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    Die Schöne und das Biest
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Schöne und das Biest
    Von Christoph Petersen

    Filmemacher verlieren über Kollegen ja nur selten mal ein schlechtes Wort. Aber im FILMSTARTS-Interview hielt sich „Pakt der Wölfe“-Regisseur Christophe Gans trotzdem nicht zurück und zog ziemlich offen über Hollywood-Märchenprojekte her: „Ich war ziemlich angepisst, als ich ‚Snow White & the Huntsman‘ sah – das war wirklich ein Fiasko. Es steht Schneewittchen drauf, aber dann bekommt man praktisch ‚Jeanne d’Arc gegen Gräfin Báthory‘ vorgesetzt – dafür bin ich nicht ins Kino gegangen. Ich habe das Gefühl, dass die in Hollywood einfach einen bekannten Namen nehmen und ihn auf einen ganz anderen Film pappen. Die Produzenten trauen sich offenbar nicht mehr, ein Märchen so zu adaptieren wie es ist.“ Der Ausbruch mag ungewöhnlich sein, aber eines kann man dem steinewerfenden Regisseur ganz sicher nicht vorwerfen: nämlich dass er im Glashaus sitzt! Schließlich hat er seine extrem aufwendige Verfilmung von „Die Schöne und das Biest“ zwar mit gigantischem CGI-Einsatz realisiert, aber was die Geschichte um die schöne Belle und das verfluchte Biest angeht, hält sich Gans tatsächlich eng an die Vorlage von Gabrielle-Suzanne de Villeneuve, die die französische Volkssage erstmals aufschrieb. Das Ergebnis ist ein visuell berauschendes Leinwandmärchen mit einem kleinen, aber nicht unbedeutenden Haken.

    Frankreich im Jahr 1810: Nach dem Verlust seiner Handelsflotte muss ein alleinerziehender Kaufmann (André Dussollier) seine Stadtvilla verlassen und mit seinen sechs Kindern aufs Land ziehen. Während ihre verwöhnten Geschwister mit dem einfachen Leben ohne Partys und dafür mit Gartenarbeit so gar nichts anfangen können, fühlt sich die jüngste Tochter Belle (Léa Seydoux) auf dem Land viel wohler als in der Stadt. Aber dann verirrt sich der Vater in einem Schneesturm und landet in einem geheimnisvollen Schloss, wo er für Belle eine Rose pflückt, die sich seine Lieblingstochter von ihm gewünscht hat. Doch das verfluchte Biest (Vincent Cassel), dem das Schloss gehört, verurteilt den Kaufmann für den Diebstahl zum Tode und gewährt ihm nur einen einzigen Tag, um sich von seiner Familie zu verabschieden. Aber noch bevor der Vater sich seinem Schicksal stellen kann, nimmt Belle seinen Platz ein und reitet an seiner statt zum Schloss des Biests…

    Mit einem Budget von 45 Millionen Euro ist „Die Schöne und das Biest“ eine der teuersten europäischen Kinoproduktionen aller Zeiten – und das sieht man dem Film auch in nahezu jeder Einstellung an: Was die reine Anzahl an Szenen mit Spezialeffekten betrifft, dürfte „Die Schöne und das Biest“ selbst mit CGI-lastigen Blockbustern wie „Avatar“ oder „Der Hobbit“ in etwa gleichauf liegen. Und auch was den schieren Bombast angeht, braucht sich die französische Märchenverfilmung mit seiner gegen das tobende Meer ankämpfenden Kaufmannsflotte, seinen großäugigen Mini-Hunden (eine Reminiszenz an Anime-Genie Hayao Miyazaki) und seinen steinernen Riesen vor der Konkurrenz aus Hollywood keinesfalls zu verstecken. Aber anders als in so manchem CGI-Stinker aus Übersee („R.I.P.D.“, „Zorn der Titanen“ & Co.) verkommen die Effekte bei Gans nie zum bloßen Selbstzweck, stattdessen weckt der fantastische Look seines Films konstant Erinnerungen an Märchenklassiker von Powell/Pressburgers „Die roten Schuhe“ bis hin zu Jean Cocteaus legendärer „Die Schöne und das Biest“-Adaption von 1946.

    Dieser Hang zum Klassischen endet nicht bei der Optik, auch bei der Story macht Christophe Gans keine Experimente und bleibt dem Originalmärchen weitestgehend treu. Das hat zum Beispiel auch zur Folge, dass in der ersten halben Stunde Schauspiel-Legende André Dussolier („Die fabelhafte Welt der Amelie“) als Vater die zentrale Rolle einnimmt, während er anschließend kaum noch vorkommt. Bei einem modernen Drehbuchkurs würde der Lehrer dem Schreiber dafür mächtig auf die Finger klopfen, aber Gans zieht seine Linie konsequent durch, denn am Ende ist dies für ihn der einzige Weg: „Wer eine solche Geschichte gewollt auf Düsternis oder Fantasy trimmt, der verrät den Geist des Märchens!“ Zu dieser Radikalität kann man ihn durchaus beglückwünschen, aber es gibt trotzdem ein Problem mit dem Handlungsverlauf: Dass sich Belle in das Biest verliebt, geschieht im Film doch arg plötzlich – und wenn man diese Wendung als Zuschauer nicht schluckt, dann leidet die ganze hochtragische zweite Hälfte des Films unter dem erzählerischen Versäumnis.

    Dass das Sich-Verlieben nicht 100-prozentig schlüssig rüberkommt, liegt übrigens tatsächlich am Drehbuch (es hätte einfach noch einer zusätzlichen Szene bedurft) und nicht etwa an den Schauspielern. Ganz im Gegenteil: Frankreichs Star der Stunde, Leá Sedoux („Inglourious Basterds“, „Blau ist eine warme Farbe“), sieht zwar super aus, ist aber trotzdem alles andere als eine langweilige 08/15-Schönheit und verpasst der auf dem Papier etwas naiv wirkenden Märchenfigur eine Menge Charakter. Und auch Vincent Cassel („Dobermann“, „Black Swan“) meistert seine nicht ganz einfache Doppelrolle als tragisch-egoistischer Prinz und als raubeiniges, aber dann doch liebenswertes per Motion-Capture-Verfahren animiertes CGI-Biest überzeugend. In einer Nebenrolle ist zudem noch Yvonne Catterfeld („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) zu sehen, die als Prinzessin so strahlend-schön aussieht wie nie zuvor. Auch ein Jahr nach Abschluss der Dreharbeiten hat Vincent Cassel im FILMSTARTS-Interview beim Thema Catterfeld nur so vor sich hergeschwärmt – und wir können es ihm nicht verübeln.

    Fazit: Klassische Märchenverfilmung mit bombastischen Schauwerten.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2014. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 64. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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