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    Speed Kills
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Speed Kills

    Verdiente 0 Prozent auf Rotten Tomatoes

    Von Antje Wessels

    Es kommt immer wieder mal vor, dass Regisseure ihre Arbeit an einem Film im Nachhinein lieber nicht an die große Glocke hängen wollen. Von 1968 bis 2000 empfahl die Gewerkschaft der Regisseure, dass in solchen Fällen in Hollywood stattdessen auf den Kunstnamen Alan Smithee zurückgegriffen werden sollte. Mehr als drei Dutzend Filme listen deshalb diesen angeblichen Regisseur in ihren Credits, der dabei auch schon als Platzhalter für sehr prominente Namen stand. Dennis Hopper ließ seinen Namen so aus „Catchfire“ entfernen und David Lynch zeigte so, wie wenig er von der gegen seinen Willen erstellten TV-Fassung von „Dune - Der Wüstenplanet“ hält. Aber der Trick funktioniert natürlich längst nicht mehr. Inzwischen weiß jeder auch nur halbwegs bewanderte Filmliebhaber sofort, dass sich hinter diesem Namen keine reale Person verbirgt und für das Marketing ist es natürlich das größte Gift, wenn jeder sofort weiß, dass selbst der eigentliche Regisseur nichts mehr mit dem Film zu tun haben will. Deswegen erlaubt die Gewerkschaft der Regisseure mittlerweile auch andere Namensnutzungen. Auch wenn die offizielle Bestätigung noch immer offiziell aussteht, sind wir uns sicher genug, um es hier auszusprechen: Auch der Name Jodi Scurfield dürfte ein solcher Alan-Smithee-Nachfolger sein!

    Dieser Name steht nun im Abspann des auf wahren Begebenheiten basierenden Gangster-Thrillers „Speed Kills“ mit John Travolta. Jodi Scurfield hat zwar eine eigene IMDb-Seite, aber die hat Alan Smithee auch. Aber davon abgesehen lässt sich über diese(n) Jodi Scurfield absolut nichts herausfinden – und darüber hinaus hatte „Speed Kills“ auch lange Zeit einen ganz anderen Regisseur. Die ganze Produktion über wurde nämlich noch der Name John Luessenhop („Texas Chainsaw 3D“) kommuniziert, erst rund einen Monat vor dem US-Kinostart im November 2018 tauchte plötzlich aus dem Nichts Jodi Scurfield auf dem Poster und in den Pressematerialien auf. Dass der immer noch als Co-Autor gelistete Luessenhop seinen Namen als Regisseur zurückzog, macht ja auch Sinn: „Speed Kills“ ist schließlich einer dieser Filme, bei dem es nicht verwundern würde, wenn alle Verantwortlichen ihre Beteiligung daran möglichst geheim halten wollen.

    Im Amerika der Sechzigerjahre flüchtet der von der Mafia verfolgte Ben Aronoff (John Travolta) von New Jersey in den Sonnenstaat Miami. Hier kommt er mit der Hochgeschwindigkeitswelt der Speed-Boat-Rennen in Kontakt. Er beginnt nicht nur, sich ein eigenes Team aufzubauen, mit dem er schnell einen Wettkampf nach dem anderen gewinnt, sondern fängt auch an, selbst Boote zu designen und für teures Geld zu verkaufen. Darunter befinden sich auch wegweisende Designs, die die Aufmerksamkeit der oberen Zehntausend auf sich ziehen. Das besonders windschnittig gebaute, sogenannte Cigarette-Boat macht ihn endgültig zum Star der Szene. Doch nicht nur die Liebhaber der schnellen Rennboote werden auf ihn aufmerksam. Auch Drogendealer und -fahnder finden Gefallen an Bens Konstruktionen – ebenso wie die Mafia, die Ben auch in seiner neuen Heimat schnell wieder im Nacken sitzt. Schon bald muss er sich mit gefährlichen Gangstern auseinandersetzen, die Geld wollen, das er allerdings längst wieder ausgegeben hat...

    Für das Gangster-Biopic „Gotti“ schlüpfte John Travolta zuletzt in die Rolle des New Yorker Mafia-Paten John Gotti und erntete dafür Hohn, Spott und eine Rotten-Tomatoes-Bewertung von sage und schreibe null Prozent, was bedeutet: Nicht ein einziger auf der Sammelseite gelisteter Kritiker schrieb eine positive Rezension. „Gotti“ avancierte damals nach „Staying Alive“, „Kuck mal, wer da jetzt spricht“ und „Der Sturm - Life On The Line“ zum bereits vierten Travolta-Film mit einem derart vernichtenden Gesamturteil (der grausam schlechte „Battlefield Earth“ hat immerhin drei Prozent positive Bewertungen). Und „Speed Kills“ reiht sich nun in diese wenig ruhmreiche Liste als Nr. 5 ein. Und passend dazu fällt auch Travoltas schauspielerische Darbietung aus. Der „Pulp Fiction“-Star verkörpert den auf dem realen Vorbild Donald Aronow basierenden Ben Aronoff mit versteinerter Miene. Wenn die Kamera hin und wieder mal besonders nahe an sein Gesicht zoomt, wird nie deutlich, ob die willkürlichen Zuckungen darin nun Ausdruck eventueller Emotionen sein sollen, oder doch eher Travoltas mit völliger Unlust gepaartes Unvermögen widerspiegeln.

    Dabei wissen wir, dass es der Schauspieler trotz der aktuellen Flops eigentlich noch draufhat. Mit seiner herausragenden Verkörperung des Rechtsanwalts Robert Shapiro in der gefeierten ersten Staffel der Serie „American Crime Story“ über den Strafprozess gegen Sportlegende O.J. Simpson präsentierte er schließlich erst 2016 noch einmal sein ganzes schauspielerisches Können und wurde dafür völlig zu Recht für den Golden Globe und den Emmy nominiert. Doch wie schon in „Gotti“ ist auch in „Speed Kills“ nichts von dem dort so präsenten darstellerischen Fingerspitzengefühl zu erahnen, was sicher nicht allein dem Schauspieler anzulasten ist. So legen Luessenhop und sein Co-Autor David Aaron Cohen („Friday Night Lights“) mit ihrem Drehbuch Travolta und seinen Co-Stars zahlreiche hanebüchene Dialoge in den Mund. Wie weit mangelhafte Regieanweisungen eine zusätzliche Rolle spielen, lässt sich im Nachhinein nur spekulieren, doch es ist offensichtlich, wie sich bei der Inszenierung eine obskure Idee an die nächste reiht.

    Das beginnt schon damit, dass nach einem ausführlichen Prolog in einem nicht näher definierten Zeitraum (hält sich der Film an die Fakten, müsste es sich um Anfang 1987 handeln) um ganze 25 Jahre zurückgesprungen wird, um die Geschichte von hier an aufzudröseln. Die Mühe, diesen Zeitsprung irgendwie optisch zu untermauern, macht man sich aber nicht. In den nun folgenden eineinhalb Stunden sieht John Travolta zum Beispiel keinen Tag jünger aus wie zu jenem Zeitpunkt in der 25 Jahre entfernten Zukunft. Lediglich die Hautfarbe gibt hin und wieder Aufschluss darüber, ob Ben Aronoff zuletzt viel in der Sonne war oder mal längere Zeit über seinem Schreibtisch gebrütet hat. Von Letzterem gibt es in „Speed Kills“ kaum was zu sehen, obwohl Aronoff ja nicht bloß Rennfahrer war, sondern vor allem Geschäftsmann. Das ist einerseits verständlich, schließlich verkauft das Marketing den Film als eine Art „Wolf Of Wall Street‘ mit Speed-Boats“, doch mit seinem Status als Rennbootfahrer und sich in seiner Rolle gefallener Womanizer bleibt der hier porträtierte Ben viel zu eindimensional. Die Kontakte zu den bösen Buben behandelt das Skript folglich genauso beiläufig wie Aronoffs Unternehmergeist oder auch sein Privatleben.

    In den ausgiebig an Originalschauplätzen gedrehten Rennmontagen lässt Kameramann Andrzej Sekula („Tokarev“) immerhin sein Gespür für die schon allein durch die Kulisse entstehende Urlaubsatmosphäre durchscheinen. Doch mit ihrem kristallklaren Wasser und den schneeweißen Sandstränden kann die Küste vor Miami noch so zum Sommerurlaub einladen, mehr als für das Einfangen dieser Szenerie von viel zu weit weg draufhalten, wenn sich John Travolta gerade mit seinen sportlichen Rivalen auf dem Wasser duelliert, fällt Sekula nicht ein. Aber mangelnde Variation ist ohnehin ein allgemeines Problem von „Speed Kills“. Der ausführlich erzählte Aufstieg Aronows zu einem der besten Speed-Boat-Fahrer der Welt besteht schließlich auch nur aus der Wiederholung ähnlicher Bilder: Travolta fährt ein Rennen, lässt sich während der Siegerehrung feiern, flirtet mit schönen Frauen und liefert sich das nächste Rennen. Und da es das Skript leider in Gänze versäumt, Aronow über seine Speed-Boat-Begeisterung auch nur irgendeine weitere persönliche Charakterfacette zuzugestehen, wird während all dieser Momente nie ganz deutlich, weshalb man mit dieser erfolgsfixierten Macho-Figur überhaupt in irgendeiner Form mitfiebern soll.

    Während der Trend bei besonders miserablen Filmen ja immer mehr dazu übergeht, an dem ganzen Desaster gerade deshalb Spaß zu haben, weil es so bescheuert ist, ist „Speed Kills“ leider noch nicht mal ein amüsantes Trash-Vergnügen. Mal ganz davon abgesehen, dass die Rennszenen in ihrem ewig gleichen und dadurch irgendwann auch nur noch leidlich dynamischen Ablauf schnell anöden, wollen die Autoren zwischen den vielen PS ja auch noch vom Aufstieg und Fall einer Gangsterikone erzählen. In „Speed Kills“ bestehen die Auseinandersetzungen mit den Drogendealern und Gangsterbossen allerdings vorwiegend aus endlosen Gesprächen. Die einzige halbwegs imposant inszenierte Verfolgungsjagd zwischen zwei Booten kommt da im letzten Drittel des Films nicht bloß viel zu spät, um dem Ganzen nochmal ein wenig Pfiff zu verleihen. Wie bei so ziemlich allem an „Speed Kills“ fehlt es den Verantwortlichen auch hier spürbar an Leidenschaft, ganz so, als hätten sie schon beim Drehen gewusst, wie wohl das Endergebnis aussehen würde.

    Fazit: Der Wikipedia-Eintrag zu Donald Aronow ist spannender als dieses lieblos inszenierte Thriller-Biopic, das nur sehr vereinzelt mit einigen hübschen Aufnahmen von der Küste Miamis bestechen kann.

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