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    Wrecked - Ohne jede Erinnerung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wrecked - Ohne jede Erinnerung
    Von Stefan Geisler

    Auch für echte Hollywood-Größen ist es eine besondere Herausforderung, einen Film fast im Alleingang zu tragen. Diese Feuertaufe mit Bravour bestanden haben etwa Tom Hanks in Robert Zemeckis' Robinsonade „Cast Away - Verschollen", Sam Rockwell in Duncan Jones' Science Fiction-Parabel „Moon" und zuletzt James Franco in Danny Boyles „127 Hours". Nun will sich auch Charakterdarsteller Adrien Brody („Der Pianist", „Splice - Das Genexperiment") in die illustre Runde der Obengenannten einreihen. In „Wrecked", dem Kino-Debüt von Michael Greenspan, der erst jüngst am renommierten American Film Institute graduierte, übernimmt Brody die Rolle eines Mannes, der hilflos eingeklemmt in einem Autowrack auf Rettung harrt. Der verzweifelte Überlebenskampf auf dem Beifahrersitz hätte ein weiteres Highlight in der vielseitigen Filmographie des Oscar-Gewinners sein können. Doch leider kann Greenspan die Spannung seines Survival-Thrillers nur zu Beginn aufrechterhalten, weshalb sich für Zugpferd Brody vor allem in der zweiten Hälfte des Films kaum noch nennenswerten Herausforderungen ergeben.

    Es ist ein ganz und gar unschönes Erwachen: Blutüberströmt findet sich ein Mann (Adrien Brody) in einem zerbeulten Autowrack wieder. Dabei kann er sich an nichts mehr erinnern – sein Gedächtnis scheint wie ausgelöscht. Beim Versuch sich zu befreien, muss er zudem entsetzt feststellen, dass sich sein Bein verkeilt hat und ihm nichts anderes übrigbleibt, als auf fremde Hilfe zu hoffen. Hunger und Durst plagen ihn und auch die drei unbekannten Leichen, die er in unmittelbarer Umgebung des Unfallortes entdeckt, machen seine Lage nicht gerade angenehmer. Als nach einiger Zeit auch noch wilde Tiere durch den Geruch der verwesenden Kadaver angelockt werden, gestaltet sich die Situation zusehends bedrohlicher...

    Gerade für einen an die Verlässlichkeit der Zivilisation gewöhnten Großstädter stellt die hoffnungslose Havarie in der Wildnis ein wahres Horrorszenario dar. Greenspan macht diese Extremerfahrung für den Zuschauer nachvollziehbar, indem er ohne Umschweife ins Geschehen einsteigt – eine Vorgeschichte gibt er dem Publikum nicht an die Hand. Ohne Wissen um Ort, Zeit und vergangene Ereignisse teilt der Beobachter die Situation des namenlosen Fremden im zerstörten Vehikel. Lediglich die im Wrack befindlichen Gegenstände, wie etwa eine geladene Pistole, sowie die drei ominösen Männerleichen und die wiederkehrende Erscheinung einer jungen Frau dienen als Hinweise auf die Geschichte des Unfallopfers. Wie es zu diesem Unglück kam, bleibt bis zur letzten Minute ein wohlbehütetes Geheimnis. Bis dahin verwendet Greenspan immer wieder kurze Rückblenden, um tröpfchenweise Licht in die dunkle Vergangenheit seines Protagonisten zu bringen.

    Die Hintergrundgeschichte spielt jedoch nur eine untergeordnete Rolle, das Hauptaugenmerk legt Greenspan genretypisch auf den Kampf ums nackte Überleben. Wie auch schon Boyles „127 Hours" kann „Wrecked" vor allem dann faszinieren, wenn Hunger, Durst und wiederkehrende Angstzustände Körper und Psyche der Hauptfigur immer mehr zusetzen. Leider befreit Drehbuchautor Christopher Dodd seinen Gefangenen jedoch viel zu früh aus seiner misslichen Lage, was dem Film schließlich die Intensität raubt. Mit der wiedergewonnenen Handlungsfähigkeit geht die Ausweglosigkeit der Situation als Spannungsgarant verloren, auf jedes Problem scheint es plötzlich auch eine unmittelbare Lösung zu geben. So wird ein malträtierter Knochen schnurstracks mit zwei Brettern und einem Tuch verarztet, seinen Hunger bekämpft der Protagonist mit gefundenem Trockenfleisch; den Durst stillt er am nahegelegenen Fluss und gegen die zermürbende Einsamkeit bietet sich bald die Gesellschaft eines Vierbeiners an. Zwar schleppt sich Brody weiterhin aufopferungsvoll durch den Wald, Spannung mag dabei aber kaum mehr aufzukommen.

    Damit verschenkt „Wrecked" sein Potenzial bereits auf halber Strecke. Greenspan hätte seinem renommierten Hauptdarsteller durchaus zumuten können, die anfängliche Tortur bis zum bitteren Ende auszuspielen. Im Gegensatz zu Aushängeschildern des Genres geht der Regisseur zu zartfühlend mit seiner Hauptfigur um und verpasst damit die Chance, sein Publikum über die gesamte Filmlänge in seinen Bann zu ziehen. Trotzdem wartet „Wrecked" mit fesselnden Momenten auf. Begeistern können etwa die großartigen Naturaufnahmen, mit denen Greenspan die gefühlte Endlosigkeit der Wälder düster und beklemmend bebildert. Auch Brodys intensives Spiel wertet den Film immer wieder ganz erheblich auf. Mit „Wrecked" beweist der junge Regisseur, dass er sein Handwerk versteht und stimmige Momente inszenieren kann. Bleibt nur zu hoffen, dass er dieses Talent in Zukunft mit besseren Drehbüchern weiter unter Beweis stellen darf.

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