Mein Konto
    All In - Alles oder nichts
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    All In - Alles oder nichts
    Von Anna Lisa Senftleben

    Vor gut zwei Jahrhunderten war Pokern noch auf amerikanische Saloons beschränkt, wobei das Glücksspiel für den einen oder anderen Cowboy auch schon mal auf dem Friedhof endete. Mittlerweile wird nicht mehr nur im Wilden Westen, sondern wirklich überall gepokert: Discounter bieten das Anfänger-Set für Jedermann als Schnäppchen der Woche an, Stefan Raab bittet die C-Prominenz regelmäßig zur Pro7-Pokernight und sogar in der Online-Community StudiVZ findet man Gruppen wie „Geile Frauen, die Poker lieben“, „Texas Holdem - Die Elite unter sich“ und „Ich setz‘ auch beim Online-Poker 'ne Sonnenbrthematisiert, wobei zuletzt aber alle aktuellen Produktionen (The Grand, Glück im Spiel]ille auf“. Auch in der Geschichte Hollywoods wurde das Pokerspiel schon diverse Male ]) an den Kinokassen floppten. Dieses Schicksal traf auch den Pokerfilm „All In – Alles oder nichts“, der am US-Startwochenende in immerhin 50 Kino gerade einmal schlappe 35.281 Dollar einspielte. Was 1965 in Norman Jewisons [[Cincinnati Kid noch Steve McQueen und Edward J. Robinson als junger aufstrebender Pokerstar und väterlicher Lehrmeister waren, sind in „All In“ Bret Harrison in der Rolle des Nachwuchstalents und Burt Reynolds als gealterter Ex-Profi. Auch an Martin Scorseses „Die Farbe des Geldes“ mit Tom Cruise und Paul Newman fühlt man sich bei dieser Konstellation erinnert. Wo „Cincinnati Kid“ aber bis heute als Klassiker des Spielerfilms gilt, enttäuscht „All In“ mit einer spannungsarmen 08/15-Story, die vielleicht noch den einen oder anderen Pokerfan hinter dem Ofen hervorlockt, ansonsten aber auf wenig Gegenliebe stoßen dürfte.

    Der Ex-Pokerprofi Tommy Vinson (solariumgebräunt und knackig faltenfrei: Burt Reynolds) hat dem Glücksspiel seiner Gattin Helen (Maria Manson) zuliebe schon vor zwanzig Jahren abgeschworen, nachdem er in seinem letzten großen Spiel Haus und Hof verzockte. Heute stillt Tommy seine Sucht mit dem heimlichen Konsum von TV-Pokern, wobei er zufällig auf das 21-jährige Talent Alex Stillman (Bret Harrison) stößt. In dem frustrierten Ex-Zocker erwachen neuerlicher Ehrgeiz und Vatergefühle – so beschließt er, den Nachwuchsspieler unter seine Fittiche zu nehmen. Allerdings hat Alex neben seinem Talent auch ein gravierendes Problem: Er beherrscht zwar die Mathematik der eigenen Karten aus dem Effeff, ist aber nicht in der Lage, seine Gegner zu durchschauen. Hier kommt Tommy ins Spiel: Er bietet Alex seinen immensen Erfahrungsschatz und die Übernahme der Startgelder für die kommenden Pokerturniere an, im Gegenzug drückt der Newcomer die Hälfte seiner Gewinne ab. Doch die viel versprechende Allianz droht zu zerbrechen, als die hübsche Michelle (unsäglich: Shannon Elizabeth) auf der Bildfläche erscheint und Alex mit ihrer enormen Oberweite um den Verstand bringt...

    Regisseur Gil Cates Jr. hat Großes geleistet – zumindest wenn es darum geht, bekannte Pokergrößen für sein Projekt zu gewinnen: Neben der pokernden Schauspielerin Jennifer Tilly, die 1995 für ihren Auftritt in Woody Allens „Bullets Over Broadway“ eine Oscar-Nominierung einheimsen konnte, als Karen „Razor“ Jones treten auch noch diverse andere Pokerstars an, um Cameos zu absolvieren: Mit Antonio Esfandiari, Chris Moneymaker, Joe Hachem, Scott Lazar, Phil Laak, Greg Raymer und Isabelle Mercier konnte Cates Jr. die ganz Großen der Szene um sich versammelt. Neben dieser eindrucksvollen Stafette plätschert die eigentliche Handlung allerdings mehr oder weniger spannungsfrei vor sich hin. Die Beziehung zwischen Tommy und Alex verläuft die 91 Minuten Spielzeit hindurch stets in vorhersehbaren Bahnen. Emotionen und überraschende Einfälle lässt der Film ebenso vermissen wie psychologische Kontinuität. Da nicht einmal beim abschließenden Multimillionendollar-Turnier so etwas wie Spannung oder Wettkampfstimmung aufkommen will, scheint es schließlich sogar so, als ob „All In“ auch ganz auf sein Poker-Sujet hätte verzichten können, ohne dabei großartig an Qualität zu verlieren.

    Aufgesetzt und gekünstelt wirkt neben den schnellen Schnitten und dem auf Rock getrimmten Score von Peter Rafelson auch das Zusammenspiel der beiden Protagonisten: Sicherlich hätte man Burt Reynolds (Golden Globe für seine Serien-Rolle in „Evening Shade“, Oscar-Nominierung für seinen Auftritt als Pornoproduzent in Boogie Nights) nach einigen Jahren Funkstille ein fulminanteres Comeback gewünscht. Doch Reynolds spielt zu sehr sich selbst – ohne erwähnenswertes Mienenspiel hält er einfach nur sein Image als „alter Haudegen“ in die Kamera. Und auch der 26-jährige Bret Harrison, der sich mit US-Serien wie „O.C., California“ einen Namen gemacht hat, kann nur selten überzeugen. Der negative Höhepunkt ist aber die im Trailer groß angekündigte Shannon Elizabeth (American Pie). Als Michelle absolviert sie einen komplett überflüssigen Kurzauftritt, der in folgende Kategorie einzustufen ist: total unsinnige Integration einer Liebesgeschichte mit dem Zweck, eine ansonsten misslungene Story noch notdürftig zu kitten. Müßig zu erwähnen, dass dieses Unternehmen von geringem Erfolg gekrönt ist – als Auslöser für den notwendigen Bruch zwischen Schüler und Lehrer hätte es sicherlich deutlich reizvollere Varianten gegeben.

    Fazit: Die fatalen Einspielergebnisse aus Übersee sprechen für sich und auch hierzulande darf sich „All In – Alles oder nicht“ wohl nur geringe Chancen auf eine Winning Hand ausrechnen. Aufgrund der vorhersehbaren, überraschungsarmen Story werden bei diesem Film wohl nur Hardcore-Pokerfans auf ihre Kosten kommen – und dass auch nur, weil ihre Stars gleich reihenweise Cameo-Auftritte hinlegen. Wessen Interesse jetzt trotz aller Kritikpunkte geweckt sein sollte, dem sei angeraten, sich zum besseren Verständnis der Handlung vor dem Kinobesuch in die hohe Kunst des Pokerns einweisen zu lassen, insofern er Begriffe wie „Check“, „All In“ und „Blinds“ nicht sowieso schon längst im Schlaf beherrscht.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top