix-Serien des Jahres und auch wenn ich die Anziehungskraft des charmanten Gauners durchaus nachvollziehen kann, so halte ich die enorme Popularität der französischen Serie dennoch für unverdient.

    Schon bei den ersten fünf Episoden hat es mich gestört, dass Assane Diops (Omar Sy) Pläne oft nur deshalb funktionieren, weil er schweinemäßig viel Glück hat oder die Menschen in seiner Umgebung dessen lächerliche Verkleidungen nicht durchschauen. Schon damals habe ich in einem Meinungsartikel erklärt, dass es einzig und allein Sys charmantem Schauspiel zu verdanken ist, dass die hanebüchenen Pläne des Kriminellen halbwegs glaubhaft rüberkommen.

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    Trotz aller Kritik hatte ich aber auch meinen Spaß mit den ersten Folgen. Schließlich ist die Serie stilsicher inszeniert, die Parallelmontagen zwischen Assanes Gegenwart und Jugend lockern die Erzählstruktur geschickt auf, und die Handlung rund um einen genialen Dieb, der sich an einem mächtigen Großkapitalisten rächen will, der für den Tod seines Vaters verantwortlich ist, bietet zumindest im Ansatz einen spannenden emotionalen Kern.

    Aus all diesen Gründen habe ich mich also durchaus etwas auf Teil 2 gefreut. Doch beim Schauen der neuen Folgen merkte ich, wie egal mir die Geschichte mit der Zeit wurde. Der Grund dafür: „Lupin“ hat mit jeder Folge ein weiteres Stück Glaubwürdigkeit verloren.

    Assanes größte Waffe sind falsche Schnurrbärte

    Vorsicht, es folgen Spoiler zu „Lupin“ Teil 2!

    Ja, „Lupin“ hat seine Stärken, aber sie alle leiden darunter, dass sich die Autor*innen wohl nicht im Geringsten darum geschert haben, ob Assanes spektakuläre Coups glaubwürdig sind oder nicht. Jedes Mal, wenn Assane sich erneut eine billige Verkleidung überwirft und ihn niemand erkennt, muss ich mir erneut an den Kopf fassen.

    In Teil 1 konnte ich darüber hinwegsehen, weil Assane darin noch ein unbekannter Gauner war. Aber in Teil 2 prangt sein Gesicht auf der Frontseite jeder Tageszeitung und auch im Fernsehen wird sein Phantombild der Öffentlichkeit gezeigt.

    Die Mehrheit der Pariser Bevölkerung sollte mittlerweile wissen, wie Assane aussieht, doch das einzige, was er tut, um sich zu verstecken: Er zieht sich seine Kapuze über und läuft unbehelligt durch die Stadt. Noch krasser wird es im großen Finale, als Assane ein Theater infiltriert, bei dem sein Erzfeind Pellegrini, einer der mächtigsten Männer Frankreichs, extra ein Sicherheitsteam angeheuert hat, um speziell nach ihm zu suchen.

    Emmanuel Guimier/Netflix

    Assane ist 1,90 Meter groß und Schwarz: Er sollte in der überwiegend weißen High Society von Paris einfach auffallen wie ein bunter Hund. Doch selbst nach seinem großen Auftritt auf der Theaterbühne läuft er einfach durch die Menschenmassen, ohne dass ihn irgendjemand versucht aufzuhalten. Anschließend zieht er sich Dreadlocks und einen Vollbart über und schon kann er sich vor eine Gruppe Polizisten stellen und ihnen aus nächster Nähe ins Gesicht sagen, dass er den Gauner, den sie alle suchen, flüchten sehen hat – und sie alle doch bitte mal in diese eine spezielle Richtung laufen sollen.

    Ernsthaft? Die Polizisten suchen in diesem Moment explizit nach Assane und schöpfen nicht den geringsten Verdacht, dass ein Typ, der bis auf Frisur und Bart genau so aussieht wie er, sie weglockt? Zumal Assane mittlerweile für seine Verkleidungen bekannt sein sollte und sie darüber hinaus auch noch extrem unecht wirken.

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    So, genug zu den miesen Verkleidungen und ich spare mir jetzt mal eine ähnliche Abhandlung über den wahnsinnigen Plan, irgendeinen zufälligen Teenager in der Bibliothek aufzugabeln und ihn als Investmentbanker-Wunderkind auszugeben, das sich innerhalb von nur drei Wochen das Vertrauen Pellegrinis erschwindelt und sich plötzlich um dessen Finanzen kümmern darf.

    Von Beginn an war „Lupin“ voll von solchen an den Haaren herbeigezogenen Handlungsverläufen, die ich auch schon in meinen oben erwähnten Texten zu Teil 1 kritisch besprochen habe. Doch mit jeder weiteren dieser seltsamen Wendungen fiel es mir schwerer, die Geschehnisse auf dem Bildschirm zu akzeptieren, sodass ich letztlich auch emotional gar nicht mehr bei der Sache war.

    Darum ist die fehlende Glaubwürdigkeit ein Problem von "Lupin"

    Jetzt könnte man sagen, dass die Glaubwürdigkeit nicht so wichtig sei, wenn die Serie gut unterhält. Doch erstens macht man es sich damit schon sehr einfach: Immerhin schließen sich Glaubwürdigkeit und Unterhaltung nicht aus. Würde ich meine Ansprüche an eine nachvollziehbare Handlung herunterschrauben, dann wäre es unfair gegenüber all denjenigen Serienautor*innen, die sich mehr Mühe geben, eine glaubwürdige Erzählung zu kreieren.

    Außerdem entsteht noch ein weiteres Problem: Assane wirkt dadurch nicht wie der genialer Gauner, den er ja eigentlich darstellen soll, sondern alle um ihn herum wirken wie die größten Idioten. Das schadet der sonst so coolen Figur, die ja allein schon durch ihren unverkennbaren Look und ihren so charismatischen Schauspieler das Potenzial zu einer echt starken Netflix-Ikone gehabt hätte.

    Stattdessen endet „Lupin“ für mich höchstens im Mittelmaß: Der Netflix-Hit ist zwar kurzweilig und unterhaltsam, doch ernst nehmen kann ich die Serie spätestens nach ihrem enttäuschenden Finale überhaupt nicht mehr.

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