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    Miss Marple: Der Wachsblumenstrauß
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Miss Marple: Der Wachsblumenstrauß
    Von Martin Soyka

    Miss-Marple-Filme mit der großartigen Margaret Rutherford sind etwas Besonderes, nämlich waschechte Evergreens. Wie das ebenso legendäre „Dinner For One“ gehören die Filme zu den immer gerne wieder gesehenen alten Filmen, mit denen man sich so prächtig am Sonntagnachmittag amüsieren kann. Und wie beim „Dinner For One“ geht es auch gar nicht so sehr um den Inhalt, sondern mehr um die Form. Das trifft natürlich auch auf den „Wachsblumenstrauß“ zu, Margaret Rutherfords zweiter von vier Auftritten als energische Hobbydetektivin.

    Es beginnt wie immer: Miss Marple wird unversehens mit einem Mord konfrontiert und sieht sich genötigt, selbst zu ermitteln, mal unterstützt und mal gebremst von ihrem Freund Mr. Stringer (Stringer Davis). Da sammelt die rüstige Dame für einen guten Zweck (Resozialisierung von Strafgefangenen), schon fällt ihr im wahrsten Sinne ein Toter vor die Füße: der steinreiche aber spleenige und misanthropische Mr. Enderby (Finlay Currie). Für Jane Marple ist sofort klar: Der Mann muss ermordet worden sein. Die Tatwaffe: eine Katze, denn vor denen hatte er panische Angst (!). Eine Bande von Verdächtigen ist ebenfalls flugs ausfindig gemacht, nämlich die geldgierigen Erben. Und es dauert nicht lange, bis die nächste Leiche auftaucht. Jetzt geht Miss Marple in die Offensive und quartiert sich als Gast im Reithotel mitten zwischen den Verdächtigen ein….

    Erzählerisch sind die vier Rutherford-Filme eigentlich alles andere als Perlen. Alle folgen dem selben Schema: Alte Schrippe wittert Mord, die Polizei glaubt ihr nicht, sie begibt sich zwischen die Verdächtigen und wird bei der Enttarnung des Mörders von diesem fast selbst gemeuchelt. Also sozusagen James Bond light, immer wieder dasselbe und doch anders. Dass man die Filme so gerne immer wieder entdeckt, liegt an der Hauptdarstellerin und ihrer Wirkung auf das Film-Umfeld. Sie ist omnipotent, sei es Reiten, Schauspielern oder Segeln, war schon überall und hat schon alles gemacht und ist doch nie über ihr provinzielles Dasein hinausgekommen. Und was sie nicht selbst erlebt hat, hat sie zumindest in Kriminalromanen nachgelesen. Bei der Mörderhatz entwickelt sie eine Energie, um die sie jede halb so alte Frau beneiden würde. Sie ist eine alte, aber charakterlich starke Frau. Ihr Sidekick Mr. Stringer mit seiner weinerlichen Stimme, die Stan Laurel gehören könnte, wird von ihr klar dominiert. Women´s lib in Reinkultur.

    Unter den Agatha-Christie-Verfilmungen sind zwei verschiedene Arten zu finden: die, die sich treu an die Vorlage halten, und die, die diese genüsslich ignorieren. Zu der erstgenannten Spezies gehören „Mord im Orient-Express“ und „Mord im Spiegel“. Dort sind die Detektive so dargestellt, wie die Autorin sie erdacht hat, nämlich als Unsympathen. Albert Finney und Angela Lansbury, die später mit „Mord ist ihr Hobby“ in einer ganz ähnlichen Rolle reüssierte, haben die Detektiv-Ikonen werkgetreu als hochintelligente, aber spleenige und verschlossene Charaktere interpretiert. Stets blieb eine gewisse Distanz, die es dann auch zuließ, dass der Zuschauer dem langen Schlussmonolog im dritten Akt, bei dem der Mörder entlarvt wurde, überrascht und erstaunt lauschen konnte. Erst mit den Poirot-Filmen mit Peter Ustinov wurde eine Balance zwischen leichter Komik und ernster Tätersuche gefunden, die beide Erwartungshaltungen befriedigen konnte.

    Das Prinzip der Werktreue wurde dagegen schon im Vorwege bei den Rutherford-Filmen aufgegeben. Man ist immer dicht an Miss Marple dran, ihr Freund Mr. Stringer (Stringer Davis, Rutherfords Lebenspartner in einer offensichtlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme), der in keinem der Bücher auftritt, und der genervte Inspector Craddock (im Buch ein Neffe der Detektivin) sind Projektionsflächen für ihre Gedanken. Daher macht es auch keinen Sinn, in einem Monolog den Mörder zu präsentieren, denn so viel Respekt erlangt die Figur im Film nicht, dass die Verdächtigen ihr lange zuhören würden. Nein, sie stellt dem Mörder unter Einsatz ihres Lebens eine Falle und kann erst in letzter Sekunde gerettet werden. Das hat mit der Vorlage nichts zu tun, ist aber immer wieder nett, zumal man meist nach zehn Minuten vergessen hat, wer der Mörder war.

    Anders als in den Büchern schert man sich hier um Logik nicht viel. Warum sollten sich die Erben um ein wertvolles Bild streiten, wenn sie doch schon großzügig bedacht worden sind? Was wird aus dem scheinbaren und die Handlung auslösenden Mord an Mr. Enderby? (Es war nämlich keiner, aber egal). Wieso gelingt es Miss Marple, das wertvolle Bild problemlos vom Landsitz nach London bringen zu lassen, wo doch alle glatt bereit sind, dafür zu töten? Und warum wird sie, als sie die zweite Leiche findet, als Mörderin verdächtigt, verdächtigt aber ihrerseits nicht die Person, die, weil ebenfalls anwesend, die beste Gelegenheit zur Tat hatte? Und warum heißt der Film im Deutschen „Der Wachsblumenstrauß“? Der kommt nur in einem Nebensatz vor, alibimäßig sozusagen. Aber seien wir nicht kleinlich. Margaret Rutherford hat das Bild von Miss Marple so entscheidend geprägt, dass spätere Versuche der werkgetreuen Umsetzung relativ dröge und damit erfolglos geblieben sind. Im Bewusstsein des Zuschauers sind von der Schauspielerin im wesentlichen diese vier Filme verankert (auch wenn nicht verschwiegen werden soll, dass sie auch mal einen Oscar gewonnen hat und ihre Filmografie weit über 50 Filme aufweist). Also dann: auf Wiedersehen.

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