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    The Good Liar - Das alte Böse
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Good Liar - Das alte Böse

    Tolle Schauspieler, konstruierte Twists

    Von Oliver Kube

    Es ist kaum zu glauben: Bis ihnen die Hauptrollen in dem Thriller-Drama „The Good Liar - Das alte Böse“ angeboten wurden, hatten die britischen Schauspielgranden Helen Mirren („Die Queen“) und Ian McKellen („Der Herr der Ringe“) noch nie zusammen für einen Kinofilm vor der Kamera gestanden. Dabei sind beide seit den 1960ern als professionelle Schauspieler aktiv und zählen seit Dekaden zur globalen Crème de la Crème ihrer Zunft. „Es ist, als würden wir seit Jahren denselben Fluss herunterschwimmen“, erklärte Mirren lachend während eines Interviews bei US-Talker Steven Colbert. „Ich paddelte dabei jeweils ein wenig hinter ihm her. Ich bewunderte Ians Brillanz aus der Ferne, konnte aber nie ganz zu ihm aufschließen.“

    Woraufhin McKellen seine vielleicht etwas zu bescheidene Kollegin daran erinnern musste, dass sie zumindest 17 Wochen lang gemeinsam auf einer Broadway-Bühne in New York gestanden hatten. „Der Totentanz“ von August Strindberg hieß das Stück und die Aufführungen fanden 2001 im Broadhurst Theatre statt. Wer damals nicht live dabei sein konnte, darf sich nun zumindest darauf freuen, die Legenden endlich gemeinsam auf der Leinwand zu erleben. Denn das Zusammenspiel von Mirren und McKellen ist mit Abstand das Beste am sich zu Beginn leicht und locker, in der zweiten Hälfte dann immer düsterer und intensiver, aber leider auch zunehmend konstruierter anfühlenden Film von Regisseur Bill Condon („Die Schöne und das Biest“).

    Die Liebe macht dem Trickbetrüger Roy einen Strich durch die Rechnung.

    Roy Courtnay (Ian McKellen) ist ein schon deutlich in die Jahre gekommener, aber trotzdem immer noch enorm effektiver Trickbetrüger. Als die Witwe Betty McLeish (Helen Mirren) sich auf seinem Online-Dating-Profil meldet, wittert er einen – vielleicht seinen letzten – großen Coup. Er verabredet sich mit der Dame und die zwei verstehen sich auf Anhieb. Dank kleiner Schwindeleien zieht Roy bald bei Betty ein und beginnt zusammen mit seinem Komplizen Vincent (Jim Carter), die scheinbar arglose neue Bekannte zu bearbeiten, um sich ihr nicht unbeträchtliches Vermögen unter den Nagel zu reißen. Allerdings hat Betty mit Stephen (Russell Tovey) einen gar nicht arglosen Enkel und Roy entwickelt schon bald echte amouröse Gefühle für sein potenzielles Opfer. Doch dann gibt es einen Zwischenfall, der zeigt: Roy und Betty sind beide viel mehr als das, wonach es bisher aussah…

    Ein luftig-leichter Auftakt

    Die ersten circa 45 Minuten von „The Good Liar“ lullen den Zuschauer ein wenig ein und führen ihn geschickt auf eine falsche Fährte. Das beginnt schon mit den verspielt in die Handlung eingebauten Eröffnungs-Credits: Während wir Roy und Betty dabei sehen, wie sie vor ihren Computern sitzend in die Tasten hauen, erscheinen zwischendurch die Namen von Darstellern und Crew auf der Leinwand wie von einer Schreibmaschine getippt. Und auch danach passiert zunächst exakt das, was das Plakat und große Teile des Trailers versprechen: eine charmante, luftig-leichte Gauner-Geschichte mit gelegentlich herrlich britisch anmutenden, humorigen Einschüben.

    Natürlich folgt dann irgendwann eine Wendung und die bis dahin wunderbar naiv und arglos erscheinend dargestellte Betty offenbart ihr wahres Gesicht – so viel dürfte jedem, der schon ein paar Filme gesehen hat, von Beginn an klar sein. Dazu sind die Andeutungen und Hinweise in dem von Jeffrey Hatcher („Mr. Holmes“) geschriebenen, auf Nicholas Searles gleichnamigem Roman basierenden Drehbuch dann doch zu auffällig eingestreut.

    Bettys Enkel Stephen lässt sich nicht so leicht aufs Glatteis führen.

    Wer nach dem von Beginn an so unvermeidlich erscheinenden Twist nun allerdings eine Art Senioren-Variante von „Mr. and Mrs. Smith“ oder altmodisch Augenzwinkerndes à la „Ladykillers“ erwartet, dem sei so viel gesagt: Die hier angeteaserte, romantische Krimikomödie über ein liebenswertes Gaunerpärchen wird letztlich nicht geboten. Im Gegenteil. Nachdem der eben noch fröhlich mit Betty auf der Straße turtelnde Roy von einem Mann (Mark Lewis Jones, „Chernobyl“) erkannt wird, den er vor einer Weile um einen erheblichen Betrag erleichtert hatte und der ihn eigentlich im Gefängnis wähnte, gibt es einen krassen Stimmungsruck und die Handlung nimmt einen deutlich anderen, düstereren und gewalttätigeren Verlauf.

    In der zweiten Hälfte stehen – auch mittels ausführlicher Flashbacks in frühere Tage der Protagonisten – unter anderem eiskalte Morde, Verstümmelungen, Erniedrigungen sowie sogar eine Vergewaltigung auf dem Programm. Eine solche unvorhersehbare Entwicklung ist an und für sich ja nichts Schlimmes und in ihrer Unberechenbarkeit sogar durchaus lobenswert. Nur hapert es dann doch leider arg an ihrer glaubhaften Umsetzung.

    Der Konstruktion fehlt die Eleganz

    Die beiden Shakespeare-Veteranen genießen die Vielschichtigkeit des Drehbuchs und ihrer Parts offensichtlich. Ihre Mimik und Gestik sind gewohnt souverän und unaufdringlich, verraten aber doch Leidenschaft – die der Darsteller und die der Figuren. Das Ganze wurde dazu in London und Berlin sehr ansehnlich von Bill Condon und seinem deutschen Stamm-Kameramann Tobias A. Schliessler („Lone Survivor“) ins Bild gesetzt. Selbst diese positiven Aspekte können jedoch nicht verhindern, dass die Story stark überkonstruiert wirkt. So taucht Bettys Enkel Stephen etwa nur jeweils dann auf, wenn sich die Handlung einer Sackgasse nähert und er mit einer Bemerkung oder Aktion die nächste Wendung initiieren muss.

    Ein eher undankbarer Job für Russell Tovey („Being Human“), der diesen vielleicht deshalb etwas allzu bemüht erledigt. Zudem kommen die oft durch Stephens Job als Historiker eingeleiteten, stetig hanebüchener werdenden Enthüllungen einfach in allzu hoher Schlagzahl ans Licht, ohne geschickt genug vorbereitet worden zu sein. So bleibt dem Zuschauer keine Zeit mitzudenken, was die Aktionen und Reaktionen der Figuren immer weniger authentisch macht. Das übertrieben moralisierende, platt rachsüchtige Finale setzt der daraus resultierenden Enttäuschung und Frustration schließlich die Krone auf.

    Fazit: Helen Mirren und Ian McKellen sind exzellent. Ihr virtuoses Spiel und ihre tolle Chemie sind es (fast) wert, sich dieses gutaussehende, aber stetig unglaubwürdiger und konstruierter daherkommende Thriller-Drama anzuschauen.

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