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    The Wall
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Wall
    Von Markus Fiedler

    Filme, die auf engem Raum spielen, brauchen eine ganz besonders ausgefeilte Dramaturgie, um die Zuschauer während der 90 oder mehr Minuten in ihren Bann zu ziehen. Funktionieren kann das durchaus, wie Filme wie „Buried – Lebend begraben“ oder „Nicht auflegen!“ beweisen. Regisseur Doug Liman wagt sich mit seinem Projekt „The Wall“ in ähnliche Gefilde und begrenzt seine Erzählung auf eine Baustelle mitten im Nirgendwo des Irak-Kriegs. Das Thriller-Drama entwickelt sich mit Fortgang der Handlung immer mehr zum Kammerspiel an ungewöhnlichem Ort, zum Psycho-Duell zwischen einem von Aaron Taylor-Johnson („Nocturnal Animals“, „Kick-Ass“) eindringlich verkörperten US-Soldaten und einem unsichtbaren Gegner – und das ist trotz der kargen Bilder sehenswert.

    Eigentlich ist der Irak-Krieg bereits vorbei, als die beiden US-Soldaten Isaak (Aaron Taylor Johnson) und Matthews (John Cena, „Dating Queen“) als Aufklärer eine Baustelle inspizieren sollen, die offenbar von einem Sniper heimgesucht wurde: Überall liegen tote amerikanische Zivilisten herum. Nach fast einem Tag Überwachung von außen hat Matthews genug vom Warten und geht hinunter zu den Leichen. Nur Minuten später wird er niedergeschossen. Als Isaak ihm zur Hilfe eilt, wird auch er getroffen – eine Kugel zerschmettert sein Knie. Mit letzter Kraft rettet er sich hinter die titelgebende Mauer und ruft per Funk um Hilfe. Doch bald muss er feststellen, dass der Mann am anderen Ende der Leitung offenbar kein Angehöriger des US-Militärs ist – sondern der Sniper (Stimme im Original: Laith Nakli)…

    Doug Liman („Edge of Tomorrow“, „Die Bourne Identität“) versteht sich auf brachial inszenierte Action mit Wiedererkennungswert. Mit „The Wall“ wagt er sich nun an das genaue Gegenteil: Hier ist Action absolute Mangelware und macht nur einen Bruchteil des Films aus – wenn auch einen wichtigen. Denn wenn der Sniper zuschlägt, macht Liman das Grauen des Krieges aus dem Hinterhalt erfahrbar: Dass die Kugel einschlägt, bevor man überhaupt den Schuss hört, weil der Schütze aus extremer Entfernung abgedrückt hat, ist ein gruseliges Highlight des Films. Denn es macht deutlich, wie chancenlos die beiden US-Soldaten im Grunde sind. Sie können jederzeit getroffen werden, da es auf der exponierten Baustelle kaum Schutz gibt – und nicht einmal ein Geräusch warnt sie vor. Doch Aaron Taylor-Johnson, der den Film fast komplett allein trägt, hat als Isaak noch weitere Sorgen – denn der unsichtbare Feind ist offenbar auch in psychologischer Kriegsführung ausgebildet.

    Drehbuchautor Dwain Worrell („Marvel's Iron Fist“) baut immer wieder Momente atemloser Spannung auf, die sich mal entladen – und mal nicht. Er vermittelt die Drucksituation überaus wirkungsvoll, indem er hervorhebt, dass es auf jedes Detail und auf jedes Wort ankommen kann. Schnell ertappt man sich als Zuschauer dabei, nach Hinweisen zu suchen, die helfen, dem verschanzten und vermeintlich übermächtigen Gegner auf die Spur zu kommen: Das Publikum wird zum intensiv mitfiebernden Komplizen des Helden. Das befördert Liman auch durch die fast intime Nähe der Kamera zu seinem Protagonisten, der hinter der Mauer um sein Leben kämpft: Immer wieder sehen wir in Großaufnahme die Schweißtropfen, das Blut und den Rotz fließen, als würden wir neben Isaak im Dreck liegen. Nicht selten sehen wir die Umgebung auch durch seine Augen und suchen mit ihm zusammen das Gebiet nach dem brutalen Gegner ab. In den besten Moment ist das von halszuschnürender Intensität, aber diese Hochspannung kann Liman nicht ganz über die vollen 90 Minuten halten - ein paar kleine Straffungen hätten die Wirkung insgesamt womöglich noch gesteigert. Aber auch so bleibt das bedrohliche Grundgefühl durchgehend erhalten und vor allem wird die Story konsequent zu Ende erzählt. Und für den furios aufspielenden Aaron Taylor-Johnson lohnt es sich sowieso schon fast allein, den Film anzuschauen.

    Fazit: „The Wall“ ist ein hartes, dreckiges Thriller-Kammerspiel mit einem grandiosen Aaron Taylor-Johnson und liefert etliche hochspannende Momente.

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