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    Apollo 13
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Apollo 13
    Von Carsten Baumgardt

    „Houston, wir haben ein Problem.“ Das sind wahrscheinlich die berühmtesten und meistzitierten Worte in der Geschichte der bemannten Raumfahrt. Die Dramatik, die zu dieser nüchternen Aussage gehört, übertrifft den Ereigniswert der ersten Mondlandung am 21. Juli 1969, 3.56 Uhr MEZ, durch die Amerikaner Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins bei weitem. Eben dieser grandios gescheiterten Mission, die vom 11. bis 17. April 1970 die Welt in Atem hielt, widmet sich Ron Howards brillantes Raumfahrt-Drama „Apollo 13“.

    Weniger als ein Jahr ist vergangen, nachdem das Team Armstrong mit Apollo 11 als erste Menschen den Mond betrat. Die amerikanische Öffentlichkeit hat sich an die astronomisch teuren Weltraummissionen gewöhnt und gleichzeitig das Interesse verloren. Der Erzfeind Sowjetunion wurde im Weltraumwettlauf überraschend, aber vernichtend geschlagen. Keine guten Vorzeichen für die Astronauten Jim Lovell (Tom Hanks), Fred Haise (Bill Paxton) und Jack Swigert (Kevin Bacon). Dass sie überhaupt mit Apollo 13 auf dem Weg zum Mond sind, verdanken sie einer Erkrankung im ursprünglich vorgesehenen Team. Hart erwischt es auch Raumpilot Ken Mattingly (Gary Sinise), der aus Lovells Mannschaft aussteigen muss, weil bei ihm während des Fluges die gerade bei der NASA grassierenden Masern hätten ausbrechen können. Er ist nicht immun dagegen, die Flugärzte ziehen ihn aus dem Verkehr. 55 Stunden nach dem Start ihres Fluges zum Mond versetzt ein Knall der Apollo-Crew einen Schock. Gas tritt aus dem explodierenden Sauerstofftank der Odyssee aus. In Houston kämpfen der leitende Flight Director Gene Kranz (Ed Harris) und seine NASA-Mitarbeiter verzweifelt um das Leben der Astronauten. Die Chance, sie lebend auf die Erde zurückzuholen, ist gering...

    Das Kapitel „Apollo 13“, das als erfolgreicher Fehlschlag eingestuft wurde, ist mit Sicherheit nicht das glorreichste der US-Raumfahrtgeschichte, aber definitiv das aufregendste und elektrisierendste. Das wusste auch Regisseur Ron Howard („A Beautiful Mind“, „The Missing“) und er tat gut daran, den TV-Filmern die glatt und ohne Pannen abgelaufene Armstrong-Mission zu überlassen. In „Apollo 13“ steckt wesentlich mehr Spannung, menschliches Drama und Tragödie als in dem Heldenstück um die Apollo-11-Mission. Als Faktenvorlage wählte Howard Jim Lovells Bestseller „Lost Moon“.

    „Apollo 13“ begeistert Raumfahrt-Interessierte gleich auf mehreren Ebenen. Technisch ist der Film schlicht perfekt. Die wirklichkeitsgetreue Ausstattung stimmt bis ins Detail. Für die Szenen in simulierter Schwerelosigkeit quälte Howard seine Crew mit Drehs im berühmt-berüchtigten „Kotzbomber“. Das Flugzeug stürzt sich in den sogenannten Parabelflug [1], um für einige Sekunden den Effekt der Schwerelosigkeit zu erreichen. Es sind diese Kleinigkeiten, die „Apollo 13“ so überzeugend machen. Als Lohn für die überragende technische Umsetzung gab es Oscars für den Ton und den Schnitt.

    Der Ausgang der Geschichte sollte jedem bekannt sein. Doch das schadet dem Film keineswegs. Die Drehbuchautoren William Broyles Jr. („Cast Away - Verschollen“, „Untreu“, „Planet der Affen“, „Der Polarexpress“) und Al Reinert („From The Earth To The Moon“) sorgen für einen passenden, dramatischen Unterbau. Sie schaffen die Voraussetzung, dass die Zuschauer mit den Charakteren leiden. Howards nächster Trumpf sind die hervorragenden schauspielerischen Leistungen. Tom Hanks („Der Polarexpress“, „E-Mail für dich“), der kurz zuvor seine Oscargewinne für „Philadelphia“ und „Forrest Gump“ feierte, ist als Jim Lovell eine gute Wahl. Hanks strahlt immer die nötige Souveränität aus, um in jeder Situation glaubhaft zu wirken und in seinem Spiel nicht mit der eigenen seichten Komödienvergangenheit zu kollidieren.

    Bill Paxton („Titanic“, „Club Mad“, „Dämonisch“) und Kevin Bacon („The Woodsman“, „In The Cut“, „Mystic River“) bekommen weniger Leinwandzeit und Aufmerksamkeit innerhalb der Geschichte, deswegen ist nicht mehr, aber auch nicht weniger, als eine grundsolide Vorstellung der beiden drin. Die heimlichen Stars von „Apollo 13“ sind der Oscar-nominierte Ed Harris („Die Truman Show“, „Der Stoff aus dem die Helden sind“, „The Hours“) und Gary Sinise („Kopfgeld“, „Der menschliche Makel“). Harris brilliert als leitender Bodenkommandant Gene Kranz als unermüdlicher Motor der Rettungsaktion. Er ist der kluge, besonnene Kopf, der alles zusammenhält. Sinise überzeugt bei der Vermittlung seines Konfliktes wegen der krankheitsbedingten Ausbootung. Innerhalb der Bodencrew ist er neben Kranz der wichtigste Mann, weil er die Rückkehrroutinen im Simulator erarbeitet und maßgeblich für Erfolg oder Scheitern der Mission verantwortlich ist. Die ebenfalls für einen Academy Award nominierte Kathleen Quinlan („The Doors“) glänzt als Jim Lovells besorgte, aber keinesfalls einfältige Ehefrau Marilyn.

    Das exakte Zusammenwirken der verschiedenen Komponenten macht „Apollo 13“ zu einem Meisterwerk des Genres. Selbst, wer sich nicht für das Thema Raumfahrt interessiert, findet Anknüpfungspunkte in der beispiellosen menschlichen Tragödie, die den Astronauten bevorsteht. Diese sich aufstauenden Emotionen münden dann in der zentralen emotionalen Sequenz, wenn die Bodencrew nach langen drei, vier Minuten des Funkausfalls beim Wiedereintritts in die Erdatmosphäre nach den Männern ruft, um Gewissheit über Tod oder Leben zu haben. Während das Rauschen des Funkfeuers immer länger andauert, wird der Kloß im Hals des Betrachters immer größer. „Apollo 13“ ist Kino, das bewegt. So soll es im Idealfall sein und Ron Howard schafft es perfekt, dieses atemberaubende Abenteuer für eine breite Masse physisch und psychologisch greifbar zu machen. Großartiges Emotionskino.

    [1] Als Parabelflug wird ein besonderes Flugmanöver bezeichnet, bei dem das Flugzeug mehrere (meist 5 bis 30) nach unten geöffnete Parabeln mit dem Scheitel nach oben in der Luft beschreibt. Dazu geht die Maschine zuerst in einen 45°-Steigflug. Vor Erreichen des Scheitels werden die Triebwerke gedrosselt, so dass das Flugzeug nun in einen nahezu antriebslosen, zunächst nach oben führenden Sturzflug übergeht. Nach 15-30 Sekunden Sturzflug wird die Maschine durch Hochfahren der Triebwerke und Ziehen des Höhenruders wieder abgefangen. Parabelflüge dienen der Erzeugung von Schwerelosigkeit.

    Quelle: http://infos.aus-germanien.de

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