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    Sterben für Anfänger
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Sterben für Anfänger
    Von Christian Horn

    Wer Filme kennt, in denen es um ein Familientreffen geht, weiß sehr gut, dass so etwas selten idyllisch abläuft (zum Beispiel Das Fest von Thomas Vinterberg). Und so, wenn auch in deutlich anderer Stoßrichtung, sieht es auch in Frank Oz‘ neuem Film aus: Nachdem der Regisseur sich mit seinem letzten Streifen, dem Remake Die Frauen von Stepford, einen faden Fehltritt geleistet hat, läuft er mit seiner herrlich schwarzen, völlig überdrehten Komödie „Sterben für Anfänger“ wieder zur Hochform auf, was in erster Linie an der routinierten Inszenierung und dem hervorragend aufgelegten Darstellerensemble liegt.

    Der ganze Film spielt auf einer Beerdigung, die von Anfang an unter keinem guten Stern steht: Die Leichenbestatter lassen Daniel (Matthew MacFayden) noch mal einen letzten Kontrollblick in den Sarg seines Vaters werfen, in dessen Inneren sich allerdings die falsche Leiche befindet… Zum Glück sind die Gäste noch nicht da und der Fauxpas kann noch rechtzeitig behoben werden. Doch das ist erst der Anfang und wer sich darüber wundert, dass einer der Beerdigungsgäste auf dem Kinoplakat nackt zu sehen ist, wird sich am Ende über gar nichts mehr wundern. Frank Oz („Der kleine Horrorladen“, Stimme von Meister Yoda) gibt von Anfang an Vollgas: Schon das hektische Eintrudeln der überschaubaren Trauergäste, die allesamt in schwarzen Autos anreisen, hat so viel gelungenen, typisch britischen Humor parat wie eine durchschnittliche Komödie über die gesamte Filmlänge.

    Die wesentlichen Charaktere sind der Überschaubarkeit halber relativ simpel gezeichnet: Robert (Rupert Graves), Daniels versnobter Schriftstellerbruder, führt ein Luxusleben in New York, fliegt erster Klasse nach London, hat aber kein Geld, um die Hälfte der Beerdigungskosten zu übernehmen – kurzum: ein selbstverliebter Egoist. Martha (Daisy Donovan), die Cousine der beiden, ist zwar durchaus emanzipiert, steht aber unter der stetigen Kontrolle ihres herrischen Vaters Viktor (Peter Egan), der autoritären Seite der Familie. Ihm will sie ihren neuen Verlobten Simon (Alan Tudyk) vorstellen, der ohnehin schon nicht der Nervenstärkste ist. Und dann gibt es da noch Justin (Ewen Bremner), ein vergeigter One-Night-Stand Marthas (der immer noch spitz auf die Arme ist), dessen einsiedlerischen Freund Justin, Daniels häusliche Frau Jane, Marthas kleinen Bruder Troy (Kris Marshall), der neben dem Studium mit Drogen dealt, und natürlich die Frau des Verstorbenen, die sich in der ihr gewidmeten Aufmerksamkeit gar nicht unwohl fühlt. Als besonderen Leckerbissen haben wir noch den griesgrämigen Onkel Alfie (Peter Vaughan), der eigens aus dem Altersheim abgeholt wird und durch sein permanentes Stänkern auffällt (und an den „alten Sack“ aus „Das kleine Arschloch“ erinnert). Und einen mysteriösen Liliputaner, den niemand eingeladen hat...

    Man merkt es schon: Irgendwie hat da jeder mit jedem eine Rechnung offen und alles geht wild durcheinander. Dabei denkt man zu Beginn, dass die Beerdigung nur den Auftakt des Films bildet, denn schon nach der ersten Viertelstunde setzt Daniel zur Trauerrede an (der Pfarrer hat nämlich nicht viel Zeit…) „Mein Vater war ein besonderer Mensch“, beginnt er – und verliert völlig die Fassung, als Simon, der versehentlich auf einem üblen Cocktail aus halluzinogenen Drogen angereist ist, die Gäste lautstark davon unterrichtet, dass aus dem Sarg Stimmen kommen (was definitiv nicht stimmt, zumindest noch nicht) und ihn letztlich umwirft, wobei die Leiche des Vaters auf den Boden vor die Füße der trauernden Mutter fällt – „wie eine Forelle“ übrigens… Und ähnlich herb geht es dann auch weiter: Der Liliputaner wird (aus triftigem Grund) wild strampelnd gefesselt, Howard hat Fäkalien von Onkel Alfie im Gesicht kleben, Simons Drogentrip bringt ihn bis aufs Dach, es werden haarsträubende Dinge enthüllt und überhaupt kracht es an allen Ecken, alles wird bis zur totalen Eskalation getrieben.

    Das hört sich alles sehr nach stupidem Klamauk à la „Scary Movie“ an (und das ist es streng genommen auch), wird durch die gekonnte Umsetzung aber sehr charmant – und, was noch wichtiger ist, witzig. Es passieren immer mehrere Sachen auf einmal und die Handlungsstränge greifen perfekt getimt in einander, was ja bekanntlich die wichtigste Zutat für gelungenen Humor im Film ist. Bis zum besinnlichen Ende kommt der Zuschauer kaum zur Ruhe, eine skurrile Situationskomik jagt die nächste. Das kann in Verbindung mit den überdrehten Charakteren mitunter auch für Kopfschmerzen sorgen, bringt aber dennoch Freude. Vor allem die Darsteller vermögen den Zuschauer zu begeistern: Alle spielen sich die Seele aus dem Leib und die gute Stimmung am Set, abzulesen am Abspann, hat sich unmittelbar auf den Film übertragen.

    Fazit: Obwohl manche Entwicklungen allzu vorhersehbar sind und die Figuren in ihrer überspitzten Charakterzeichnung manchmal nerven, ist „Sterben für Anfänger“ alles in allem ein wunderbar schwarzhumoriges, exakt getimtes Kinoerlebnis; und wenn die Begräbnisse in dieser Familie immer so ablaufen, darf man auf eine Hochzeitsfeier gespannt sein. Eine Beerdigung als Familientherapie.

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