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    Lapislazuli - Im Auge des Bären
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Lapislazuli - Im Auge des Bären
    Von Christoph Petersen

    Der österreichische Erfolgsregisseur Wolfgang Murnberger erlangte vor allem mit seinen Wolf Haas Verfilmungen „Komm, süßer Tod“ und Silentium internatonale Beachtung. Die gesellschaftskritischen Krimis um Kommissar Brenner inszenierte er dabei mit so bitterbösem Zynismus und wunderbarem Wiener Schmäh, dass die beiden Filme heute auch über die Grenzen von Österreich hinaus Kultstatus erlangt haben. Aber wie viele Regisseure, die dazu auch noch Väter sind, spürte auch Murnberger ein Verlangen danach, seinen Kindern etwas von seiner Arbeit zeigen zu können. Deshalb hat er sich dazu entschieden, vor dem nächsten Thriller einen Abstecher ins Kinderfilmfach zu unternehmen. Das Ergebnis, das Familienabenteuer „Lapislazuli – Im Auge des Bären“ um einen aufgetauten Neandertaler, ist dabei zwar nicht immer ganz stimmig geraten, ist aber zumindest für die ganz jungen Zuschauer auf jeden Fall einen Kinobesuch wert.

    Die dreizehnjährige Sophie (Julia Krombach) fährt widerwillig mit ihrem Vater Tom (Hans Werner Meyer), ihrer Stiefmutter Christine (Lena Stolze) und ihrer Stiefschwester Lissy (Paula Nocker) in den Urlaub in die österreichischen Alpen. Seit dem Tod ihrer Mutter distanziert sich Sophie immer mehr von Tom und seiner neuen Frau, für sie hat ihr Vater ihre tote Mutter viel zu schnell vergessen. Als Sophie es gar nicht mehr aushält, flüchtet sie aus der abgelegenen Berghütte und versucht sich alleine zum Bahnhof durchzuschlagen, um von dort zu ihren Großeltern zu fahren. Als Sophie sich verirrt, erhält sie unerwartete Hilfe von dem Neandertalerjungen Batta (Clarence John Ryan), der seit tausenden von Jahren in einem Gletscher eingefroren war und nun durch Zufall von einem abgestürzten Meteoriten wieder aufgetaut wurde. Gemeinsam fliehen sie vor den beiden Archäologen Czerny (Christoph Waltz) und seinem schusseligen Assistenten Heckl (Gregor Bloeb), die Batta für ihr Museum einfangen wollen. Aber nachdem die ersten Verständigungsprobleme überwunden sind, findet Sophie heraus, welch düsteres Geheimnis sich hinter Battas lapislazuli-blauer Bemalung verbirgt…

    Der erste große Trumpf des Films ist die Besetzung des Neandertalerjungen mit dem australischen Kinderdarsteller Clarence John Ryan. Lange hat das Produktionsteam darüber nachgedacht, ob man sich auf dem dünnen Eis zwischen Political Corectness und internationalem Fauxpas wohl fühlt - immerhin mutet es beim ersten Hören schon ein wenig fragwürdig an, gerade einen Aborigini als Neandertaler zu besetzen. Aber die Alternative, einen angemalten europäischen Darsteller zu nehmen, wäre bestenfalls albern gewesen. Und außerdem überzeugt Ryan nicht nur durch sein exotisches Aussehen, sondern vor allem durch seine ausgereifte Verkörperung eines Steinzeitmenschen. Dabei verfällt er nicht, wie es bei so vielen Filmen mit ähnlichem Thema (zum Beispiel „Steinzeit Junior“ mit Brendan Fraser) der Fall ist, dem plumpen Slapstick, sondern bewahrt sich eine für einen Kinderfilm ungewohnte Ernsthaftigkeit in seiner Darstellung.

    Auch Julia Krombach liefert eine bewundernswert ausgefeilte Performance ab. Aber hier hätte das Casting-Team in Anbetracht der großen Naivität der Rolle lieber nach einer mindestens drei Jahre jüngeren Schauspielerin suchen sollen. Wenn Sophie ihren Neandertaler-Freund unbedarft mit in die Stadt schleppt, um mit ihm zu ihren Großeltern zu flüchten, nimmt man der ansonsten ja auch nicht gerade auf den Kopf gefallenen 13-Jährigen diese Naivität einfach nicht ab. Auch die Besetzung der Erwachsenen-Parts ist überzeugend, aber wo Hans Werner Meyer („Marlene), Lena Stolze („Rosenstraße“) und Christoph Waltz (Der alte Affe Angst) als „Normalos“ naturgemäß eher blass bleiben, holen Gregor Bloeb als schusseliger Bösewicht und Schauspiel-Urgestein Vadim Glowna (Kalt ist der Abendhauch, Agnes und seine Brueder) als geheimnisumwobener Einsiedler aus ihren kleinen, aber einprägsamen Rollen das Letzte heraus.

    Murnberger macht es sich zu Beginn ungewöhnlich schwer, wodurch der Film aber nur gewinnt: Anstatt zumindest seine jugendliche Protagonistin von vorneherein als sympathische Figur einzuführen, holt er zunächst einmal zu einem Rundumschlag durch die Patchwork-Familie aus. Der Vater ist unfair, die Stiefmutter findet keinen Zugang, die Stiefschwester ist einfach unglaublich nervig und Sophie selbst kommt als bockige Teenagerin auch nicht viel besser weg. So ist „Lapislazuli – Im Auge des Bären“ im Gegensatz zu vergleichbaren Produktionen - was das gezeigte Familienbild angeht - erfrischend komplex. Leider sind auch die Rätsel um Battas Rituale und die steinzeitlichen Bezüge ähnlich anspruchsvoll, so dass der Film insgesamt von seinen jungen Zuschauer ein wenig zuviel fordert. Positiv heraussticht aber der ungewohnt ernsthafte und äußerst gelungene Umgang mit dem Thema Tod, den die Drehbuchautoren sehr subtil und fast ohne falsche Sentimentalität in die Abenteuergeschichte verwoben haben.

    Heimliches Highlight – zumindest für die begleitenden Eltern, Omas und Opas – bleiben aber die österreichischen Alpen. Regisseur Murnberger beweist ein gutes Gespür dafür, die grandiose Kulisse aus Zillertaler Gletschern, Wäldern, Gebirgsseen und einer gewaltigen Staumauer spektakulär in Szene zu setzen. So ist „Lapislazuli – Im Auge des Bären“ ein spannendes Abenteuer für alle Kinobesucher unter zwölf und ein wunderschöner Landschafts-Bilderbogen für die erwachsenen Begleiter. Nur für ein jugendliches Publikum, das sich wohl an der Naivität der Protagonistin zu sehr stören würde, ist der Film wenig geeignet.

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