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    Star Trek Into Darkness
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Star Trek Into Darkness
    Von Carsten Baumgardt

    Die Staubschicht, die das „Star Trek“-Franchise zum Zeitpunkt des letzten Captain-Picard-Abenteuers „Nemesis“ im Jahr 2002 angesetzt hatte, war nicht mehr zu ignorieren. 2009 setzte „Lost“-Erfinder J.J. Abrams alle Regler auf Null zurück und schuf mit dem rasanten „Star Trek: Die Zukunft hat begonnen“ einen furiosen Neuanfang der Saga, deren Geburtsstunde 1966 mit der aus heutiger Sicht eher trashigen TV-Serie „Raumschiff Enterprise“ geschlagen hat. Nachdem Abrams das einst von Gene Roddenberry erschaffene „Star Trek“-Universum mit einem Donnerhall in die filmische Gegenwart katapultierte, steigt er im zweiten Reboot-Teil nun richtig aufs Gas, eignet sich den Stoff noch stärker an und führt die Reihe auf eine ganz neue Ebene. „Star Trek Into Darkness“ kommt im Gewand eines monströs dimensionierten Superhelden-Epos daher, die Action im Stil aktueller Comic-Blockbuster hat gegenüber den klassischen „Star Trek“-Elementen die Oberhand, aber insgesamt verfügt „Into Darkness“ noch über genügend Roddenberry-DNS, um den Großteil der eingefleischten Trekker nicht zu vergrämen. Dieser zweite „Star Trek“-Film von J.J. Abrams ist ein emotional aufgeladenes, hochmodernes Terrorismus-Drama und ein enorm temporeicher 3D-Science-Fiction-Actioner mit bombastischen Schauwerten.

    Die Crew des Raumschiffs „Enterprise“ ist auf einer Observierungsmission in den Weiten des Weltalls unterwegs. Dabei verstößt die Mannschaft von Captain James T. Kirk (Chris Pine) jedoch gleich doppelt gegen die Oberste Direktive der Föderation: die Nicht-Einmischung in Angelegenheiten fremder Kulturen und Spezies. Der Erste Offizier Spock (Zachary Quinto) lässt sich in das Herz eines brodelnden Vulkans bringen, um die Lavaflut zu stoppen, die die Bevölkerung des Planeten Nibiru auslöschen würde. In letzter Sekunde setzt Kirk alles auf eine Karte und rettet Spock vor dem sicheren Tod - zu einem hohen Preis. Die entwicklungstechnisch auf der Stufe von Primaten stehenden Bewohner bekommen die „Enterprise“ zu Gesicht, womit Kirk seinerseits massiv in die Evolution des Volkes eingreift. Zurück auf der Erde des 23. Jahrhunderts muss er sich dafür verantworten. Sein Mentor Admiral Pike (Bruce Greenwood) entzieht ihm das Kommando der „Enterprise“ und stuft ihn auf den Rang eines Ersten Offiziers zurück. Doch die Wirren eines verheerenden Terroranschlags, der London erschüttert, sollen alles verändern. Drahtzieher hinter der Attacke ist der ehemalige hochrangige Sternenflotten-Offizier John Harrison (Benedict Cumberbatch), der zum Planeten Kronos in klingonisches Territorium flieht. Kirk holt sich das „Enterprise“-Kommando zurück und jagt den brandgefährlichen Harrison, hinter dem weit mehr steckt als seine menschliche Sternenflotten-Offizier-Hülle verrät…

    Die Vorgeschichte ist abgehakt und der Ballast des Alles-Erklären-Müssens abgeworfen, die Unstimmigkeiten zwischen den parallelen „Star Trek“-Universen aus Abrams‘ erstem Film sind vergessen. In „Star Trek Into Darkness“ lässt der umtriebige Regisseur die Geister der Vergangenheit, die sechs TV-Serien und zehn Kinoverfilmungen so mit sich bringen, endgültig hinter sich. Im Prinzip könnte dieser insgesamt zwölfte „Star Trek“-Kinofilm auch für sich allein stehen, selbst absolute Neulinge können sich in dieser Welt schnell zurechtfinden. Dabei hilft gleich der atemberaubende Prolog: Wie bereits bei „Star Trek: Die Zukunft hat begonnen“ wird der Zuschauer sofort mitten ins Geschehen geworfen. Dieses Mal erforscht die Crew der „Enterprise“ den primitiven Waldplaneten Nibiru, dessen faszinierender 3D-Leucht-Look an „Avatar“ erinnert (diesmal allerdings in rot), und verpasst den einheimischen Kreaturen dabei den Kulturschock ihres Lebens – ein spektakulärer Einstieg, bei dem alles stimmt. Neben dem Grundkonflikt der Sternenflotte zwischen reiner Beobachtung und schicksalsverändernder Hilfeleistung werden in wenigen Minuten wunderbar Kirks zupackende Hemdsärmeligkeit und Spocks gnadenlose Unterwerfung gegenüber den Gesetzen der Logik und des Rationalen auf den Punkt gebracht.

    Das hohe Tempo, das J.J. Abrams („Star Wars 7“, „Super 8“) gleich zu Beginn anschlägt, hält der Regisseur tatsächlich konsequent durch. „Star Trek Into Darkness“ ist ein Bombast-Blockbuster, dem man die 185 Millionen Dollar Produktionskosten jederzeit ansehen kann: Alles ist schneller, größer und epischer als im Vorgänger „Star Trek: Die Zukunft hat begonnen“. Der aus dem Wettkampfsport bekannte „Höher, schneller, weiter“-Ansatz hat aber auch bei Abrams‘ nachträglich in 3D konvertiertem Breitwand-Spektakel (ein Teil der Actionszenen wurde zudem wie bei Christopher Nolans „The Dark Knight“-Filmen mit IMAX-Kameras gedreht) durchaus Schattenseiten. So wirkt „Star Trek Into Darkness“ streckenweise wie eine vor Potenz strotzende Hochleistungsschau der Spezialeffekt-Abteilung. Die rastlose Geschwindigkeit geht mit einer im Kern extrem simplen Story einher: Die Erde wird angegriffen, Kirk und Crew jagen den Bösewicht durch das halbe Universum. Punkt. „Star Trek Into Darkness“ ist eine intergalaktische Dauerverfolgungsjagd. Da wird gesprungen, gehechtet, gerannt, gekämpft und geschossen bis die Hacken qualmen und die Phaser glühen. Passend zum Schauplatz (weite Teile spielen sich in den sprichwörtlichen unendlichen Weiten des Alls ab) sind das Produktionsdesign und die Bilder von Kameramann Daniel Mindel („Mission: Impossible 3“, „John Carter“) überirdisch groß dimensioniert und von monumentaler Wucht.

    Das pompöse Action-Getöse erinnert an Comicfilm-Spektakel wie „The Avengers“ oder „The Dark Knight“, besonders imposant sind die Zerstörungsorgien auf der Erde, in London und in San Francisco. Abrams springt von einer Krise zur nächsten, von einer Katastrophe in die andere, der Weltuntergang wird zum Dauerzustand. Dieser martialische Marathon führt aber nur im Mittelteil zu kleinen Ermüdungserscheinungen, denn bei allen Effekt-Exzessen vergisst Abrams die emotionale Grundierung nicht. Die spektakulären terroristischen Angriffe auf die Erde hallen in den Dialogen auf der „Enterprise“ nach, wo sich das große Drama zwischen den Figuren abspielt. Besonders die aufkeimende Freundschaft zwischen den Protagonisten Kirk und Spock wird sorgsam weiterentwickelt, was in einer herzzerreißenden gemeinsamen Szene kulminiert, die zudem eine wundervolle Hommage an „Star Trek: Der Zorn des Khan“ von 1982 ist, den zweiten klassischen Kinofilm der Reihe. Damals haben die Macher mit dem Opfertod von Spock die komplette Fangemeinde geschockt. Abrams setzt zu einem ähnlichen Paukenschlag an, aber Genaueres soll hier fairerweise nicht verraten werden.

    J.J. Abrams hat sich „Star Trek“ ganz unmissverständlich zu eigen gemacht und ein neues Universum auf Basis des alten konstruiert. Er gibt auch klassischen „Star Trek“-Themen einen neuen Dreh. Die Art, wie er Fragen nach individueller Identität und Verantwortung sowie nach den Grenzen von Wissenschaft, Technik und Moral verhandelt, erinnert eher an seine ebenfalls actionbestimmten Serien „Alias“, „Fringe“ und „Lost“ als an den klaren philosophischen Touch, der insbesondere die Serie „Star Trek: The Next Generation“ so großartig machte. Hier gibt es keine ausführlichen und rhetorisch ausgefeilten Grübeleien in der Kabine des Kapitäns, es wird vielmehr oft nur im Durcheinander der Attacken geschrien. Aber die sparsam eingesetzten Worte sind hier dennoch mit deutlich mehr Tiefe und Tragweite versehen als in vielen handelsüblichen Actionfilmen. Das hängt auch mit dem heutzutage allgegenwärtigen Thema Terrorismus zusammen. Die Bedrohung ist akut und so ist schnelles Handeln wichtiger als langes Reden. Gerade in der Konfrontation mit dem skrupellosen Gegenspieler Harrison geht es um Fragen nach militärischer Befehlsstruktur, Loyalität, Opferbereitschaft und ganz generell um das richtige Verhalten in Kriegs- und Krisensituationen.  

    Der großartige „Star Trek: Die Zukunft hat begonnen“ hatte nur eine nennenswerte Schwäche: den blassen, rachegetriebenen Bösewicht Nero (Eric Bana). Dieses Defizit hat Abrams in „Star Trek Into Darkness“ ausgemerzt. Vollblut-Charismatiker Benedict Cumberbatch („Dame, König, As, Spion“, „Der Hobbit“) setzt seine unwiderstehliche „Sherlock“-Exzentrik ein, um aus John Harrison einen überhöhten Superbösewicht zu machen – so etwas wie einen intergalaktisch-titanischen Jim Moriarty. Dadurch bekommen die angesprochenen moralischen Untertöne hier eine ganz andere Dringlichkeit, zumal Cumberbatch seiner Figur noch einen Hauch von Bodenhaftung lässt und sie dadurch umso bedrohlicher macht. Und natürlich steckt hinter John Harrison mehr als ein einfacher Sternenflotten-Offizier, aber dazu nur so viel: Abrams ist auch hier ein kühner Klotzer und denkt in großen Dimensionen – damit beherzigt er das Grundmotiv für die Umsetzung von „Star Trek Into Darkness“.

    Neben Cumberbatch, der in dem dankbaren Part des Bösen glänzt, überzeugen auch die anderen Hauptdarsteller. Chris Pine („Jack Ryan“, „Unstoppable“) geht voll in der Rolle des James T. Kirk auf, der Weltraum-Draufgänger ist nach wie vor ungestüm und forsch, aber zugleich nimmt er aufopferungsvoll die Verantwortung für seine Crew wahr. Spock 2.0 Zachary Quinto („Margin Call“) legt die Kühle des ersten Teils immer mehr ab und wächst zu einem ebenbürtigen Partner von Kirk heran, während die Nebenfiguren sozusagen auf Stichwort punktuell ins Rampenlicht rücken. Simon Pegg („Paul“, „Shaun Of The Dead“) ist als Chef-Ingenieur Scotty für die trockenen Oneliner zuständig, Karl Urban („Der Herr der Ringe: Die zwei Türme“) darf als Bordarzt Pille (im Original: Bones) zynische Bedenken tragen und Zoe Saldana als Uhura („Avatar“) über ihre gescheiterte Beziehung mit Spock schmollen. Mit sexy Alice Eve („Crossing Over“, „Men In Black 3“) als Dr. Carol Marcus gibt es dazu einen Neuling im „Star Trek”-Universum. Die Waffenexpertin muss sich von ihrem übermächtigen Vater, Admiral Marcus (Peter „RoboCop“ Weller), emanzipieren und fügt sich gut ein. Auch das obligatorische Leonard-Nimoy-Cameo fehlt nicht, aber der Gastauftritt des alten Zukunfts-Spock fällt kleiner aus als im Teil zuvor. Auf eine Stippvisite von Ur-Kirk William Shatner warten die Fans allerdings erneut vergeblich. Aber die wäre ohnehin nur eine Randnotiz, denn „Star Trek Into Darkness“ gehört ganz den Neuen an Bord – allen voran J.J. Abrams.

    Fazit: J.J. Abrams‘ „Star Trek Into Darkness“ ist so modern und so gewaltig wie krachendes Blockbusterkino nur sein kann. Der düstere Science-Fiction-Actioner überzeugt als sehr eigenständiger zweiter Film und beeindruckt mit mörderischem Tempo sowie überwältigenden Schauwerten.

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