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    Wicker Man - Ritual des Bösen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wicker Man - Ritual des Bösen
    Von Carsten Baumgardt

    Ein Oscarpreisträger, ein gefeierter Independent-Regisseur, eine Neuverfilmung eines Kultfilms... und überwiegend miserable Reaktionen in den USA. Was ging nur schief bei Neil LaButes Horror-Thriller „The Wicker Man“ mit Nicolas Cage als Galionsfigur? Das US-Remake des britischen Originals aus dem Jahr 1973 hat gewiss seine Fehler, aber wer sich auf die Geschichte einlassen mag, bekommt zumindest über weitere Strecken einen akzeptablen, atmosphärisch sehr stimmigen Mysteryfilm zu sehen, der erst am Ende Ungenauigkeiten in der Storykonstruktion offenbart.

    Ein traumatisches Erlebnis verändert das Leben des Motorrad-Polizisten Edward Malus (Nicolas Cage). Als er auf dem Highway Streife schiebt, zermalmt ein außer Kontrolle geratener Truck auf abschüssiger Strecke den Wagen einer Mutter und deren Tochter, die beide im Auto verbrennen. Die nächsten Monate schluckt Edward fleißig Beruhigungsmittel, um sich zu betäuben und den Schock zu verdrängen. Ein Hilferuf seiner Ex-Verlobten Willow (Kate Beahan) reißt den Cop aus der Lethargie. Ihre Tochter Rowan (Erika-Shaye Gair) ist verschwunden - auf einer mysteriösen Insel namens Summersisle vor der Küste von Washington State. Trotz der Warnungen seiner Kollegen macht sich Edward auf den Weg und findet etwas Sonderbares vor. Auf der völlig von der Außenwelt isolierten Insel leben die Bewohner wie vor hundert Jahren, versorgen sich größtenteils selbst. Die Gemeinde erweckt den Eindruck einer Sekte, die wenig hilfsbereit ist, als Edward Fragen stellt, um das vermisste Mädchen zu finden...

    Robin Hardys „The Wicker Man“ (mit Edward Woodward und Christopher Lee) hat sich erst im Laufe der Jahre einen exzellenten Ruf erworben. Obwohl er immer noch als unterschätzt gilt, wird der Film bei der Fangemeinde als Kult angesehen. Eine prima Vorlage also für eine Neuauflage aus US-Sicht, da das Original in den Vereinigten Staaten kaum jemand gesehen haben dürfte. Doch ironischerweise wurde „der Weidenmann“ in den USA windelweich geprügelt - sowohl von Kritikern, als auch von Kinogängern. Das Mainstream- und Nicolas-Cage-Publikum war sichtlich irritiert, plötzlich - durch den amerikanischen Vorzeigehelden dorthin gelockt - in einer lupenreinen Genreproduktion zu sitzen. Dazu sorgte die Thematisierung eines heidnischen Kults in God’s own country für zusätzliches Unverständnis. Beide Aspekte sind aber definitiv nicht das Problem von „The Wicker Man“, die liegen ganz woanders. Doch bevor es dazu kommt, gefällt der Horror-Thriller durch Kurzweil, eine stilvolle Optik und knifflige Rätsel. Besonders die Exposition ist sehr schön und der Paukenschlag zu deren Abschluss katapultiert den Zuschauer emotional ins Geschehen.

    Dass Nicolas Cage (World Trade Center, Lord Of War, The Weather Man) alles spielen kann, ist kein Geheimnis. Und so gibt er auch den Highway-Polizisten Edward Malus mit seiner naturgegebenen Larger-Than-Life-Präsenz. Der Betrachter nimmt Edwards Perspektive ein und weiß nicht mehr, als der Hauptcharakter, was gut funktioniert, so darf immer fleißig mitgeraten werden, wie das Geheimnis zu entschlüsseln ist. Regisseur und Autor Neil LaBute (Besessen, „In The Company Of Men“, „Nurse Betty“) legt Cages Figur geschickt an, seine Ermittlungsmethoden sind plump und unkoordiniert, als Streifenpolizist ist er derartige Arbeit schließlich nicht gewohnt. Nach und nach erfährt Edward mehr darüber, wie das Leben auf der Insel abläuft und wer welches Spiel spielt. Dabei steht mehr der Rätselaspekt im Vordergrund, als das Einsetzen von Gruselmomenten, die zumeist durch Edwards Visionen und Wahnvorstellungen erzeugt werden. Da das Publikum aber nie so richtig sicher sein kann, was Traum und was Realität ist, verpufft dieser Effekt recht wirkungslos.

    Als zum Ende des zweiten Akts die Katze aus dem Sack ist und sich der Story-Nebel lichtet, ist eigentlich immer noch alles in Ordnung, sofern man sich auf die Geschichte einlässt. Die Kostüme des Personals werden zunehmend seltsamer, für manche Augen gar lächerlich, und dem Affen wird ordentlich Zucker verabreicht. Auch wenn der Storytwist beißt, offenbaren sich bei der Auflösung erhebliche logische Probleme, die verschiedenen Charakterisierung wirken in der Gesamtbetrachtung nicht mehr so stimmig, wie dies atmosphärisch in der Zwischenzeit übertüncht wurde.

    Schauspielerisch wartet „The Wicker Man“ mit grundsoliden Leistungen auf. Cage besitzt das Charisma, den Zuschauer zu leiten, Charakterdarstellerin Ellen Burstyn (The Fountain, Requiem For A Dream) taucht erst spät auf, als der Mummenschanz schon kräftig am toben ist, sie kann deshalb keine wegweisenden Akzente mehr setzen. Kate Beahan (Flightplan, Matrix: Revolutions) ist als verwirrt wirkende Schlüsselfigur Willow jedoch adäquat besetzt, dazu gefällt noch Molly Parker (Hollywoodland) als resolute Lehrerin, Jungstar Leelee Sobieski (Joyride, Eyes Wide Shut) hat nur eine kleine Rolle, in der sie aber für die Handlung wichtig ist.

    Der interessante und clevere Grundgedanke der Produzenten, dem Genre-Horror durch einen hochangesehenen Indie-Regisseur künstlerische Integrität zu verabreichen, geht nur bedingt auf. Optisch und inszenatorisch ist „The Wicker Man“ lange Zeit tadellos, aber das richtige Gefühl, der letzte Punch geht Neil LaBute ab. Er kann seine Geschichte nicht plausibel genug zusammensetzen, obwohl die Einzelteile tatsächlich etwas hermachen. Doch LaBute sollte trotzdem nicht verzagen und sich nach einer Pause gern einmal wieder im Genre versuchen. Das angekündigte Desaster ist „The Wicker Man“ keineswegs.

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