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    Der Auftragslover
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der Auftragslover
    Von Alex Todorov

    Warum schauen Frauen Pornos immer bis zum Schluss? Weil sie hoffen, am Ende wird geheiratet. Ein antiker Witz. In etwa so alt, wie die Story und Kalauer in „Der Auftragslover". Die werden indes mit einer solchen Verve performt, dass Pascal Chaumeils Kinodebüt zeitweise trotzdem prächtig unterhält. Gerade Hauptdarsteller Romain Duris („So ist Paris") besticht mit vollem Körpereinsatz und ohne jede Schamgrenze. Und mit François Damiens („JCVD") als Chaot vom Dienst, Héléna Noguerra als verruchtes Leckerchen sowie der beachtlich wandlungsfähigen Julie Ferrier („Micmacs") sorgen auch die Nebendarsteller für Glanzlichter. Einzig Vanessa Paradis („Die Frau auf der Brücke") frappiert durch die Ausstrahlung einer abgebrannten Kerze. Was das alles mit Pornos und Heiraten zu tun hat? Nichts. Wobei: „Der Auftragslover" ist sich nicht zu schade, am Schluss die Flucht vom Altar zu bemühen, um der Story ein Happy Ending einzuschenken. Ein Klischee wie ein alter Witz.

    Alex (Romain Duris) ist ein Gigolo besonderer Sorte. Gemeinsam mit seiner Schwester Mélanie (Julie Ferrier) und deren Ehemann Marc (François Damiens) entzweit er im Auftrag von Verwandten oder Freunden Pärchen. Im Rahmen dieses speziellen Geschäftsmodells verführt er Frauen, nicht um sie flachzulegen, sondern um ihnen die Augen zu öffnen, auf dass sie sich dann von ihren Anhängseln trennen. Der nächste Auftrag: Millionär Van Der Becq (Jacques Frantz) möchte, dass Alex die Hochzeit seiner Tochter Juliette (Vanessa Paradis) mit dem wohlhabenden Briten Jonathan (Andrew Lincoln) verhindert. Erste Recherchen ergeben dummerweise nicht nur, dass Jonathan ein makelloser Göttergatte ist, auch Zielperson Juliette scheint beseelt. Obwohl die Trennung eines glücklichen Pärchens ihren Grundsätzen entgegensteht, zwingen arge Schulden die drei, den Auftrag anzunehmen. Als Juliettes Bodyguard getarnt, weicht Alex ihr nun bei den Hochzeitsvorbereitungen in Monaco nicht mehr von der Seite. Dumm nur, dass er sich in die Zielperson verliebt...

    Exemplarisch werden zu Anfang in einer Collage Alex' Tricks und Maschen vorgeführt. Jedes falsche Wort, jede falsche Geste, jede herausgepresste Träne eine Punktlandung und ein Rädchen einer fein geschmierten Betrugsmaschinerie. So drängt sich eingangs der Vergleich mit Frank Oz' „Zwei hinreißend verdorbene Schurken" förmlich auf. Dort werfen Michael Caine und Steve Martin sämtlichen moralischen Ballast über Bord und nehmen als Hochstapler-Platzhirsche an der Riviera reiche Frauen aus. Da ist keine Lüge zu dreist, um den Damen nicht nur das Portemonnaie, sondern auch den Rock zu lüften. „Der Auftragslover" ist hingegen moralisch integre und handzahme Kost. Nicht die Beine, sondern die Augen der Damen sollen geöffnet werden. Dennoch hat ein garstiges Zitat aus Frank Oz' Schurkenstück in den Film gefunden. Denn der wahre Hochstapler erträgt auch den markerschütterndsten Schmerz stoisch zur Aufrechterhaltung seiner Lüge.

    Zugegeben, auch die Plotline „Aus Geschäft wird Liebe" hat einen verdammt langen Bart. In „Bodyguard" oder „Wie werde ich ihn los - in 10 Tagen" unterirdisch bis mittelmäßig in Variationen durchexerziert, muss schon Einiges stimmen, dass am Ende nicht ein Totalschaden zu Buche steht. Da ist Romain Duris ein Gewinn. Dabei entspricht der 1,60m-Stift nicht den typischen Castingreflexen und geht nur bedingt als Womanizer durch. Vielmehr gibt er einen schelmischen, sensiblen Weltverbesserer und Frauenversteher. Vollkommen over the top gleicht sein Alex oft einer Parodie der männlichen Hauptrolle in Liebesfilmen. Gerade wenn er eine grandiose Patrick-Swayze-Tanzeinlage aus „Dirty Dancing" vorführt. Wie überflüssig ist bei alldem der ihm verpasste pseudopsychologische Unterbau.

    Während Duris in seiner Wirkung zwischen Aufputschmittel und Aphrodisiakum changiert, geht Vanessa Paradis zweifellos als Schlaftablette durch. Ihre Sprödheit kippt schnell ins Dröge. Die Eintönigkeit mag Teil des Juliette-Charakters sein. Doof nur, dass man sich ab einem gewissen Punkt nur noch wünscht, Alex möge doch bitte ihre zügellose Freundin Sophie „pudern" und um Himmels Willen nicht das Anästhesie-Wundermittel Juliette. Einzig eine aus „Adams Äpfel" zitierte Gesangsszene haucht ihr ein wenig Seele ein. Abgesehen davon, dass Paradis nie als Schauspielwunder auffällig wurde, nimmt man ihr auch die 30-Jährige nur bedingt ab.

    Wie gut, dass die Nebenrollen sitzen. Es ist kein Geheimnis, dass Komödien vor allem darüber Extraglanz einfahren können. Man denke nur an „Hangover". So darf François Damiens rollenspielaffiner Marc mal als polnischer Klempner, mal als italienischer Rennfahrer Szenen klauen. Von einigen unsäglichen Komödien bleibt gar nur eine Nebenrolle in Erinnerung. In dem sterilen Rohrkrepierer „Zum Ausziehen verführt" wendete allein Zooey Deschanel als anarchisch-suizidgefährdete Mitbewohnerin der Hauptdarstellerin die Zuschauernarkose ab. Hier ist es nun Héléna Noguerra, die Vanessa Paradis vergessen macht und es in puncto Durchgeknalltheit fast mit Deschanel aufnimmt. Verruchtheit kann so schön sein

    Fazit: „Der Auftragslover" ist temporeich, frivol kurzweilig und mit einigen augenzwinkernden Filmzitaten garniert. Keiner der Witze ist neu, viele sind indes überzeugend aufs Parkett gelegt. Schade, dass sich das Drehbuch aber auch wirklich keinen dramaturgischen Allgemeinplatz verkneift.

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