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    Tatort: Der wüste Gobi
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Der wüste Gobi
    Von Lars-Christian Daniels

    Die Feiertagsfolgen zum Jahreswechsel kommen beim „Tatort“ häufig aus Thüringen: Am 2. Weihnachtstag 2013 feierten die Weimarer Hauptkommissare Kira Dorn (Nora Tschirner, „SMS für dich“) und Lessing (Christian Ulmen, „Antonio, ihm schmeckt's nicht!“) im „Tatort: Die fette Hoppe“ ihr Debüt, ehe sie am Neujahrstag 2015 im „Tatort: Der irre Iwan“ gut ein Jahr später zum zweiten Mal gemeinsam auf Täterfang gingen. Was der MDR ursprünglich als einmaligen Eventkrimi für die Zeit zwischen den Jahren konzipiert hatte, entwickelte sich nach dem überwiegend positiven Zuschauerecho schnell zum Dauerbrenner – und so dürfen Tschirner und Ulmen auch am 2. Weihnachtstag 2017 mal wieder auf dem hart umkämpften abendlichen Sendeplatz gegen namhafte TV-Konkurrenz wie den deutschen Publikumshit „Honig im Kopf“ antreten. Auch sonst hat sich seit dem ersten Fall von Tschirner und Ulmen wenig geändert: In Ed Herzogs „Tatort: Der wüste Gobi“ ist die Täterfrage einmal mehr eher zweitrangig und stattdessen der Weg zur Auflösung das Ziel – und der ist in Weimar traditionell gesäumt mit reichlich Dialogwitz und unzähligen Pointen, von denen aber bei weitem nicht jede zünden will.

    Der dreifache Frauenmörder Gotthilf „Gobi“ Bigamiluschvatokovtschvili (Jürgen Vogel) bricht fünf Jahre nach seiner Verurteilung aus der geschlossenen Psychiatrie aus. Zurück lässt er eine tote Krankenschwester und deren schockierte Kollegin Paola Koslowski (Mirjam Heimann), die eine Affäre mit Gobi hatte. Kurz darauf wird auch die bettlägerige Frau von Professor Eisler (Ernst Stötzner), dem Chefarzt der Psychiatrie, tot aufgefunden, obwohl dieser sich für Gobis Resozialisierung stark gemacht hatte. Ist der Flüchtige wirklich der Täter? Die Hauptkommissare Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen), die in ihrer gemeinsamen Wohnung gerade mit einem Heizungsausfall zu kämpfen haben und bei den Ermittlungen von ihrem Chef Kurt Stich (Thorsten Merten) und ihrem Kollegen „Lupo“ Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey) unterstützt werden, suchen fieberhaft nach Gobi und befragen auch dessen eifersüchtige Verlobte: Mimi Kalkbrenner (Jeanette Hain) spielt die Harfe im Weimarer Orchester und versteckt den Ausbrecher möglicherweise vor der Polizei. Eine verschwundene Ermittlungsakte und der verschwiegene Ex-Kommissariatsleiter Bruno Götze (Ralf Dittrich), der Gobi einst dingfest machte, erschweren die Aufklärung des Falls zusätzlich...

    Das Leben ist wie ‘ne Bratwurst – man weiß nie, was drinsteckt“, kommentiert der emsige „Lupo“ beim Verhör in Anspielung auf die berühmteste aller „Forrest Gump“-Szenen – für den „Tatort“ aus Weimar gilt das allerdings nicht (mehr). Der hat sich längst als humorvolle Alternative in der Krimireihe etabliert und teilt diesmal eine interessante Gemeinsamkeit mit einer ähnlich pointenreichen Folge aus Münster: Im „Tatort: Das zweite Gesicht“ drohte Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) seinem Vermieter und Ermittlungspartner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) 2006 damit, dessen Parkettfußboden zu verheizen, wenn er die defekte Heizungsanlage im Haus nicht schleunigst wieder ins Laufen bringe. Auch die Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger, die bereits die ersten vier Folgen aus Weimar konzipierten, nutzen die arktischen Temperaturen im Schlafzimmer der liierten Kommissare im „Tatort: Der wüste Gobi“ für einen Running Gag: Weil das gemeinsame Baby ausquartiert wurde, wollen die beiden etwas gegen die Flaute im Ehebett tun, werden von wärmenden Liebestötern wie Lessings langen Unterhosen oder Dorns kuscheligem Parka aber regelmäßig ausgebremst. Das ist anfangs noch ganz witzig, verbraucht sich als Gag aber ebenso schnell wie die Tatsache, dass „Lupo“ in schöner Regelmäßigkeit in die aufkeimende Romantik platzt.

    Dorns schnippischer Kommentar („Sehen Sie’s ihm nach, er hat ‘ne schwere Zeit durchgemacht“) zur jüngsten Odyssee des Partners im „Tatort: Der scheidende Schupo“ ist ein Beispiel dafür, wie die Filmemacher im fünften Schmunzelkrimi aus Weimar mehrfach elegant auf frühere Folgen mit Lessing und Dorn Bezug nehmen (später folgen Anspielungen auf die eingangs genannten ersten beiden Filme). Die Querverweise sind jedoch fast schon das Originellste im 1040. „Tatort“, der ansonsten wieder wie eine Aneinanderreihung unzähliger – oft extrem flacher – One-Liner daherkommt, die aber zumindest in eine halbwegs stringent erzählte Geschichte eingebettet werden. Dem unterirdischen Setting in der Weimarer Kanalisation, durch die Gobi nach seinem Ausbruch flüchtet, gewinnen die Filmemacher allerdings deutlich weniger ab als ihre Kollegen im herausragenden Kieler „Tatort: Borowski in der Unterwelt“ oder kürzlich im Berliner „Tatort: Dein Name sei Harbinger“: Erst in den Schlussminuten führt der Weg der Ermittler tatsächlich in die feuchte Finsternis unter der Dichterstadt – im Vorfeld krabbelt Gobi verschmutzt durch einen Gullydeckel ins Freie und behauptet einfach, er sei dort gewesen.

    Ob Gobi nicht nur ein Ausbrecher, sondern auch der gesuchte Doppelmörder ist, werden Genrekenner leicht beantworten können, doch treffen wir bei der Suche nach der Auflösung zumindest auf reichlich schräge Figuren: Hobby-Jäger Eisler sammelt mit trockenen Sprüchen und einer kultverdächtigen Eichhörnchen-Szene („Du kackst mir nicht mehr in mein Cabrio!“) viele Sympathiepunkte, und auch Gobi schließen wir dank seines Fetisch für gestrickte Unterwäsche und der ausgeprägten Abneigung gegen Spinnen („Da haste dir den Falschen ausgesucht, du!“) sofort ins Herz. Während Jürgen Vogel („Der Mann aus dem Eis“) sich in seiner Rolle wohler zu fühlen scheint als im schwachen „Tatort: LU“, in dem er 2015 in der Rolle des Antagonisten mit Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) auf Tuchfühlung ging, wirkt Jeanette Hain („Babylon Berlin“) in ihrer zwar tadellos gespielten, aber eindimensionalen Rolle als Verbrecher-Verlobte unterfordert – ihre fast krankhaft eifersüchtige Art will auch nicht so recht zum seichten Erzählton passen, der in der Krimikomödie vorherrscht. Die Fans der „Tatort“-Folgen aus Weimar werden darüber ebenso hinwegsehen können wie über die fehlende Spannung und so manchen misslungenen Flachwitz.

    Fazit: Ed Herzogs „Tatort: Der wüste Gobi“ ist eine typische Krimikomödie aus Weimar: Es gibt wieder reichlich zum Schmunzeln, aber längst nicht alles ist gelungen.

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