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    Charlie Bartlett
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Charlie Bartlett
    Von Björn Helbig

    Freunde finden ist gar nicht leicht. Vor allem dann nicht, wenn man ein Sonderling wie „Charlie Bartlett“ ist. Jon Polls Komödie über einen Außenseiter, der sich zuerst mit den falschen Mitteln beliebt macht, um später zu erkennen, was wirklich wichtig ist, ist zwar etwas handzahm geraten und bestimmt kein Meilenstein des Genres, kann aber dank der gut aufgelegten Darsteller und einiger netter Ideen durchaus unterhalten.

    Charlie Bartlett (Anton Yelchin) findet in keiner Schule so recht Anschluss. Dabei war er schon in einigen. Sein Aufenthalt endet meist damit, dass er wegen irgendwelcher krummer Dinger der Lehranstalt verwiesen wird. Zuletzt flog er von einer teuren Privatschule, auf die ihn seine Mutter Marilyn (Hope Davis) geschickt hat, weil er versucht hatte, sich durch das Fälschen von Führerscheinen beliebt zu machen. Der nächste Versuch, Charlie unterzubringen, stellt eine ganz normale staatliche Schule dar. Doch auch hier eckt der intelligente Junge natürlich gleich wieder an. Der Schulschläger Murphey Bivens (Tyler Hilton) kann gar nichts mit diesem geschwollen schwatzenden, reichen Sonderling anfangen und verpasst ihm erstmal eine Abreibung. Doch Charlie ist anpassungsfähig. Durch seinen Psychiater hat er Zugang zu einem Sammelsurium an Antidepressiva, die er mit Hilfe Bivens auf dem Jungenklo der Schule an Schüler vertickt. Charlies Beliebtheit steigt. Und bald merkt er, dass seine Mitschüler mehr brauchen als Prozac und andere Glückspillen – nämlich jemanden, der ihnen zuhört. Bald ist Charlies Beratungsstunde auf der Toilette eine feste Einrichtung, die von beinahe allen genutzt wird. Der Rektor (Robert Downey Jr.) behält Charlie im Blick, zumal der junge Störenfried ein Auge auf seine Tochter (Kat Dennings) geworfen zu haben scheint.

    Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Und dass „Charlie Bartlett“ wirklich gut gemeint ist, daran kann kaum ein Zweifel bestehen. Eine amüsante Teeniestory – ein Außenseiter muss sich an einer neuen Schule behaupten – wird verknüpft mit den aktuellen Themen Jugendgewalt, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit und sogar der Videoüberwachung von öffentlichen Einrichtungen. Hinzu kommt ein Cast, der sich sehen lassen kann. Charlie-Darsteller Anton Yelchin ist schon vergangenes Jahr in Alpha Dog positiv aufgefallen und nun kann er sein Können in der Hauptrolle unter Beweis stellen. Kat Dennings (Jungfrau (40), männlich, sucht...) spielt Charlies Love Interest Susan Garner. Flankiert wird das junge Filmpärchen von dem wunderbaren Robert Downey Jr. (Zodiac, Iron Man) in seiner auf ihn zugeschnittenen Nebenrolle als kaputter Direktor und der nicht minder sehenswerten Hope Davis (About Schmidt, Kaltes Blut) als Charlies Mutter.

    „I'm just a stupid kid.” (Charlie Bartlett)

    Soweit so gut. Oder auch nicht. Denn der erfahrene Cutter und Produzenten Jon Poll, der bei „Charlie Bartlett“ erst zum zweiten Mal auf dem Regiestuhl Platz nimmt und sein Autor Gustin Nash machen einige Fehler und schöpfen das Potenzial des Stoffes nicht aus. Sie setzen auf einen schräg-coolen Hauptdarsteller, markige Szenen und einen flotten Soundtrack. Und das funktioniert meist auch – „Charlie Bartlett“ ist größtenteils recht kurzweilig geraten. Doch das Problem: Man möchte es einfach allen recht machen und ist im Endeffekt viel zu zahm. Zum Beispiel beim Medikamenten-Thema. Dass Charlies Mutter auch abhängig von Antidepressiva ist, dass sie und der Psychiater dem Jungen die Medikamente geradezu aufdrängen, dass die ganze Schule verrückt nach den Pillen ist, das alles wird dem Zuschauer ganz freundlich verkauft. Irgendwann, nach einem kleinen Zwischenfall (der natürlich wie alles in dem Film ein gutes Ende nimmt) überlegt sich Charlie, dass Drogen ja auch keine Lösung sind, lässt die Dealerei und beschließt, seine Mitschüler lieber fürs Schultheater zu begeistern. Die Bissigkeit von Glück in kleinen Dosen oder Thumbsucker fehlt in „Charlie Bartlett“ völlig.

    Auch das Thema Videoüberwachung an der Schule, wird nur oberflächlich behandelt und man kommt nicht ganz umhin, es als aufgesetzt zu empfinden. Ebenso der durchaus aktuelle Brennpunkt Jugendgewalt, in dem Schüler ihre Mitschüler zusammenschlagen und dabei filmen. Auch hier macht es sich der Film wieder sehr einfach, indem die Schläger durch das Schülertheater leicht von ihren aggressiven Taten abzubringen sind. Bestimmt hätten interessantere Figuren den fehlenden Biss des Films etwas abfedern können, doch leider kann „Charlie Bartlett“ auch hier nicht immer punkten. Charlie und der Direktor sind zweifelsohne interessante Charaktere, aber in der zweiten Reihe finden sich doch recht viele Klischeefiguren, denen es zudem noch an Glaubwürdigkeit mangelt. Schläger Murphey, der eigentlich ein ganz Lieber ist, Depri Kip (Mark Rendall), der im Prinzip nur einen Freund braucht – diese und andere Figuren sind zu einfach konstruiert, als dass man sie wirklich ernst nimmt.

    „Never attack a drunk guy with a gun” (Rektor Gardner)

    Doch zum Glück gibt es trotzdem viele gute Momente, die über diverse Schwächen hinweg helfen und den Film dann im Großen und Ganzen zu einem recht kurzweiligen Vergnügen werden lassen. Immer wenn Charlie Klavier spielt, ob allein oder mit seiner Mutter, ist das ein großer Spaß; und auch seine Tagträume von sich als Entertainer wissen zu gefallen. Die vielleicht beste Szene hat Robert Downey Jr. als er im Bademantel mit einer Waffe herumfuchtelt und auf das Modellboot schießt. Herrlich! Doch das flaue Gefühl bleibt, dass bei „Charlie Bartlett“ wesentlich mehr drin gewesen wäre. So muss sich der Film mit einem Platz im guten Mittelfeld begnügen.

    Fazit: Jon Polls Teenie-Komödie um einen Jungen, der eine Schule völlig umkrempelt und sich dabei auch selbst verändert, steckt voller satirischer Ansätze, die leider zugunsten der Feel-Good-Atmosphäre zurückstecken müssen. „Charlie Bartlett“ ist ein Schaf im Wolfsfell.

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