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    The Wolfman
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Wolfman
    Von Jan Hamm

    So schnell kann harmloser Spaß in hehren Ernst umschlagen: Als Aviator-Produzent Rick Yorn eines schönen Abends durch die Bude seines Kumpels Benicio Del Toro schlenderte und ein Plakat des „Wolf Man“ Lon Chaney erblickte, war es bloße Heiterkeit, die das Duo über eine Hommage an den Monsterfilm von 1941 fabulieren ließ. Einen Besuch bei Universal später jedoch stand das Projekt tatsächlich in den Startlöchern - man meinte, der seit Steven Soderberghs „Ché“-Epos vollbärtige Del Toro sähe ohnehin wie ein Werwolf aus. Die Idee, den Vollmond-Zottel neu aufleben zu lassen, war dabei so schlecht nicht. Immerhin offerieren all die archetypischen Gruselmärchen eben jene Substanz zwischen Gothic-Horror und psychologischer Tragödie, die großes Schauerkino ausmacht. Doch mit Klassiker-Interpretationen à la Kenneth Branagh (Mary Shelley's Frankenstein) oder Francis Ford Coppola (Bram Stoker's Dracula) kann Joe Johnstons „Wolfman“ nicht mithalten. Zu flach inszeniert Johnston das Kernthema - die Konfrontation des Menschen mit seiner tierischen Kehrseite. Wenigstens der feine Cast hat sichtbar Spaß dabei, dem schlampigen Drehbuch vor majestätisch fotografierter Nebelkulisse entgegen zu spielen.

    Ein trauriger Anlass ruft den weltgewandten Shakespeare-Mimen Lawrence Talbot (Benicio Del Toro, Che - Guerrilla, Fear And Loathing In Las Vegas) zurück in seine englische Heimat. Im düsteren Waldland um den Landsitz seines Vaters John (Anthony Hopkins, Das Schweigen der Lämmer) waren Jägersmänner über einen verstümmelten Kadaver gestolpert, der mit Mühe noch als sein Bruder identifiziert werden konnte. Der Adelssohn geht auf Spurensuche, dem abergläubischen Dorfgeschwätz über einen uralten Fluch schenkt er kein Gehör. Bis er bei seiner Investigation in einem Zigeunerlager selbst Opfer eines berserkernden Ungeheuers wird. Doch sind die tiefen Wunden schnell verheilt - und beim bösen Erwachen nach der nächsten Vollmondnacht erkennt ein entsetzter Lawrence, dass fortan auch in ihm eine Bestie lauert. Auf der Flucht vor Scotland-Yard-Ermittler Aberdine (Hugo Weaving, Matrix) muss er nicht nur die schöne Bruder-Witwe Gwen (Emily Blunt, Der Teufel trägt Prada) vor sich selbst schützen, sondern auch einem furchtbaren Familiengeheimnis auf die Schliche kommen...

    Die Horror-Popkultur mag den Werwolf-Mythos auf ein bequemes Maß zurechtgestutzt haben, etwa zugunsten einer Transformation nach Lust und Laune, wie sie die Underworld- und Twilight-Franchises vorsehen. In Johnstons „Wolfman“ aber wird sich ordnungsgemäß nur bei Vollmond verwandelt - was allerdings dramaturgische Schwierigkeiten aufwirft. Denn so können entscheidende Handlungsschritte eben nur im Monatsrhythmus folgen. Johnston und seine Drehbuchautoren David Self und Kevin Andrew Walker versuchen gar nicht erst, darauf eine Lösung zu finden - sie ignorieren die narrative Problematik einfach. Was in den Monaten zwischen den Vollmondnächten geschieht, bleibt so vage wie Vergangenheit und Entwicklung der Protagonisten selbst. Wenn der Oberpsychiater des Zuchthauses, in dem Lawrence zwischenzeitlich weggesperrt wird, anmerkt, der Patient sei dort bereits früher insässig gewesen, dann aber im Verlauf des Films kein weiteres Wort darüber verloren wird, wirkt „Wolfman“ endgültig wie die Verfilmung einer losen Drehbuchnotiz.

    Wendungen wie die unvermeidliche Lovestory zwischen Gwen und Lawrence werden nicht auserzählt, sondern schlicht behauptet, während den Nebenfiguren jede klare Kontur verweigert wird. Insbesondere bei Aberdine fällt das ins Gewicht: Über sein Scotland-Yard-Engagement hinausweisende Charaktereigenschaften oder gar die Repräsentanz einer zeitgenössischen Ideologie fehlen. Das erstaunt, zeichnet Walker doch mit für das Skript zu Tim Burtons Sleepy Hollow verantwortlich. Dort porträtierte er über Johnny Depps vertrottelten Ichabod Crane gleich eine ganze Epoche zwischen Alchemie und Wissenschaft. Von dieser cleveren Konzeption zeugt in „Wolfman“ lediglich die so irrelevante wie trashig überformte Randfigur eines Mediziners, der Lawrences in den Wind geschlagene Vollmond-Warnungen einen Lidschlag später mit seinem Blut bezahlen muss.

    Johnstons Blick auf die großen Themen des viktorianischen England bleibt oberflächlich, wohl aber wird das Setting fantastisch visualisiert. Die nebelgetränkten Landschaftstableaus spielen - bewusst bis an die Kitschgrenze getrieben - mit der romantisch-pantheistischen Ästhetik eines Caspar David Friedrich. Das alte Herrenhaus der Talbots würde mit seinen düsteren Winkeln und der dekadenten Dekoration ebenso für edelsten Haunted-House-Horror herhalten können. Ausgerechnet bei der Monsterdarstellung aber patzt der Regisseur, der seit seiner Arbeit am Jäger des verlorenen Schatzes immerhin einen Oscar für besten visuellen Effekte in der Vitrine stehen hat. Geradezu peinlich steril ist die Animation der knapp verfassten Hintergrundgeschichte des Werwolf-Fluches, die einen unverhohlenen Gollum-Verschnitt ins Bild rückt.

    Spaß macht „Wolfman“ immer dann, wenn die Darsteller mit gekonnter Theatralik gegen die Holzschnittartigkeit ihrer Figuren angehen. Benicio Del Toro wirft sein Gesicht in Falten, dass es nur so ächzt im mimischen Gebälk. Anthony Hopkins lässt einmal mehr das lauernde Raubtier durchblitzen, als das sich Hannibal Lecter einst ins filmkulturelle Gedächtnis einbrannte - wenngleich ihm die deutsche Synchronisation Charisma raubt. Hugo Weaving muss ohnehin bloß vor die Kamera gezerrt werden, um mit noch so trivialen Zeilen ungeheure Bannkraft zu entfalten. Lediglich Emily Blunt kann sich in ihrer auf würdelose Stichwortlieferei beschränkten Rolle nicht profilieren. Über die Substanzlosigkeit der Erzählung kann der launige Cast aber leider nicht hinwegtäuschen.

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