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    Vorbilder?!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Vorbilder?!
    Von Stefan Ludwig

    Kinder lernen von Erwachsenen. Ebenso können aber umgekehrt auch Erwachsene eine Menge von Kindern lernen. Das sind keine neuen Weisheiten. Und doch bildet diese Einsicht die solide Basis für die mitreißende Komödie „Vorbilder?!“ von Regisseur David Wain: Zwei völlig gegensätzliche Freunde müssen die für sie ungewöhnliche Aufgabe übernehmen, Jungen mit ernsthaften Problemen zu betreuen und sind damit zunächst völlig überfordert. Mit der Zeit erkennen sie allerdings, was die Kinder ihnen voraus haben. Obgleich mit dieser Story und der Behandlung des Vorbild-Konflikts das Rad nicht neu erfunden wird, funktioniert das simpel gestrickte Drehbuch überraschend gut. Das liegt an den sehr pointierten Gags und den gut aufgelegten Schauspielern, allen voran am häufig unterschätzten Seann William Scott (Road Trip, Welcome To The Jungle).

    Wheeler (Seann William Scott) und Danny (Paul Rudd) fahren mit einem Minotaurus-Monster-Truck von Schule zu Schule und bewerben den gleichnamigen Energydrink mit dem Spruch „Just say no to drugs, and YES! to Minotaur“. Nach einem unglücklichen Unfall haben sie die Wahl zwischen dreißig Tagen Gefängnis und 150 Sozialstunden. Um nicht einen Monat hinter Gittern verbringen zu müssen, nehmen sie an einem „Big Brother“-Programm teil, für das sie Kinder mit sozialen Schwierigkeiten beaufsichtigen sollen. Wheeler wird dem Hasstiraden ausspuckenden Ronnie Shields (Bobb'e J. Thompson, Columbus Day) zugeteilt, der außerdem eine für sein Alter ungewöhnlich stark ausgeprägte Schwäche für weibliche Brüste hat. Danny muss sich mit dem Sonderling Augie Farks (Christopher Mintz-Plasse, Superbad) auseinandersetzen, der nachmittags mit einem stumpfen Holzschwert bewaffnet an einem Mittelalter-Fantasy-Spiel teilnimmt, bei dem er sich auf einer Wiese mit Gleichgesinnten prügelt.

    Regisseur David Wain schrieb gemeinsam mit Hauptdarsteller Paul Rudd (Beim ersten Mal, Walk Hard) auch das Drehbuch. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Konflikt zwischen den beiden sehr unterschiedlich angelegten Charakteren Wheeler und Danny. Während letzterer angesichts einer offenbar gescheiterten Beziehung zunehmend depressiv wird, ist Seann William Scott als Wheeler einmal mehr der partylüsterne Frauenheld, den wir aus drei American Pie-Filmen kennen. Aus den Gegensätzen zwischen den beiden Hauptfiguren erwächst dann auch ihr unterschiedlicher Umgang mit den ihnen anvertrauten Kindern. Wheeler schleppt Ronnie mit auf eine Party, Danny folgt Augie zunächst desinteressiert zum Mittelalter-Rollenspiel. David Wain scheint bei seinem mittlerweile dritten Spielfilm als Regisseur und Drehbuchautor aus den stark sketchlastig angelegten Vorgängern, die bisher nicht in Deutschland zu sehen waren, gelernt zu haben und wertet „Vorbilder?!“ durch ein stringenteres Skript deutlich auf. Dieses ist zwar vorhersehbar, doch das lässt sich dem Genre zuschreiben. Es soll nicht mit einer komplexen Story unterhalten werden, sondern mit einfallsreichem Wortwitz und Situationskomik. Und genau darin liegt die Stärke des Films. Die Charaktere wurden zwar am Reißbrett entworfen, aber gerade das ist hier die Grundlage für gehörigen Witz. Hollywood produziert Komödien am laufenden Band, doch nur selten sind die Dialoge durchgehend so amüsant und auf den Punkt geschrieben wie bei „Vorbilder?!“.

    Die Entwicklung der Charaktere wird durch den bereits beschriebenen Lernprozess vorangetrieben. Die beiden Erwachsenen können sich von ihren „kleinen Brüdern“ eine Menge abgucken: Danny entdeckt in dem zunächst abgehoben wirkenden Augie schon bald sehr positive Seiten, und Wheeler überwindet seine Oberflächlichkeit, indem er durch die Begegnung mit Ronnie seine eigenen Schwächen erkennt. Diesen inneren Konflikt stellt Seann William Scott überzeugend dar, ohne sich allzu weit von der Figur des unkomplizierten Partylöwen zu entfernen, die die Zuschauer von ihm gewöhnt sind. Doch in „Vorbilder?!“ fügt Scott dieser Rolle neue Facetten und Tiefe hinzu, was die Leistung zu einem Höhepunkt in seiner Karriere macht und noch weitaus größeres Potenzial andeutet. Es wäre durchaus wünschenswert, Scott bald auch einmal in einer ernsthafteren Rolle zu sehen.

    Neben Scott sind die Kinder-Darsteller ein weiterer Pluspunkt und stehlen den erwachsenen Mentoren in vielen Szenen die Show. Bobb'e J. Thompson beeindruckt als frühreifes Biest, das es zu zähmen gilt. Besonders seine zumindest in der englischen Fassung sehr präzise und wahnwitzig schnell gesprochenen Monologe sind ein Erlebnis. Christopher Mintz-Plasse gelingt es, die Beharrlichkeit, mit der er in Fantasie-Welten eintaucht, verständlich zu machen. Er stellt sein ganzes übriges Leben gegenüber dem Ersatz-Universum des Rollenspiels zurück, da er dort tatsächlich ernst genommen wird. Die witzigste Nebenfigur ist übrigens Jane Lynch, die als Vorsitzende des „Big Brother“-Programms ihre Rolle aus Jungfrau (40), männlich, sucht… nochmals zuspitzt. Mit perfekt pointiertem Zynismus spielt sie die bekehrte Ex-Drogensüchtige.

    Der Vorwurf liegt nahe, dass „Vorbilder?!“ nichts Neues biete. In der Tat folgen die Story und ihr Verlauf in drei Akten offen den Gesetzen des Genres. Es gilt allerdings festzustellen, dass die Filmemacher damit alles richtig gemacht haben. So gelingt die Konzentration auf das Wesentliche: Die Gagdichte ist bemerkenswert. „Vorbilder?!“ ist ein gnadenlos lustiger, alles in allem überzeugender Film zum Wohlfühlen und Spaß haben. Trotz seiner einfachen Anlage ist „Vorbilder?!“ unheimlich komisch, ohne dabei gezwungen zu wirken. Ein kleines Kunststück, das leider allzu selten gelingt.

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