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    American Werewolf
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    American Werewolf
    Von Werner Busch

    Die frühen 1980er waren die große Zeit der Make-up-Künstler. Die herausragenden Masken in David Lynchs "The Elephant Man" führten dazu, dass 1981 eine neue Oscar-Kategorie für das beste Make-up eingeführt wurde. Im selben Jahr liefen mit "Wolfen" von Michael Wadleigh und Joe Dantes "The Howling" schon zwei wolfslastige Horrorfilme an, der erste Preis der neuen Kategorie ging jedoch an einen anderen Werwolf-Film: Rick Baker setzte mit seiner Arbeit in "An American Werewolf in London" einen ersten Standard dafür, was man mit diversen Kunststoffen, Erdöl-Derivaten, Pudern, Metallgestängen und Haaren alles anstellen kann. Zum Beispiel einen wohlgeformten All-American-Boy – gut ausgeleuchtet und vor laufender Kamera – in eine fiese, vierbeinige Werwolf-Kreatur zu verwandeln, die fortan London unsicher macht. Doch nicht nur wegen dieser atemberaubenden Effekte ist John Landis "An American Werewolf in London" ein zeitloser Genre-Klassiker.

    Die US-Studenten David und Jack trampen als Rucksacktouristen durch Europa. Bevor es ins sonnige Italien gehen soll, wandern sie durch die Moore Englands. Als sie in einem kleinen Dorf in den Pub "Zum geschlachteten Lamm" einkehren beschleichen sie düstere Vorahnungen. Es gibt kein Essen, keinen Campari-Orange und als sie sich nach dem von Kerzen umstellten Pentagramm an der Wand erkundigen, werden sie von der Dorfbevölkerung unsanft vor die Tür gesetzt. So bleibt nur die Übernachtung im Moor, wo Jack von einer wolfsähnlichen Kreatur in Stücke gerissen und David verletzt wird. In einem Krankenhaus in London erfährt David von Jacks Tod und wird von schrecklichen Albträumen geplagt. Die auch nicht besser werden, als plötzlich der Untote Jack, fürchterlich zugerichtet, im Raum erscheint und David mitteilt, dass er sich beim nächsten Vollmond – also übermorgen – in einen Werwolf verwandeln wird. Der einzige Ausweg: Selbstmord.

    Regisseur und Drehbuchautor John Landis hatte sich mit "Animal House" (1978) und "The Blues Brothers" (1980) gerade zum Hot Shot der fröhlich-absurden US-Komödie aufgeschwungen, als er mit seinem bösen und blutigen Werwolffilm die Erwartungshaltungen des Publikums komplett unterlief. Gleich zu Beginn, wenn Jack von dem kreischenden Werwolf zerfleischt wird, Schüsse fallen und statt eines Tieres ein nackter Mann mit Einschusslöchern zu Boden geht, aus denen Dampf wabert, weiß man, dass dieser Film kein Spaß ist. Zumindest nicht ausschließlich. Denn bei allen gewalttätigen und unheimlichen Szenen gibt es in "An American Werewolf" auch zahlreiche Momente, die zum Brüllen komisch sind. Und das sind gleichzeitig oft die schauerlichsten.

    In einem Albtraum durchlebt David zum Beispiel, wie er und seine Familie bei einem Überfall massakriert werden. Eine blitzartig schnelle und deshalb schockierende Szene, wenn die Angreifer nicht comicartig überzeichnete Nazi-Soldaten-Monster wären, die wie Schweine quieken – was im Nachhinein, nicht zuletzt durch Davids jüdischen Glauben, überaus komisch ist. Viele weitere Beispiele, bis hin zum blutigen Finale in einem Pornokino mit parodistischen Film-im-Film-Szenen, ließen sich anführen.

    Neben seiner einzigartigen Verknüpfung von Horror- und Komödienelementen zeichnet "An American Werewolf in London" auch seine große Verbeugung vor Horrorfilmklassikern wie "The Wolf Man" aus. Mehr als ein Dialog kreist um die schwarz-weißen Filmklassiker, über deren Genre-Regeln die Figuren Witze machen, ihnen aber auch gleichzeitig unterworfen sind. Einerseits bedient sich Landis‘ Film bei der Mythologie von Werwolf-Blutlinien, Pentagrammen, Flüchen und dem Tod des Werwolfs durch die Hand eines Liebenden. Durch das originäre London-Setting mit seinen vielen Zeitbezügen, einer schönen Sexszene und nicht zuletzt dank der zahlreichen, effektiven Popmusik-Einsätze, ist der Film aber gleichzeitig deutlich in der Gegenwart der frühen 80er Jahre verhaftet.

    An der entscheidenden Schnittstelle zwischen Humor und Horror, zwischen Filmklassik und zeitbezogener Moderne stehen die Maskeneffekte. Sämtliche Szenen mit dem Werwolf und den Untoten finden im Tageslicht oder in gut ausgeleuchteten Innenräumen statt, wobei besonders die erste Verwandlung Davids zum Monster begeistert: Detailliert und ohne Schnitt verformen sich seine Hände, wachsen Haare aus dem Körper, verformt sich das Gesicht. Die Effekte haben keine Chance sich in der Unschärfe der Dunkelheit zu verstecken – aber das haben sie auch gar nicht nötig: Rick Bakers Make-up-Arbeit hat eine solche Überzeugungskraft, dass man fast gewillt ist, an die Existenz von Werwölfen zu glauben.

    Fazit: Getragen von brillantem Make-Up, das sich aber stets in den Dienst einer originellen, spannenden Geschichte stellt, gelingt "An American Werewolf in London" der schwierige Spagat zwischen Horror und Komik. 30 Jahre nach Entstehung hat John Landis Film längst den Status eines moderner Klassiker errungen, der auch heute noch begeistert.

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