Mein Konto
    Rumba
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Rumba
    Von Anna Lisa Senftleben

    Die Geburtsstätte des Kinos waren vor mehr als 100 Jahren die Schaubuden und Panoptiken auf Jahrmärkten, in Zirkussen und Varietétheatern. Aufregend klingende Apparaturen wie der Kinematograf, das Kinetoskop und das beinahe Kleinwagen-große Kaiserpanaroma zeigten die ersten bewegten Bilder. Die kurzen Filmchen waren meist Slapstick-Nummern, etwa Clowns oder Artisten, die jonglieren oder mit Kängurus boxen. Auch die Wurzeln des kanadisch-belgischen Duos Fiona Gordon und Dominique Abel finden sich im Varieté. Gemeinsam mit Bruno Romy frönen die ausgebildeten Clowns auch in „Rumba“, ihrem zweiten abendfüllenden Spielfilm, einem burlesken Stil, wobei sie Slapstick- und Stummfilm-Elemente mit jeder Menge Situationskomik verbinden. Ähnlich wie ihrem Erstling „L´Iceberg“ (2005) dürfte es auch dem Cannes-Publikumsliebling „Rumba“ schwerfallen, eine breitere Masse anzusprechen. Die Leinwand als Varieté-Bühne zu nutzen, ist im Zeitalter des digitalen Kinos eben doch ziemlich exotisch.

    Obwohl der Film eine Ansammlung grotesker Momente ist, hat „Rumba“ auch eine Story: Die Eheleute Fiona (Fiona Gordon) und Dom (Dominique Abel) lieben nicht nur einander, sondern auch ihr größtes Hobby, das Rumba-Tanzen. Beide unterrichten an einer Dorfschule – sie Englisch, er Sport – und nutzen die zugehörige Turnhalle nach Unterrichtsschluss als Tanzparkett. Die Unmengen an Pokalen in der gemeinsamen Wohnung zeugen davon, dass das Paar ziemlich gut ist. Doch eine letzte Turnierteilnahme endet trotz erneutem Sieg tragisch: Auf der Heimfahrt krachen die Tänzer beim Versuch, einem Selbstmörder auszuweichen, mit ihrem Wagen gegen eine Wand. Tot ist danach zwar keiner, auch der Selbstmörder nicht. Allerdings verliert Fiona ein Bein und Dom sein Gedächtnis. Ans Rumba-Tanzen ist fortan natürlich nicht mehr zu denken. Wie auch mit nur einem Bein und einem Gatten, der einen nicht mehr erkennt? Aber ein Unglück kommt bekanntlich nur selten allein. Und so finden sich Fiona und Dom schon bald in noch viel schlimmeren Schlamasseln wieder…

    Der Zuschauer muss sich auf den Background der Filmemacher einlassen, ansonsten macht ein Kinobesuch von vorneherein keinen Sinn. Die statische Kamera unterstreicht den theatralischen Charakter in nahezu jeder Sequenz. Zudem sorgen Fiona Gordon und Dominique Abel mit ihrem wortkargen, an Pantomimen erinnerndes Spiel und den häufigen Blicken an die Kamera dafür, dass sich das Publikum eher im Varieté als im Kino wähnt. An Konsequenz mangelt es dem Film in dieser Hinsicht nicht: „Rumba“ ist von der ersten bis zur letzten Minute Kleinkunst auf der großen Leinwand. Auch die minimalistische Ausstattung, die farblich perfekt mit den Kostümen der Protagonisten harmoniert, unterstreicht in ihrer Simplizität den Bühnencharakter. Hier gibt es kein Schuss-Gegenschuss-Prinzip, sondern minutenlange Einstellungen mit unbeweglicher Kamera. Da verlassen die Darsteller auch schon mal das Bild ins Off, um kurz darauf wiederzukehren – ganz wie auf der Bühne eben. So weckt der Stil von „Rumba“ durchaus Erinnerungen an die Slapstick-Großmeister Buster Keaton und Jacques Tati – gerade die Kulissen am Strand sind eine unverkennbare Reminiszenz an Tatis Meisterwerk „Die Ferien des Monsieur Hulot“.

    Gordon und Abel schöpfen Kraft aus grotesken Situationen, die sich zum Teil erst im Bild-Off entfalten, und der Tollpatschigkeit ihrer Figuren. Natürlich ist es witzig, wenn der liebevoll-trottelige Selbstmörder, der eben den Zug verpasst hat, vor den er sich werfen wollte, auch kläglich daran scheitert, sich von Fionas Auto überrollen zu lassen. Ebenso lustig ist die Szene, in der Fiona am Lagerfeuer sitzend voller Inbrunst zu Doms Gitarrenspiel singt, während ihr Holzbein Feuer fängt und die anschließenden Löschversuche absurde Gestalt annehmen. Das ist Slapstick pur. Hier jagt eine tragikomische Situation die nächste. Doch insgesamt klammern sich Gordon und Abel einfach zu sehr an ihr Talent als Bühnenclowns. Wenn ein Clown auf der Bühne drei oder vier Mal über das gleiche Hindernis stolpert, ist das komisch. Für die Leinwand eignet sich ein solcher Running Gag hingegen weniger - er ist irgendwann schlicht langweilig.

    Auf der Bühne mögen die fünffache Wiederholung eines Gags, ein übertriebenes Minenspiel, die Kunst der Pantomimen und eine extrem betonte Körpersprache funktionieren, in einem längeren Spielfilm können diese Zutaten hingegen irgendwann auch ganz schön nerven – zumindest, wenn man sich nicht von Anfang an auf die spezielle Ästhetik und den Varieté-Humor von „Rumba“ einlässt. Doch auch, wenn man dies tut, bleibt ein fader Beigeschmack. Insgesamt orientieren sich die Macher doch zu sehr an Tatis Humor – so sehr, dass „Rumba“ häufig eher wie eine Kopie als eine Hommage wirkt.

    Fazit: „Rumba“ ist ein Film, der gänzlich unkonventionell die tragikomische Geschichte zweier Liebenden erzählt – mit viel Poesie und Liebe zum Detail, aber insgesamt auch mit zu viel Nähe zur Bühne. Das Regietrio Gordon/Abel/Romy findet zwar einen ganz eigenen Stil und punktet mit Selbstironie und gewollten Übertreibungen, hundertprozentig überzeugen kann das relativ überschaubare Repertoire an clownesken Gags aber eben doch nicht. Kleinkunstliebhaber werden sich in „Rumba“ aber dennoch pudelwohl fühlen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top